Verpasste Chance

UN-Woche ohne Entspannung in der Irankrise

Foto: epa/Justin Lane
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NEW YORK (dpa) - Tagelang liefen sie durch die Gänge der Vereinten Nationen, sprachen mit denselben Politikern und griffen sich in ihren Reden gegenseitig an. Ein Treffen aber vermieden Donald Trump und Hassan Ruhani. Immerhin: Am Freitag gab der Iran einen britischen Tanker frei.

Es war die große Frage der UN-Generaldebatte: Treffen sich die Gegenspieler im wohl gefährlichsten Konflikt der Gegenwart? Doch statt miteinander zu reden, lieferten sich die Präsidenten der USA und des Irans bei der UN-Generaldebatte nur einen Schlagabtausch auf Distanz. Während Donald Trump in seiner Rede vor den Vereinten Nationen in New York auf Kriegsrhetorik verzichtete und vergleichsweise sanfte Töne anschlug, drohte Hassan Ruhani einen Tag später sehr direkt: Der Iran werde «entschlossen und stark» auf Provokationen und Interventionen reagieren. Ein einzelner Fehler könne «ein großes Feuer entfachen».

Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Boris Johnson versuchten sich in Pendeldiplomatie - ohne greifbare Ergebnisse. Die Chance für eine Entschärfung der Iran-Krise scheint jedenfalls vorerst verpasst. Trotzdem hat sich die Lage verändert. Drei Lehren aus der UN-Woche:

- DER IRAN WILL SICH NICHT IN DIE KNIE ZWINGEN LASSEN

Ruhani steckt in der Zwickmühle: Der Weg zu einer Beruhigung des Konflikts und einer spürbaren Entlastung von den Sanktionen führt über Gespräche mit dem Erzfeind USA. Ein Treffen mit dem verhassten Rivalen Trump ohne Vorbedingungen kann er zu Hause aber unmöglich rechtfertigen - er müsste vorher schon eine klare Lockerung der Strafmaßnahmen aushandeln.

Denn auch Teheran weiß, wie die Trump-Administration - Erinnerungen an die Treffen mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un werden wach - die entstehenden Bilder ausschlachten würde. Nämlich als diplomatische Kapitulation des Irans angesichts der amerikanischen Übermacht. Deshalb schließt Ruhani ein Treffen bei jeder sich bietenden Gelegenheit kategorisch aus.

- DIE EUROPÄER VERLIEREN LANGSAM DIE GEDULD

Die Europäer änderten während der UN-Woche ihren Kurs in der Iran-Politik. In einer gemeinsamen Erklärung gaben Deutschland, Frankreich und Großbritannien Teheran Verantwortung für die Drohnenangriffe auf saudische Ölanlagen - und folgten damit dem Beispiel der USA.

Zwar bekennen sie sich weiter zu dem bestehenden Abkommen zur Verhinderung einer iranischen Atombombe, das als Gegenleistung die Zusage an Teheran enthielt, die Wirtschaftsbeziehungen zu normalisieren. Sie fordern aber auch Verhandlungen über ein weitreichenderes Abkommen, das auch das iranische Raketenprogramm und die Einmischung Teherans in regionale Konflikte wie im Jemen oder in Syrien berücksichtigt.

Ein solches Abkommen wollen auch die Amerikaner. Die Europäer haben sich nach monatelangem Streit mit Washington über die Iran-Politik also ein Stück weit auf die USA zubewegt. Trumps Politik des «maximalen Drucks» mit immer neuen Sanktionen wollen sie aber nicht mittragen.

- DIE AMERIKANER SEHEN SICH ALS GEWINNER

Washington sieht sich durch den Schwenk der Europäer trotzdem auf ganzer Linie bestätigt. «Das sind die Dinge, auf die die Administration in den vergangenen eineinhalb Jahren gedrängt hat», kommentierte die Sprecherin des US-Außenministeriums, Morgan Ortagus, die Erklärung der Europäer. «Wir halten das für einen massiven diplomatischen Sieg für die Trump-Regierung.»

Auch US-Außenminister Mike Pompeo las die Erklärung des EU-Trios so, dass die Europäer das Atomabkommen bereits aufgegeben haben. Er sah «echte Fortschritte» darin, in der Iran-Frage «die Welt zu vereinen» - und zwar auf der Seite der USA.

- ABER WIE GEHT ES NUN WEITER?

Ein Treffen Trumps mit Ruhani ist jedenfalls nicht einfacher geworden. In New York hätten sich beide ohne großen Aufwand zusammensetzen können. Jetzt müssten sie sich irgendwo auf der Welt an einem neutralen Ort verabreden. Dass der eine den anderen zu Hause besucht, gilt als ausgeschlossen. Auch das unmissverständliche Beharren Ruhanis auf eine Aufhebung der Sanktionen als Vorbedingung hat ein Treffen nicht wahrscheinlicher gemacht.

Es besteht also die Gefahr einer weiteren Eskalation. Die USA machen keine Anstalten, die harten Strafmaßnahmen zu entschärfen - im Gegenteil: Trump dreht immer weiter an der Sanktionsschraube. Der Iran hat für Anfang November die vierte Phase des Teilausstiegs aus dem Atomabkommen angekündigt, mit dem Teheran auf die Sanktionen reagiert. Das würde das im Moment ohnehin fast wirkungslose Atomabkommen noch näher an den Abgrund bringen.

Der von Ruhani vorgestellte Friedensplan, nach dem die Anrainer des Persischen Golfes - ohne die USA - ihre Konflikte selbst lösen sollen, dürfte ebenfalls wirkungslos bleiben. Kaum vorstellbar, dass das sunnitische Königreich Saudi-Arabien als Erzfeind des schiitisch geprägten Irans und die von Riad abhängigen arabischen Staaten ihn ernst nehmen.

Direkte Gespräche zwischen dem Iran und den USA scheinen weiter der einzige Ausweg zu sein. US-Außenminister Mike Pompeo sagte am Rande der Vollversammlung: «Wir hoffen, dass wir die Chance bekommen, mit ihnen zu verhandeln und ein Ergebnis zu bekommen, das gut sowohl für sie als auch für die Vereinigten Staaten ist.»

Einen Streitpunkt weniger gibt es immerhin: Iran gab seit Mitte Juli in der Straße von Hormus festgehaltenen britische Öltanker «Stena Impero» wieder frei. Die Straße von Hormus ist eine der wichtigsten Seestraßen der Welt: Ein Großteil des weltweiten Ölexports wird durch die Meerenge verschifft.

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