USA und Nordkorea wollen neues Kapitel aufschlagen

 US-Außenminister Mike Pompeo. Foto: epa/Jim Lo Scalzo
US-Außenminister Mike Pompeo. Foto: epa/Jim Lo Scalzo

SINGAPUR (dpa) - Nach langem Hin und Her treffen sich Trump und Kim nun zu ihrem Gipfel. Die letzten Stunden sind noch einmal die Zeit der Unterhändler. Am Dienstag kommt es dann auf den US-Präsidenten und Nordkoreas Machthaber selbst an.

Nach jahrzehntelangen Feindseligkeiten wollen die USA und Nordkorea einen Neuanfang wagen. Beim ersten Gipfel zwischen beiden Ländern überhaupt treffen Präsident Donald Trump und der kommunistische Machthaber Kim Jong Un an diesem Dienstag in Singapur aufeinander. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob Kim nach vielen gescheiterten Versuchen zur Aufgabe des nordkoreanischen Atomprogramms bewegt werden kann. Dabei steht Trump nach dem Eklat auf dem G7-Gipfel in Kanada unter zusätzlichem Erfolgsdruck.

Hinter den Kulissen liefen am Montag die letzten Vorbereitungen. Die beiden Hauptakteure hielten sich mit Stellungnahmen allerdings zurück. Der US-Präsident twitterte aus seinem Hotel nur: «Es ist großartig, in Singapur zu sein. Vorfreude liegt in der Luft.» Anschließend traf er den Regierungschef des Gastgeberlandes, Lee Hsien Loong. Kim ließ sich bis zum Abend (Ortszeit) überhaupt nicht blicken.

Fast den gesamten Tag über berieten allerdings Unterhändler beider Seiten. Aus Sicht von US-Außenminister Mike Pompeo liefen die Gespräche besser als gedacht. «Wir erwarten, dass sie zu einem logischen Ergebnis kommen, schneller als wir erwartet hatten.» Er kündigte an, Nordkorea auf dem Gipfel besondere Sicherheiten anzubieten. Atomare Abrüstung solle für das international weitgehend isolierte Land kein Sicherheitsrisiko sein, sondern das Gegenteil.

Der Gipfel, den Trump zwischenzeitlich abgesagt hatte, geht am Dienstag ab 09.00 Uhr Ortszeit (03.00 Uhr MESZ) auf der Insel Sentosa über die Bühne. Bis vor einigen Monaten hatten sich Trump und Kim gegenseitig noch heftig beschimpft und auch mit dem Einsatz der Atombombe gedroht. Für den Nordkoreaner, der seit 2011 an der Macht ist, bedeutet das Treffen auf jeden Fall eine Aufwertung - ganz unabhängig vom Ausgang.

Die Erfolgsaussichten werden sehr unterschiedlich beurteilt. Viele Experten haben keine allzu optimistischen Erwartungen. Beide Seiten haben offenbar ziemlich unterschiedliche Vorstellungen, was «Denuklearisierung» eigentlich bedeutet. Die USA - seit vielen Jahrzehnten selbst eine Atommacht - fordern von Nordkorea eine «völlige, überprüfbare und unumkehrbare» Abrüstung aller Atomwaffen. Pjöngjang sieht darin - wenn überhaupt - eher einen schrittweisen Prozess. Zudem will Nordkorea, dass die USA ihre militärische Präsenz in Südkorea abbauen.

Bei dem Treffen dürfte auch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen eine Rolle spielen. Bislang haben die USA und Nordkorea weder Botschafter noch Botschaften im jeweils anderen Land. Darüber hinaus geht es auch um die Vorbereitung eines Friedensvertrags zwischen Nord- und Südkorea. Nach dem Ende des Korea-Kriegs 1953 hatten beide Seiten lediglich einen Waffenstillstand unterschrieben. Völkerrechtlich befinden sie sich immer noch im Kriegszustand.

Der renommierte US-Politikprofesser und Nordkorea-Experte Bruce Cumings hält eine komplette atomare Abrüstung auf der koreanischen Halbinsel für kaum machbar. Aus seiner Sicht wäre es schon ein Erfolg, wenn es beim Gipfel zu einem Moratorium für Tests von Raketen und Atomwaffen käme - oder Nordkorea gar dem internationalen Teststoppvertrag beitreten würde. «Aber wir werden nie wissen, ob wir jede einzelne Atombombe erfassen können», sagte Cumings der Deutschen Presse-Agentur. Er halte den Begriff Denuklearisierung für falsch.

Die kommunistische Führung des 23-Millionen-Einwohner-Landes stimmte die Bevölkerung am Montag über die Staatsmedien auf das Treffen ein. Bei dem Gipfel gehe es darum, wie «neue Beziehungen» entwickelt, ein dauerhafter Friedensmechanismus für die koreanische Halbinsel geschaffen und die «Denuklearisierung» verwirklicht werden könnten. Zuvor waren die Nordkoreaner über das Treffen weitgehend im Dunkeln gelassen worden.

Südkoreas Präsident Moon Jae In äußerte zwar die Erwartung eines erfolgreichen Gipfels, erinnerte aber auch an die «tiefverwurzelte Feindschaft» mit Nordkorea. Diese und der Streit um das Atomprogramm könnten nicht auf einen Schlag vollständig überwunden werden. «Selbst nachdem beide einen Dialog in Gang gesetzt haben, benötigen wir wahrscheinlich einen langen Prozess, der ein, zwei Jahre oder sogar länger in Anspruch nehmen wird.»

Der Gipfel findet unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen im Luxushotel Capella auf Sentosa statt, einer vorgelagerten Insel. Gleich nach dem ersten Handschlag soll es ein Vier-Augen-Gespräch zwischen Trump und Kim geben. Dann wollen sich beide Seiten zurückziehen. Offen ist noch, wie lange das Treffen dauert und wie die Öffentlichkeit unterrichtet werden soll.

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