MONZA: Wer triumphiert am Ende? Verstappen ist stresstest erprobt. Sein Herausforderer Norris gibt in Italien interessante Einblicke. Im Training überzeugt der Brite im McLaren.
Jetzt, wo es im Kampf um den Weltmeister-Titel in die lange kräfte- und nervenzehrende Schlussphase geht, legt Max Verstappens Herausforderer ein bemerkenswertes Geständnis ab. «Ich werde immer noch nervös. Und wahrscheinlich wird das immer so bleiben», sagt Lando Norris. An Rennsonntagen könne er kaum etwas essen, auch Trinken gehe kaum. «Einfach weil ich nervös bin und wegen des Drucks.»
Hamiltons Einschätzung: «Er wird auch ein bisschen Glück brauchen»
70 Punkte trennen den 24 Jahre alten Briten im McLaren nach seinem Sieg in Zandvoort zuletzt vom dreimaligen Weltmeister aus den Niederlanden. Das klingt nach viel, ist es aber nicht. 25 Zähler für einen Grand-Prix-Sieg plus einen für die schnellste Rennrunde gibt es. Mit dem Großen Preis von Italien an diesem Sonntag bieten sich insgesamt noch neun Gelegenheiten. Dazu kommen noch drei Sprint-Auflagen bis zum Jahresende mit maximal jeweils acht Zählern.
Zum Auftakt in Italien raste zunächst Verstappen im ersten Training auf Rang eins, Norris schaffte es auf Platz drei. Dazwischen lag noch Charles Leclerc beim Heimauftritt von Ferrari. Am Nachmittag zur Qualifikationszeit landete Verstappen aber nur auf Rang 14, allerdings ohne die schnellste Reifenmischung gefahren zu sein.
Norris wurde mit der Winzigkeit von drei Tausendstelsekunden Zweiter hinter Rekordweltmeister Lewis Hamilton, der in Monza zusammen mit Ex-Pilot Michael Schumacher mit jeweils fünf die meisten Siege feierte.
Und auch er blickt natürlich auf das WM-Duell. «Es liegen noch eine Menge Punkte auf dem Tisch, ich denke, es ist noch möglich», betont Hamilton. Der 39-Jährige ist im WM-Rennen dieser Saison zwar außen vor, kaum aber einer weiß so genau, worauf es im Titelkampf mit insgesamt sieben WM-Triumphen ankommt. «Er wird auch ein bisschen Glück brauchen», sagte er Richtung Norris.
Aber eben auch gute Nerven, so wie er sie unterm Strich beim Sieg in Verstappens Reich bewies. Norris offenbarte aber auch da eine seiner großen Schwächen. Mal wieder konnte er eine Pole Position zunächst nicht verteidigen und versemmelte die ersten Meter. Sein Glück: der MCL38, wie der Rennwagen des britischen Traditionsteams heißt, ist derzeit das beste Auto im Feld.
Aber reicht das, um einen wie Verstappen zu schlagen? Die Serie eines Champions zu beenden, erfordert vielleicht mehr als ein besseres Auto. Beispiele gibt es reichlich. 2005 stoppte Fernando Alonso den Titelreigen von Michael Schumacher im Ferrari. Welche Entschlossenheit und welchen Willen der damalige Renault-Pilot hat, beweist Alonso immer noch. Mit 43 Jahren gehört er nach wie vor zu den besten Fahrern im Feld, ungebremster Ehrgeiz inklusive.
Titel werden auch im Kopf gewonnen
Auch Hamilton erlebte schon, wie er zu schlagen ist. Bevor es Verstappen beim Drama-Finale 2021 gelang, hatte es 2016 sein damaliger deutscher Mercedes-Teamkollege Nico Rosberg geschafft. Er hatte sein Startproblem in den Griff bekommen und vor allem an seiner mentalen Stärke gearbeitet.
«Ist es ein verdienter Titel, den er gewonnen hat, gegen Lewis Hamilton, der ihm bis auf die letzten Meter eine harte Nuss zu knacken gegeben hat?», fragte damals die italienische «La Gazzetta dello Sport» und gab sich gleich die Antwort: «Ja, weil die Titel nicht nur mit Schnelligkeit - eine Gabe, die ihm beileibe nicht fehlte -, sondern auch mit dem Kopf gewonnen werden.»
Deswegen kümmert sich Verstappen auch nur um sich selbst. Eine Dominanz von McLaren in den noch ausstehenden Rennen schließt er nicht aus. «Aber das liegt nicht in meiner Kontrolle», sagt der 26-Jährige.
Norris wird beweisen müssen, ob er titelreif ist
Zur Geschichte des aktuellen WM-Duells gehört auch, dass Verstappen und Norris gute Kumpels sind. Diese Freundschaft wurde in diesem Jahr auch schon schwer belastet und nach dem Crash von Spielberg zwischen den beiden von Norris zunächst infrage gestellt. Entschuldigen sollte sich Verstappen sogar. Wenige Tage später klang das bei Norris dann ganz anders: «Ich habe nach dem Rennen aus der Emotion heraus Sachen gesagt, die ich nicht so meine.»
Die Frage, wie viel innere und emotionale Härte im WM-Kampf dazu gehört, stellt sich immer wieder. Norris erlebte das auch vor der Sommerpause in Ungarn, als er letztlich nach diversen Teamentscheidungen seine Führung und damit auch den Rennsieg kurz vor Schluss auf Geheiß des Kommandostandes an seinen Stallrivalen Oscar Piastri abgab. Sieben Punkte kostete Norris das, sieben Punkte, die im WM-Kampf gegen den bekannt knallhart-kompromisslosen Verstappen fehlen.