USA werben um die Sympathien von Afrikas Jugend

Die Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten Kamala Harris in Washington. Foto: epa/Oliver Contreras
Die Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten Kamala Harris in Washington. Foto: epa/Oliver Contreras

ACCRA: US-Vizepräsidentin Kamala Harris ist schon die fünfte hochrangige Besucherin aus Washington in Afrika in diesem Jahr. Treffen mit Unternehmerinnen und Kreativen sollen die modernen jungen Seiten des Kontinents unterstreichen. Das ist wichtig - und hat Kalkül.

Zwei Zahlen nennt die US-Vizepräsidentin in dieser Woche besonders gerne. Auf dem Rollfeld, als sie am Montag in Ghana landet, im Präsidentenpalast oder in einem Skatepark und Plattenstudio, ständig betont Kamala Harris: Die Hälfte der Menschen in Afrika ist jünger als 19 Jahre. Und 2050 wird Prognosen zufolge ein Viertel der Menschheit auf dem Kontinent leben - das wären geschätzt rund 2,5 Milliarden Menschen.

«Es ist euer Funken, eure Kreativität und eure Entschlossenheit, die die Zukunft steuern werden», sagt Harris am Dienstag vor 8000 Jugendlichen in Ghanas Hauptstadt Accra, bevor sie am Mittwoch nach Tansania und Sambia weiterreist. «Wir müssen in den afrikanischen Einfallsreichtum und die Kreativität investieren, die ein unglaubliches Wirtschaftswachstum und unglaubliche Chancen freisetzen werden, nicht nur für die Menschen in den 54 Ländern dieses vielfältigen Kontinents, sondern auch für das amerikanische Volk und die Menschen in aller Welt.» Applaus.

Die USA buhlen derzeit so stark um den Kontinent wie nie zuvor. Hochrangige Besucher geben sich die Klinke in die Hand, Harris ist die fünfte in gut drei Monaten - selbst mit US-Präsident Joe Biden wird in diesem Jahr noch gerechnet. Anders als erst vor zwei Wochen bei US-Außenminister Blinken soll es bei Harris einwöchiger Tour nicht primär um Sicherheitspolitik gehen, sondern um Start-ups, junge Kreative und Tech-Unternehmerinnen - die im Westen oft unsichtbaren modernen Seiten des Kontinents, der auf bald anderthalb Milliarden Einwohner zusteuert.

Zum Termin mit Künstlerinnen und Künstlern im Skatepark bringt Harris Hollywoodstar Idris Elba mit - erst vor Kurzem hat der Londoner angekündigt, mit dem Bau eines Studios in Ghana in die Filmbranche im Heimatland seiner Mutter zu investieren. Der Musikstreaming-Riese Spotify kündigt Unterstützung für die NGO Vibrate Space an, die jungen Musikunternehmern aus Ghana unter die Arme greift. Rund 50 Millionen Unternehmen kleinster bis mittlerer Größe gibt es laut den UN in Subsahara-Afrika - von Finanz-Technologie oder E-Commerce über Start-ups zur Klimawandelanpassung hin zu Getränkevertrieben. Und ihnen fehlen der UN zufolge jährlich rund 416 Milliarden US-Dollar Finanzierung.

Zwar leben noch immer rund vier von zehn Afrikanerinnen und Afrikanern unter der extremen Armutsgrenze von rund zwei US-Dollar am Tag - doch Durchschnittszahlen verbergen erhebliche Unterschiede auf dem Kontinent ebenso wie innerhalb der Staaten, in denen die Schere oft zwischen Land und Stadt verläuft. Die Mittelschicht, zu der die Afrikanische Entwicklungsbank in der letzten großen Erhebung 2011 gut ein Drittel der Menschen zählte, arbeitet, geht aus und konsumiert - und sorgt für die Aufstiegschancen ihrer Kinder.

Doch Stabilität ist damit noch nicht gesichert. Wetterextreme, Konflikte und wirtschaftliche Schocks können Wohlstand innerhalb kurzer Zeit zunichte machen. Mangelnde Perspektiven bieten Nährboden für Radikalisierung. Vor dem Hintergrund drohender Krisen müssten afrikanische Politiker strukturellen Wandel vorantreiben und mehr Arbeitsplätze schaffen, mahnt etwa die Weltbank.

Ghana, mit seinen gut 34 Millionen Einwohnern eine der stabilsten Demokratien des Kontinents, war vor der Pandemie noch eine von dessen am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften - und erlebt nun eine schwere Wirtschaftskrise mit mehr als 30 Prozent Inflation im vergangenen Jahr. Auch hier wächst die Sorge, dass sich die Gewalt von Terroristen wie Al-Kaida aus den angrenzenden Sahelländern nach Süden in die Küstenstaaten ausbreiten könnte.

«Historisch bringen junge Bevölkerungen ohne Chancen ein größeres Risiko von Unruhen und Konflikten mit sich», mahnte schon US-Finanzministerin Janet Yellen bei ihrem Afrika-Besuch im Januar. Yellen wählte Senegal, Sambia und Südafrika als Reiseziele und versprach Hunderte Millionen US-Dollar für Unternehmertum und digitalen Ausbau. Schon beim US-Afrika-Gipfel im Dezember kündigte US-Präsident Biden vor afrikanischen Staatschefs in Washington Geld für den Ausbau von Straßen, Internet und erneuerbaren Energien an.

Es ist ein später Versuch, Afrikas größtem Investor China den Rang abzulaufen. Die USA setzen dabei in bewährter Manier vor allem auf die Demokratien. An diesem Mittwoch beginnt der von den USA organisierte Demokratiegipfel, bei dem Politiker und Experten aus mehr als 100 Staaten über die Stärkung demokratischer Institutionen, Korruptionsbekämpfung und nachhaltige Entwicklung diskutieren.

Die USA hätten mit einem Fokus auf Demokratie und Wohlstand eine einmalige Chance auf dem Kontinent, schrieb der Kameruner Landry Signé, Politikprofessor und Forscher an namhaften US-Instituten, vor zwei Jahren zum Amtsantritt Bidens im Magazin «Foreign Policy». «Wenn die Biden-Regierung sich auf die Bereiche konzentriert, in denen die USA einen starken Wettbewerbsvorteil haben, und eine auf Werten basierende Außenpolitik betreibt, die die Vorliebe der Afrikaner für Rechenschaft und Demokratie berücksichtigt, haben die USA noch die Chance, China auf dem Kontinent zu übertrumpfen - aber sie müssen schnell handeln.»

China - genau darum soll es bei Harris' Reise nicht gehen, betont das Weiße Haus, aber es sei unvermeidbar, dass der Rivale zur Sprache komme. Harris antwortet nach ihrem Treffen mit Ghanas Präsidenten Nana Akufo-Addo auf eine Frage, ob es bei dem US-Besuchsreigen nicht doch um China gehe: «Der Präsident und ich haben genau über dieses Thema ein Gespräch geführt, aber in dem Gespräch ging es nicht so sehr um China wie um die nachhaltende und wichtige direkte Beziehung der Vereinigten Staaten mit Ghana und mit afrikanischen Nationen.»

Akufo-Addo fügt hinzu: «Es mag in den USA eine Besessenheit mit chinesischen Aktivitäten auf dem Kontinent geben, aber hier gibt es so eine Besessenheit nicht.» China sei ein Land, mit dem Ghana zusammenarbeite - ebenso wie mit den USA. «Praktisch alle Länder der Welt sind Freunde von Ghana und wir haben Beziehungen unterschiedlicher Intensität mit allen von ihnen.»

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