USA nach Austritt aus UN-Menschenrechtsrat

US-Außenminister Mike Pompeo wirft dem Gremium Verlogenheit und eine israelfeindliche Haltung vor. Foto: epa/Fred Dufour
US-Außenminister Mike Pompeo wirft dem Gremium Verlogenheit und eine israelfeindliche Haltung vor. Foto: epa/Fred Dufour

GENF/WASHINGTON (dpa) - Die USA ernten mit ihrem Austritt aus dem UN-Menschenrechtsrat weltweit Kritik. Die Europäer bedauern, im Ringen um Menschenrechte einen Verbündeten zu verlieren. Nur Israel ist zufrieden.

Die USA haben sich mit dem Austritt aus dem UN-Menschenrechtsrat weltweit ins Abseits gestellt. Regierungen, Diplomaten, Politiker und Menschenrechtler verurteilten den Schritt. «Der US-Austritt ist ein Sieg für autoritäre Regime», kommentierte der Schweizer Rundfunk. «Die Front der Verteidiger der Menschenrechte, im Kern europäische Länder und zugewandte Orte, wird nun entscheidend geschwächt.» Lediglich aus Israel kam Lob.

In dem Rat, den die amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley am Dienstag in Washington als «Sumpf der politischen Voreingenommenheit» bezeichnet hatte, bedauerten die EU, Australien und China den Schritt der Amerikaner. Sie bekräftigten ihren Willen, das einzige multilaterale Forum für Menschenrechte weiter zu stützen. Der Platz der USA müsse nun schnell neu besetzt werden, sagte der derzeitige Präsident des Rates, Vojislav ?uc.

«Ich bin zutiefst enttäuscht», teilte die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler, in Berlin mit. «In Zeiten, in denen Multilateralismus und Menschenrechte überall auf der Welt unter großem Druck stehen, haben wir an Erhalt und Stärkung des Menschenrechtsrats ein großes Interesse.» Der Rat sei ein wichtiger Baustein der internationalen Ordnung. Er habe etwa mit der Untersuchungskommission zu Syrien einen wichtigen Beitrag geleistet, schwere Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren und beim Aussöhnungsprozess in Sri Laka eine entscheidende Rolle gespielt.

Im Rat gab eine bulgarische Diplomatin für die EU zu Protokoll, was die Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini in Brüssel schon sagte: «Die USA waren immer ein Vorreiter beim Schutz von Menschenrechten auf der ganzen Welt und seit vielen Jahren ein starker Partner der EU im Menschrechtsrat. Die Entscheidung gefährdet die Rolle der USA als Verfechter der Demokratie in der Welt.» China betonte, der Rat sei ein wichtiges Forum, damit sich alle Länder im Dialog zu Menschenrechtsfragen austauschen können.

Haley und Außenminister Mike Pompeo warfen dem Gremium Verlogenheit und eine israelfeindliche Haltung vor. Der Rat sei ein «schlechter Verteidiger» der Menschenrechte, sagte Pompeo. Haley hatte vor einem Jahr mit dem Austritt gedroht, wenn der Rat seinen Fokus auf Israel nicht verringere. Sie wollte auch die nötige Stimmzahl reduzieren, um Mitglieder bei eklatanten Verstößen gegen Menschenrechte ausschließen zu können. Es müsse auch weniger Reden und Resolutionen geben. Alle Reformbemühungen seien gescheitert, sagte sie in Washington.

Der UN-Menschenrechtsrat wacht für die Vereinten Nationen über die Einhaltung der Menschenrechte weltweit. Er hat 47 Mitgliedsländer, die von der UN-Vollversammlung für je drei Jahre gewählt werden. Immer wieder sind aber Länder darin, die selbst wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik stehen, zur Zeit etwa China, Venezuela, die Philippinen und Saudi-Arabien. Diplomaten in Genf sagen aber, es sei wichtig, mit allen Ländern im Gespräch zu bleiben. Ein «Club von Gutmenschen» könne wenig ausrichten.

Zudem habe kein Land eine völlig saubere Weste. Erst am Montag hatte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein, bei der Eröffnung der Ratssitzung die USA scharf kritisiert. Es ging um die Praxis, neuerdings Migrantenkinder an der Grenze zu Mexiko von ihren Eltern zu trennen und teilweise in Drahtkäfigen festzuhalten.

«Enttäuschend, aber nicht wirklich überraschend» nannte Said die US-Entscheidung. «Angesichts der Lage der Menschenrechte in der heutigen Welt sollten die USA eher einen Schritt vorwärts statt zurück machen.» UN-Generalsekretär António Guterres «hätte es sehr vorgezogen, wenn die USA im Menschenrechtsrat geblieben wären», wie sein Sprecher in New York mitteilte.

Die beißende Kritik der USA am Menschenrechtsrat ist bemerkenswert, weil die US-Regierung unter Trump in vielen Fällen davon absieht, Verstöße gegen die Menschenrechte anzuprangern. Bei dem Gipfel zwischen Trump und dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un etwa standen die eklatanten Verstöße des isolierten Regimes nicht im Vordergrund.

Auch die US-Demokraten verurteilten den Schritt. Der Rat sei nicht perfekt, aber der Rückzug zeige, dass die Trump-Regierung beim Thema Menschenrechte keine Führungsrolle in der Welt übernehmen wolle, meinte Senator Chris Coons. Die Organisation Oxfam warf der Regierung vor, kurzsichtig zu handeln. Amnesty International erklärte, die Entscheidung zeige Trumps völlige Missachtung von Grundrechten.

Der Rückzug ist ein Beispiel für die zunehmenden Alleingänge Washingtons. Es ist nicht das erste Mal, dass die US-Regierung unter Trump einer internationalen Organisation oder Vereinbarung den Rücken kehrt. Im Oktober 2017 kündigte sie den Austritt der USA aus der Unesco an, ebenfalls wegen angeblicher «anti-israelischer Tendenzen». Anfang 2018 fror sie einen Großteil der diesjährigen Zahlungen für das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA vorübergehend ein und forderte, andere Länder müssten sich stärker beteiligen. Im August 2017 kündigte Trump den geplanten Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen an. Im Mai stieg Trump aus dem Atomabkommen mit dem Iran aus.

In Israel nannte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den Austritt «eine mutige Entscheidung gegen die Heuchelei und die Lügen des so genannten UN-Menschenrechtsrates.» Statt sich zwanghaft immer wieder mit Israel zu befassen, solle er sich um Regime kümmern, die die Menschenrechte systematisch verletzten.

Auch die einstige Sonderermittlerin zu Syrien, die Schweizerin Carla del Ponte, warf den Vereinten Nationen Versagen beim Schutz der Menschenrechte vor. Sie war vergangenen Herbst aus Protest zurückgetreten, weil nach ihrer Meinung nichts getan wird, um Kriegsverbrecher zur Rechenschaft zu ziehen. Politische Machtspiele verhinderten das. «Länder, die täglich Menschenrechte verletzen, müssen aus dem UN-Menschenrechtsrat herausgeworfen werden», sagte sie der «Bild»-Zeitung.

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