Vertrauensverlust in die Politik

 Foto: Orlando Bellini / Fotolia.com
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Man muss sich über die Menschen wundern, die sich über den Vertrauensverlust in die Politik wundern. Diese Entwicklung hat sich seit mindesten einem Jahrzehnt angekündigt, wurde zumeist ignoriert, gewinnt allerdings in der gesamten westlichen Welt im Jahre 2016 eine Dynamik, die sich nicht mehr verdrängen oder gar leugnen lässt. Die Versäumnisse der Vergangenheit rächen sich. Steht der Westen vor den größten Herausforderungen der jüngeren Geschichte?

Es brodelt und rumort überall in der westlichen Welt. In den USA punktet Donald Trump, indem er sich mit einfachen Phrasen an den sogenannten kleinen Mann wendet, der schon seit längerem keine politische Heimat mehr hat. Geschickt grenzt er sich von Lobbyvertretern aller Art sowie von seinen Gegenkandidaten ab, indem er auf sein Vermögen verweist. Die Botschaft: Ich bin euer Kandidat, ich lasse mich nicht kaufen. Die Sehnsucht nach grundsätzlichen Veränderungen in der Politik scheint so groß, dass scheinbar auch größere Unzulänglichkeiten des Kandidaten billigend in Kauf genommen werden. In Deutschland deuten die jüngsten Erfolge der AFD in eine ähnliche Richtung. Die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin hat in relativ kurzer Zeit im Jahre 2015 größere Teile der Bevölkerung aus ihrem politischen Dornröschenschlaf gerissen. Zu offensichtlich war der peinliche Kontrollverlust der Politik im letzten Jahr. Jetzt stehen wir vor dem Dilemma, dass Gruppierungen am ganz rechten Rand der Gesellschaft an Einfluss gewinnen, da sie sich geschickt mit denjenigen verbinden, die nicht rechts oder gar rechtsextrem sind, allerdings die Notwendigkeit eines grundsätzlichen Wandels in der Politik erkennen.

Zukunftsangt und Politikversagen

Es ist bedauerlich, wenn die Vertreter der großen Parteien in den Talkshows ihrer jeweiligen Länder bis zum heutigen Tage unisono behaupten, es handele sich lediglich um gefühlte Probleme, nicht um tatsächliche. In Österreich wird die FPÖ mit Strache an der Spitze immer stärker. Wenn man auf Deutschland blickt, so ist die Aussage gegenwärtig volkswirtschaftlich auf den Durchschnitt der Menschen bezogen wahrscheinlich sogar richtig. Die Ängste und Sorgen der Menschen beziehen sich jedoch auf die Zukunft. Es ist doch nachvollziehbar, wenn Geringqualifizierte bei einer Zuwanderung von einer Million weiterer Geringqualifizierter im letzten Jahr auf die Idee kommen, dass nicht beliebig zu steigernde Ressourcen zukünftig auf mehrere Köpfe werden verteilt werden müssen. Dazu kommt eine Aneinanderreihung von Politikversagen bzw. gescheiterten politischen Projekten in den letzten 15 Jahren, die bemerkenswert ist. Nur einige Beispiele: Korrektur der Fehler, die bei Einführung des Euro gemacht wurden? Fehlanzeige. Bändigung der Finanzmärkte nach der Krise 2008? Chance verschlafen, denn fast nichts ist passiert. Energiewende? Groß angekündigt, im Ergebnis vielleicht der peinlichste Schlag ins Wasser. Solidarische Verteilung der Flüchtlinge in Europa: Nicht gelungen. Die Liste könnte traurig lang fortgesetzt werden.

Kann es bei dieser Erfolgs-Bilanz (besser Misserfolgs-Bilanz) wundern, dass Zweifel in vielen Menschen hochkriechen, ob die heutigen Berufspolitiker in Europa das Zeug haben, ihre jeweiligen Länder in Europa und in der Welt mit der nötigen Qualifikation und dem benötigten Nachdruck zu vertreten? Eher nein.

Fest steht aber, dass wir es uns nicht leisten können, noch einmal 15 Jahre so weiter zu schludern wie bisher. Die Welt steht vor gravierenden Umbrüchen. Steigende Produktivität im Allgemeinen und die digitale Revolution im Besonderen werden den Trend in Zukunft noch verstärken, dass immer weniger Menschen Arbeit finden werden, die Geringqualifizierten trifft es auch hier am meisten. Tragfähige politische Konzepte, die Lösungen anbieten, sind nicht im Ansatz sichtbar.

Das Vertrauen in die Politik wird erst zurückkehren, wenn sich der Politikertypus wieder ändert. Der brave Parteisoldat mit seinen sprechblasenmäßigen Antworten auf die jeweils aktuellen Fragestellungen war gut genug, um unsere Länder in ruhigen Gewässern zu verwalten. In den nächsten Jahren jedoch wird dieser Ansatz vor dem Hintergrund der geschilderten Herausforderungen nicht mehr ausreichen.


Über den Autor

Christian Rasp ist Rechtsanwalt und seit 1992 in Thailand, Hongkong und China tätig. Er leitet ein spezialisiertes Consulting-Haus, lebt und arbeitet in Hua Hin, Bangkok und Hongkong. Die Kolumne Nachgefragt“ beschäftigt sich vorwiegend mit aktuellen ökonomischen Fragestellungen, die es verdienen, etwas genauer unter die Lupe genommen zu werden.

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