Vergessen und verdrängt – Sea Gypsies auf Phuket

Das uralte Volk der Moken – Leidtragende der Zivilisation in Südostasien

Eine Moken-Familie auf Koh Surin. Die Insel beherbergt in Thailand die größte Gemeinschaft der Meeres-Nomaden. Foto: picture-alliance / united-archives/mcphoto
Eine Moken-Familie auf Koh Surin. Die Insel beherbergt in Thailand die größte Gemeinschaft der Meeres-Nomaden. Foto: picture-alliance / united-archives/mcphoto

PHUKET: Die Sea Gypsies oder auch Moken sind eine Volksgruppe, die seit rund vier Jahrtausenden im südost­asiatischen Raum beheimatet ist. Wenn es um das Leben und Überleben am Meer geht, sind die Sea Gypsies unschlagbar. Unter Wasser kennen sie sich hervorragend aus, sämtliche Fischarten, alle Muscheln und das gesamte Spektrum der Wasserpflanzen ist ihnen vertraut. Sie besitzen besondere Fähigkeiten, wenn es um das Fangen von Fischen oder das Tauchen nach Perlen geht.

Ihre in Jahrhunderten entwickelte Methode zur Nahrungsbeschaffung machte die Moken zu Nomaden, zu einem nicht sesshaften Wandervolk. Sie suchten sich eine passende Bucht, bauten sich ihre Boote aus Holz und ihre Hütten aus Bambus. Sie lebten von dem, was Wasser und Land für sie bereithielt. Waren alle Ressourcen aufgebraucht, wurde das Lager abgebaut und die nächs­te geeignete Bucht aufgesucht. Durch die zunehmende Ausbreitung der Zivilisation, durch Bebauung, aber auch durch Tourismus und die Suche nach Öl wurde der Lebensraum der Moken zusehends eingeengt.

Ein Volk unbekannter Herkunft

Die eigentliche Herkunft der Sea Gypsies ist nicht bekannt. Nirgendwo und zu keiner Zeit ist die Chronik ihres Ursprungs und die Geschichte ihrer Kultur festgehalten. Es wird gerätselt, ob sie aus den ehemaligen Kolonien Malaysias kommen oder aus Burma, auf der Flucht vor muslimischen Invasoren. Andere Ethnologen vermuten, dass sie von indischen Volksgruppen abstammen könnten.

Anfang des Jahres 2019 brachte der Kultursender Arte eine beindruckende Dokumentation über die Moken. Im Film „Hook, der junge Mann und das Meer“ wird das traditionelle, freie Leben der Sea Gypsies ihrem heutigen, mehr oder weniger erzwungenen Lebensstil gegenübergestellt. Es wird berichtet, dass die Moken auch heute noch kaum Geld für ihr tägliches Leben benötigen. Das meiste wird über Tauschgeschäfte abgewickelt. Für Muscheln, Fische, Schalentiere und Mineralien erhalten sie im Gegenzug das, was sie zum Leben brauchen.

Auch heute noch leben die Sea Gypsies in einfachen Bambus­hütten. Ihr Lebensraum wird jedoch zunehmend eingeengt. Foto: picture alliance / CPA Media Co. Ltd
Auch heute noch leben die Sea Gypsies in einfachen Bambus­hütten. Ihr Lebensraum wird jedoch zunehmend eingeengt. Foto: picture alliance / CPA Media Co. Ltd

Bis vor wenigen Jahren konnten die Moken im Mergui-Archipel, eine Gruppe von mehr als 800 Inseln im Süden Myanmars, ihre Freiheit genießen und ihre traditionelle Lebensweise erhalten. Dann begann die Regierung die Nomaden zur Sesshaftigkeit zu drängen – eine Maßnahme, die durchaus auch Vorteile mit sich bringt. Sesshafte Moken können das Gesundheitswesen nutzen, ihre Kinder Schulen besuchen und auch sanitäre Anlagen wurden für sie errichtet.

Allerdings liegen die zugeteilten Ansiedlungen meistens in Nationalparks und das bedeutet weitere Einschränkungen ihrer ursprünglichen Gewohnheiten. In den Nationalparks darf nichts verändert werden, es darf nichts aus dem Wasser entwendet werden, womit das Fischen komplett ausfällt. Und es ist verboten die Bäume, die die Moken zum Hausbau benötigen, zu fällen.

Abgedrängt: Die Moken auf Phuket

Heute verteilen sich die Moken auf die Inseln der Andamanensee und der Straße von Malakka bis zum Südchinesischen Meer. Die größte Gemeinschaft in Thailand lebt auf Koh Surin, 60 Kilometer vor der Westküste gelegen.

Auf Phuket leben seit Jahrhunderten die Urak Lawoi, eine Untergruppe der Sea Gypsies. Durch ihre dunklere Hautfarbe und ihr meistens lockiges Haar unterscheiden sie sich deutlich von den ethnischen Thais. Das Nomadendasein war durch die dichte Bebauung bereits sehr früh nicht mehr möglich, weshalb den Urak Lawoi drei Siedlungen auf der Urlaubsinsel zugewiesen wurden. Die größte befindet sich auf der Halbinsel Koh Sirey unmittelbar hinter Phuket Town. Die zweite liegt acht Kilometer nördlich von Phuket Stadt in der Saphan Bay. Das bekannteste und am meis­ten besuchte Sea-Gypsy-Dorf ist ganz im Süden, in Rawai.

Touristische Berührungspunkte halten sich in Grenzen. Auf Koh Sirey und in der Saphan Bay finden sich einige kleinere Verkaufsstände mit Perlenschmuck, schönen Muscheln und weiterem Kunsthandwerk. In Rawai führten die Sea Gypsies lange Zeit einen bescheidenen Fischverkauf und zwei, drei Restaurants. Dieses Geschäft ist ihnen komplett aus der Hand gerissen worden. Heute buhlen mehrere Dutzend Fisch- und Schaltiergeschäfte und ebenso viele Restaurants, teilweise sogar zweistöckig um die Gunst der Kunden.

Der Lebensstil der Urak Lawoi ist erkennbar niedriger, als der der Thaibevölkerung um sie herum. Ihre Unterkünfte wirken ärmlich und die Einwohner haben weder den Ehrgeiz noch das Interesse sich um Wohlstand und Besitz zu bemühen. Doch kann man ihnen das verübeln, wenn man ihre Herkunft und ihren über Jahrtausende gewohnten Lebensstil kennt? Ist es nicht gut vorstellbar, dass auch die heutigen Sea Gypsies in ihrem Innern, in ihren Seelen und in ihren Genen immer noch eine unerfüllte Sehnsucht nach freiem Leben in freier Natur spüren?

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