Hunderttausende verlassen Großbritannien wegen Corona

Fussgänger gehen während der dritten nationalen Abriegelung in London an der Themse entlang. Foto: epa/Facundo Arrizabalaga
Fussgänger gehen während der dritten nationalen Abriegelung in London an der Themse entlang. Foto: epa/Facundo Arrizabalaga

LONDON: Wegen wirtschaftlicher Probleme in der Corona-Krise haben einer Studie zufolge Hunderttausende Menschen Großbritannien den Rücken gekehrt. Es handele sich um einen «beispiellosen Exodus» im Ausland geborener Arbeitskräfte, folgern die Wissenschaftler des Economic Statistics Centre of Excellence in London.

«Ein Großteil der Arbeitsplatzverluste während der Pandemie betrifft nicht-britische Arbeitnehmer und drückt sich eher in Rückwanderung als in Arbeitslosigkeit aus.» Dabei stützen sich die Autoren der Studie auf Arbeitsmarktdaten.

Besonders London, wo jeder fünfte Einwohner Ausländer ist, sei betroffen - die Bevölkerung der Hauptstadt ist der Studie zufolge um 700.000 Menschen gesunken, landesweit könnten es mehr als 1,3 Millionen sein. «Wenn dies annähernd genau ist, handelt es sich um den größten Rückgang der britischen Einwohnerzahl seit dem Zweiten Weltkrieg», schrieben die Forscher.

Es gebe keine Beweise dafür, dass im Ausland lebende Briten in annähernd gleicher Zahl ins Vereinigte Königreich zurückgekehrt seien. Zugleich räumen die Wissenschaftler ein, dass es sich um ein vorübergehendes Phänomen handeln könnte und dass viele ausländische Arbeitskräfte möglicherweise nach der Pandemie nach Großbritannien zurückkehren könnten.

Ausländer werden von der britischen Wirtschaft dringend benötigt. Ihre coronabedingte Abwanderung ist aber nicht die einzige Gefahr. Auch wegen des Brexits und schärferen Migrationsgesetzen bangen viele Branchen um Fachkräfte. Die Corona-Krise ist auch für ein weiteres Alarmsignal verantwortlich. Die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC erwartet für 2021 eine «Baby-Delle» in Großbritannien. Weil viele Paare wegen der unsicheren Aussichten aufgrund der Pandemie ihre Familienplanung verschöben, drohe die niedrigste Geburtenquote seit 1900, teilte PwC Anfang Januar mit.


Verbesserungen der Luftqualität bei Lockdown weniger groß als gedacht

BIRMINGHAM: Der coronabedingte Lockdown im Frühjahr führte insgesamt zu besserer Stadtluft. Sein Effekt war jedoch wohl nicht ganz so groß wie zunächst angenommen.

Die Luftverschmutzung in Städten ist während der coronabedingten Einschränkungen im Frühjahr 2020 weniger stark zurückgegangen als angenommen. Einer neuen Analyse zufolge wirkten sich das Wetter und die üblichen Veränderungen beim Übergang vom Winter auf den Frühling deutlich auf die Werte von Stickstoffdioxid (NO2), Ozon (O3) und Feinstaub (PM2,5) aus. Forscher um Zongbo Shi von der University of Birmingham (Großbritannien) veröffentlichten ihre Ergebnisse im Fachmagazin «Science Advances».

«Wetteränderungen können Änderungen der Emissionen im Hinblick auf die Luftqualität überlagern», sagte Shi. Deshalb nutzte sein Team sogenanntes maschinelles Lernen, um den Wettereinfluss aus den Messdaten zur Luftqualität herauszurechnen. Das Computermodell lernte anhand von Messdaten und zugehörigen Wetterdaten aus den Jahren 2016 bis 2019, die durch das Wetter verursachten Effekte herauszurechnen. Dies wandten die Wissenschaftler auf die Luft-Messreihen jeweils vor und nach Beginn eines Lockdowns in elf Städten an. Sie verglichen daher nicht die Daten von 2020 mit den Vorjahreszeiträumen, sondern die Werte vor dem Lockdown mit denen währenddessen. Die Städte lagen in Asien (Peking, Wuhan, Delhi), Europa (London, Berlin, Mailand, Rom, Paris, Madrid) und Nordamerika (New York, Los Angeles).

Des Weiteren rechneten die Forscher den Einfluss der saisonalen Veränderungen heraus. So entstehen im Frühling zunehmend weniger Schadstoffe und Schmutzpartikel durch das Heizen, dafür sind vermehrt Pollen, Sporen und andere organische Substanzen unterwegs. Nach der Berücksichtigung dieser Einflussfaktoren fiel insbesondere der Rückgang von NO2 während der Einschränkungen geringer aus als in früheren Studien.

So war berichtet worden, dass der NO2-Wert in Wuhan (China) während des Lockdowns um 93 Prozent gesunken ist. Unter Berücksichtigung des Wetters betrug der Rückgang jedoch nur noch 43,9 Prozent und unter Berücksichtigung der saisonalen Veränderungen nur noch 33,9 Prozent. In Berlin war ein Rückgang des NO2-Wertes um 28,1 Prozent gemessen worden. Den Wettereinfluss herausgerechnet, sank der Wert jedoch nur um 25,4 Prozent, nach Berücksichtigung der saisonalen Veränderungen nur um 11,3 Prozent.

Andererseits fällt nach den neuen Berechnungen der Anstieg der Ozonwerte wegen des Lockdowns nicht mehr so hoch aus wie bisher angegeben. So war für Berlin ein Anstieg der Ozonwerte um 57,8 Prozent während des Lockdowns gemessen worden. Rechnet man den Wettereinfluss heraus, beträgt dieser Anstieg nur 29,9 Prozent, beim Herausrechnen des saisonalen Einflusses nur noch 2,6 Prozent. Die höheren Ozonwerte in Berlin während des Lockdowns im Frühjahr 2020 waren also hauptsächlich dem Wetter und dem Jahreszeitenwechsel geschuldet.

Weil Reaktionen mit NO2 für einen Abbau von Ozon sorgen, führten geringere NO2-Werte im Zuge des Lockdowns auch zu höheren Ozonwerten. Die Sonneneinstrahlung bewirkt die Bildung von Ozon, deshalb steigen die Ozonwerte mit länger werdenden Tagen im Frühjahr ohnehin an.

Bei den Daten zum Feinstaub (PM2,5) fanden die Forscher keinen klaren Trend, sondern deutliche Unterschiede von Stadt zu Stadt. In London und Paris nahm der Feinstaub nach Beginn des Lockdowns sogar zu.

Zukünftige Minderungsmaßnahmen erforderten einen systematischen Ansatz zur Kontrolle der Luftverschmutzung in Bezug auf NO2, O3 und Feinstaub PM2,5, der auf einzelne Städte zugeschnitten ist, betonen die Forscher. «Emissionsänderungen im Zusammenhang mit den Einschränkungen der frühen Lockdowns führten zu abrupten Änderungen der Luftschadstoffwerte, aber ihre Auswirkungen auf die Luftqualität waren komplexer als gedacht und geringer als erwartet», fasst Shi das Ergebnis der Studie zusammen.


Britische Wirtschaft schrumpft - Industrieproduktion im Minus

LONDON: Die Wirtschaft Großbritanniens ist im November vor dem Hintergrund des erneuten Lockdowns zur Eindämmung Corona-Pandemie geschrumpft. Im Monatsvergleich sei die Wirtschaftsleistung um 2,6 Prozent gesunken, teilte das Statistikamt ONS am Freitag in London mit. Analysten waren von einem noch stärkeren Rückschlag ausgegangen. Sie hatten für November im Schnitt mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 4,6 Prozent gerechnet.

Im Oktober war die britische Wirtschaft indes besser in das Schlussquartal 2020 gestartet als zunächst gedacht. Das Statistikamt meldete im Monatsvergleich einen Anstieg der Wirtschaftsleistung um revidiert 0,6 Prozent (zuvor 0,4 Prozent). In Großbritannien werden auch monatliche Daten zur Wirtschaftsleistung veröffentlicht. Im internationalen Vergleich ist das eher unüblich. In Deutschland beispielsweise werden diese Daten nur quartalsweise vorgelegt.

Außerdem meldete das britische Statistikamt einen leichten Rückgang der Industrieproduktion im November. Diese sei im Monatsvergleich um 0,1 Prozent gesunken. Analysten wurden von der Entwicklung überrascht. Sie hatten im Schnitt einen Zuwachs um 0,5 Prozent erwartet. Damit ist die britische Industrieproduktion erstmals seit dem Corona-Einbruch im Frühjahr wieder geschrumpft.

Wir stark der Corona-Einbruch im Frühjahr noch nachwirkt, zeigt der Jahresvergleich. Im Oktober lag das Volumen der Industrieproduktion um 4,7 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor.

Im zweiten Quartal war die britische Wirtschaftsleistung wegen der harten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie um 18,8 Prozent im Quartalsvergleich eingebrochen. Im dritten Quartal hatte es eine starke Erholung mit einem Wachstum um 16,0 Prozent gegeben.

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