Verstappens verzweifelter Kampf mit dem «Monster»

Der niederländische Red Bull Racing-Pilot Max Verstappen während des Großen Preises von Italien in Monza. Foto: epa/Daniel Dal Zennaro
Der niederländische Red Bull Racing-Pilot Max Verstappen während des Großen Preises von Italien in Monza. Foto: epa/Daniel Dal Zennaro

MONZA: Die Ära von Red Bull droht zu enden. Der Wagen funktioniert nicht mehr. Formel-1-Titelverteidiger Max Verstappen spricht Klartext.

Die Mängelliste ist lang, Red Bull und Max Verstappen sind im Alarmzustand. Der Vorsprung des dreimaligen Formel-1-Weltmeisters beträgt zwar noch 62 Punkte nach dem Frust-Wochenende von Monza. Satte 232 Punkte gibt es in den restlichen acht Grand Prix plus drei Sprintrennen aber maximal noch zu holen. Beide Titel seien im Moment nicht realistisch, urteilte Verstappen und betonte: «Letztes Jahr hatten wir ein tolles Auto, das dominanteste Auto aller Zeiten, und das haben wir praktisch in ein Monster verwandelt. Das Auto ist unfahrbar.»

Das Schlimmste: Verstappen wirkte nicht mal so verärgert, wie man es sich bei dem 26 Jahre alten Niederländer auch vorstellen könnte. Dass er während des Rennens den Kommandostand sogar um Erlaubnis bat, sich gegen seinen WM-Widersacher Lando Norris von McLaren verteidigen zu dürfen, nachdem dieser neue Reifen aufgezogen hatte und von hinten drängte, sagt auch einiges über das aktuelle Binnenklima bei Red Bull aus. Es wirkte fast wie eine Provokation.

«Die Situation ist heftig - weil sie es nicht verstehen», sagt Ex-Weltmeister und Sky-Experte Nico Rosberg über den derzeit ungewohnt kriselnden und rätselnden Rennstall. «Sie gehen gerade immer weiter rückwärts und andere Teams wie McLaren machen einen phänomenalen Job.» Der Wagen des britischen Traditionsteams, dessen letzter WM-Triumph in der Fahrerwertung über anderthalb Jahrzehnte durch Lewis Hamilton 2008 her ist, ist der schnellste im Feld.

Allerdings vergab McLaren auch die Möglichkeit, den WM-Zweiten Norris noch ein bisschen näher an Verstappen ranrücken zu lassen. Eine Teamorder blieb - zur Freude der Rennenthusiasten - aus. Kühl betrachtet, waren es aber weitere drei Punkte, die Norris am Ende fehlen könnten, nachdem dieser in Ungarn nach einem Kommando- und Taktik-Wirrwarr seinen Teamkollegen Oscar Piastri hatte gewinnen lassen müssen und weitere sieben Punkte einbüßte.

Er sei nicht hier, um zu betteln, dass er vorbeigelassen würde, betonte Norris in Italien. Es sei aber auch nicht seine Entscheidung, es sei eine des Teams. Hinter Ferrari-Triumphator Charles Leclerc und Piastri musste sich Norris in Monza mit Platz drei begnügen. Mit Freude tat er es nicht.

Baku und Singapur als Wegweiser

Die kommenden beiden Rennen binnen acht Tagen dürften Aufschluss darüber geben, ob McLaren den Vollangriff mit Norris auf Verstappen wagt, von Baku geht es nach Singapur. Zwei Rennen, die auch zeigen werden, ob Red Bull eine Saison, die schon alles andere als planmäßig begann, doch noch erfolgreich beenden kann.

Denn da war viel Wirbel um Teamchef Christian Horner und angebliches unangemessenes Verhalten gegenüber einer ehemaligen Mitarbeiterin. Und noch mehr Wirbel um einen angeblich tobenden Machtkampf des Briten und seiner Unterstützer mit Red Bulls österreichischem Motorsportberater Helmut Marko und dessen Fraktion.

Sportlich schlug sich das zunächst nicht nieder, aber dann. «Wir müssen den Punkt finden, wo wir falsch abgebogen sind», sagte Marko in Monza. Im Mai in Miami passierte es, da legten sie sich bei Red Bull fest. Verstappen gewann danach zwar noch drei Rennen, seit dem 23. Juni ist er aber sieglos. «Es ist echt so - das hätte man nach den ersten Rennen nie gedacht - dass Red Bull beide Weltmeisterschaften noch verlieren kann», betont Rosberg. Zwölf Punkte Vorsprung hat der Titelverteidiger nur noch im Teamklassement auf McLaren.

Ungewohnte Nachlässigkeiten schlichen sich ein, ungewohnte taktische Fehler, ungewohnte Patzer wie bei einem Boxenstopp von Verstappen beim Großen Preis von Italien. In den vergangenen beiden Jahren hatte er im Königlichen Park noch gewonnen. Diesmal sagte er: «Alles war zu langsam.» Eigentlich habe gar nichts funktioniert: «Strategie nicht, Pace generell natürlich nicht und die Pitstopps waren auch schlecht.»

Gefährliche Gemengelage

Aufs und Abs sind normal, die Fahrer kennen das, die Teambosse auch. Die Gemengelage bei Red Bull ist aber eine mit gehöriger Explosionsgefahr. Mehr oder weniger im Hintergrund zündelt immer mal wieder Verstappens Vater Jos gegen Horner, dessen Rauswurf er vor Monaten schon forderte.

Hinzu kommt, dass Design-Genie Adrian Newey Red Bull im ersten Quartal kommenden Jahres verlassen wird, vorher verabschiedet sich Sportdirektor Jonathan Wheatley, designierter Teamchef von Audi ab 2026. Der zweite Fahrer Sergio Pérez steckt seit Monaten im Tief und bei dauerhaftem Misserfolg wird auch der Verbleib von Verstappen selbst bei Red Bull immer mehr infrage gestellt.

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