Verändern sich die Wälder?

Höheres Frostrisiko für Baumtriebe

Buchen stehen in einem Waldstück in der Nähe des Warnowtals. Foto: Jens Büttner/dpa-zentralbild/dpa
Buchen stehen in einem Waldstück in der Nähe des Warnowtals. Foto: Jens Büttner/dpa-zentralbild/dpa

BIRMENSDORF: Auch wenn das zunächst widersinnig klingen mag: In bestimmten Laubwäldern steigt im Zuge des Klimawandels das Risiko für Frostschäden. Hintergrund ist das frühere Austreiben der Bäume. Weil Baumarten unterschiedlich auf Frostschäden reagieren, könnte sich in der Folge die Zusammensetzung der Wälder nachhaltig ändern, wie aus Untersuchungen der eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) hervorgeht.

Die Baumblüte komme wegen des Temperaturanstiegs heute mehr als zwei Wochen früher als in den 70er Jahren, sagte WSL-Wissenschaftlerin Martine Rebetez der Deutschen Presse-Agentur. Sie zeigte bereits 2017 in der Fachzeitschrift «Agricultural and Forest Meteorology», dass in Wäldern bestimmter Regionen in Lagen über 800 Metern inzwischen ein erhöhtes Risiko von Frostschäden besteht. Das liege daran, dass früh im Jahr die Temperaturen zeitweise schon hoch genug sind, um die Bäume austreiben zu lassen. Die Frostgefahr an kalten Tagen bleibe aber. Rebetez fasst es so zusammen: «Das Risiko später Frosteinbrüche bleibt, wenn viele Bäume schon ausgetrieben haben und verwundbarer sind.» Bei Frost sei oft eine Nacht genug, um großen Schaden anzurichten.

Wie unterschiedlich Baumarten mit Spätfrösten zurechtkommen, zeigte Frederik Baumgarten, Gastwissenschaftler am WSL, in einem Experiment, das er gerade in der Fachzeitschrift «Functional Ecology» beschrieb. Er stellte zweijährige Setzlinge von Vogelkirsche, Stieleiche, Hainbuche und Rotbuche zeitweise in eine Wärmekammer, um sie zum Austreiben zu bringen. Als sich die Blätter entfalteten, ahmte er für einen Teil davon in einer Kühlkammer ein Frostereignis nach, was teils zum Absterben der Blätter führte. Dann pflanzte er alle Bäume nach draußen.

Die Bäume, die simuliertem Frost ausgesetzt waren, wuchsen alle weniger schnell als ihre verschonten Artgenossen. Während aber Vogelkirschen mit einem neuen Trieb und Eichen mit vielen Reserveknospen den Frost einigermaßen wegsteckten, überlebten 30 Prozent der Hainbuchen den Frost nicht. Auch die Rotbuchen waren stärker beeinträchtigt, wie Baumgarten berichtete.

Eine zusätzliche Komplikation: Es gibt Bäume, deren Lebenszyklus sich mehr nach der Tageslänge richtet, weniger nach der Wärme. «Beispielsweise ist für die Buche die Tageslänge wichtig, wenn es darum geht, wann sie austreibt», sagte Rebetez. Für die Buche könne es deshalb schwierig werden, wenn andere Baumarten im Wald wegen der Temperaturen schon früher austreiben, viele Nährstoffe und Wasser verbrauchen und sie buchstäblich in den Schatten stellen.

«Das heißt, die Zusammensetzung der Wälder in Mitteleuropa dürfte sich in den nächsten Jahrzehnten ändern», sagte Baumgarten der dpa. Die Buche werde es in tieferen Lagen schwerer haben, zumal sie auch nicht so gut mit Trockenheit - ebenfalls eine Folge des Klimawandels - umgehen könne wie die Eiche. Je nachdem, wie rasant Buchen womöglich durch Trockenheit und Fröste absterben, könnte es nötig sein, andere Arten frühzeitig zu pflanzen, damit die Wälder unter anderem als Erosionsschutz und Trinkwasseraufbereiter erhalten bleiben.

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