Versöhnungsangebot und Nickeligkeiten

Kontroverse um Raubkunst

Das Bild
Das Bild "Die Kinder des Künstlers" (1830) von Friedrich Wilhelm von Schadow ist in der Ausstellung "Entrechtet und beraubt zu sehen. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

DÜSSELDORF: Selten hat eine Ausstellung schon im Vorfeld so hohe Wellen geschlagen. Nun wird nach jahrelangen Irritationen eine Schau zu dem jüdischen Kunstsammler Max Stern in Düsseldorf erstmals öffentlich präsentiert.

Das Stadtmuseum in Düsseldorf gehört nicht gerade zu den bekanntesten Museumsadressen in Deutschland, aber es hat international Aufsehen erregt. In dem nicht sehr ansehnlichen Beton-Bau mitten in der Altstadt wird nach jahrelanger Kontroverse jetzt erstmals öffentlich eine Ausstellung zum Leben und Wirken des von den Nazis verfolgten jüdischen Kunsthändlers Max Stern (1904-1987) präsentiert.

Ein für Unbeteiligte schwer nachvollziehbarer Streit zwischen internationalen Stern-Experten und der Stadt Düsseldorf hatte dazu geführt, dass das Schicksal des Hauptprotagonisten Max Stern zwischenzeitlich in den Hintergrund geriet.

Mehrmals wurde die Schau seit 2018 verschoben. Die ursprünglich beteiligten kanadischen Experten sind ausgestiegen, auch die Jüdische Gemeinde Düsseldorf macht nicht mit. Selbst die Leiterin des Stadtmuseums, Susanne Anna, die zusammen mit den Kanadiern die Ausstellung einst konzipiert hat, ist nicht mehr beteiligt. Und so kommt es zu der seltsamen Situation, dass die Ausstellung «Entrechtet und beraubt. Der Kunsthändler Max Stern» am Dienstag im Stadtmuseum ohne die Direktorin vorgestellt wird.

Dass die Irritationen längst nicht ausgeräumt sind, zeigt sich an weiteren Besonderheiten. So hat der kanadische Nachlass, das Max Stern Art Restitution Project, nicht erlaubt, dass ein bereits von der Stadt restituiertes Selbstbildnis von Friedrich Wilhelm von Schadow in der Schau gezeigt wird. Dabei hängt das Bild als Dauerleihgabe des Stern-Nachlasses auf derselben Etage in der Ständigen Sammlung des Museums. In dem Gewirr der Räume dürfte es aber kein Besucher finden.

Auch über die acht Tonbänder, die Max Stern 1982 mit seinen Erinnerungen besprach und die in Ottawa liegen, halte der Stern-Nachlass offenbar seine Hand, mutmaßt Kurator Dieter Vorsteher. Jedenfalls habe Düsseldorf die Rechte zum Abspielen von Ausschnitten nicht bekommen. Der Stern-Nachlass sei «in seiner Ablehnung der Ausstellung sehr konsequent», sagt Vorsteher.

Auslöser des Streits war 2017 die überraschende einseitige Absage der Ausstellung durch den damaligen Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD). Er hatte dies mit Auskunfts- und Restitutionsgesuchen begründet. Die beteiligten kanadischen Stern-Experten waren brüskiert. Der Streit erlangte eine solche politische Dimension, dass sogar die «New York Times» über Düsseldorfs Umgang mit Max Stern schrieb. Ronald S. Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses, kritisierte den damaligen OB Geisel öffentlich.

Ein wunder Punkt sind zwei noch offene Restitutionsfälle in Zusammenhang mit Max Stern. Eines der Bilder - «Die Kinder des Künstlers» (1830) von Friedrich Wilhelm von Schadow - steht mitsamt des Restitutionsstreits am Schluss der textlastigen Ausstellung. Zu dem Werk liegt ein Ersuchen des Max Stern Art Restitution Project vor.

Düsseldorfs Oberbürgermeister Stephan Keller (CDU) reichte dem Stern-Nachlass am Donnerstag symbolisch die Hand. Er entschuldigte sich für die Absage der Ausstellung 2017 durch seinen Vorgänger Geisel. Keller sagte dem Restitution Project einen «verantwortungsvollen Umgang» mit noch offenen Rückgabeersuchen zu. Er sei «gern bereit, neue Gespräche aufzunehmen». In dem Restitution Project forschen drei Universitäten nach Kunstwerken aus der Sammlung.

In der Ausstellung nimmt der Restitutionsstreit zwar einen wichtigen, aber nicht dominanten Platz ein. Selbst die Verfolgung Sterns durch die Nazis - die Gestapo-Akte wird im Original gezeigt - ist nur einer von mehreren Aspekten.

Der Kunsthistoriker Max Stern stieg 1928 in die 1913 gegründete Galerie seines Vaters Julius Stern an der noblen Königsallee ein. Sie zählte neben den Galerien von Alfred Flechtheim, Johanna Ey und Hans und Georg Paffrath zu den prominenten Adressen des Düsseldorfer Kunsthandels im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts.

1937 wurde Max Stern von den Nazis zur Auflösung seiner Düsseldorfer Galerie gezwungen. Seine Ware musste er auf der Auktion Nummer 392 im Auktionshaus Lempertz versteigern lassen - zu «mittelmäßigen Preisen». Stern konnte nach London fliehen und gelangte 1941 nach Kanada. Zwei Jahre verbrachte er in kanadischen Internierungslagern, arbeitete als Holzfäller und in einer Fabrik. Dann stieg er wieder in seinen Galeristen-Beruf ein und führte später die renommierte Dominion Gallery in Montreal.

Das Ehepaar Max und Iris Stern erhielt höchste kanadische Auszeichnungen. So wie die Familie Stern einst in der Mitte des Düsseldorfer Bürgertums lebte, bevor sie von den Nazis entrechtet und vertrieben wurde, nahm sie auch in Kanada einen wichtigen gesellschaftlichen Platz ein. Stern gab nie auf. «Ich wusste genau, was ich tat», sagte er 1966. «Alles, was ich in Kanada gemacht habe, hatte ich zuvor in Europa gesehen. Es war, als würde man zweimal leben.»

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