USA machen Iran für mutmaßliche Angriffe auf Öltanker verantwortlich

Foto: epa/Jim Lo Scalzo
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WASHINGTON (dpa) - Schwere Zwischenfälle mit Öltankern im Golf von Oman haben die Spannungen in der Region angeheizt. Für die USA ist schon kurz danach klar, wer für die mutmaßlichen Angriffe auf die Schiffe verantwortlich ist. Die UN warnen vor einer «großen Konfrontation».

Nach dem mutmaßlichen Angriff auf zwei Öltanker im Golf von Oman wächst weltweit die Sorge vor einer Eskalation im Konflikt zwischen den USA und dem Iran. US-Außenminister Mike Pompeo beschuldigte am Donnerstag Teheran, hinter den Attacken zu stecken. «Es ist die Einschätzung der US-Regierung, dass die Islamische Republik Iran verantwortlich für die Angriffe ist, zu denen es heute im Golf von Oman kam», sagte Pompeo in Washington. Es handele sich um eine «nicht hinnehmbare Eskalation der Spannung durch den Iran».

Der Iran wies die «haltlose Behauptung» der USA kategorisch zurück. In einer Mitteilung der Vertretung Irans bei den Vereinten Nationen hieß es: «Der ökonomische Krieg und Terrorismus der USA gegen das iranische Volk sowie ihre massive Militärpräsenz in der Region sind weiterhin die Hauptursachen für Unsicherheit und Instabilität in der weiteren Persischen Golfregion.»

Der Iran forderte: «Die USA und ihre regionalen Verbündeten müssen die Kriegshetze stoppen und die schädlichen Verschwörungen sowie die Operationen unter falscher Flagge in der Region beenden.» Damit schien der Iran andeuten zu wollen, dass die USA und ihre Alliierten selber für die Angriffe verantwortlich sein könnten. Mit «Operationen unter falscher Flagge» (false flag operations) sind Angriffe gemeint, die einem Gegner in die Schuhe geschoben werden sollen, um damit etwa einen Anlass für einen militärischen Konflikt zu schaffen.

Pompeo sagte, die US-Einschätzung basiere unter anderem auf Geheimdienstinformationen, auf den eingesetzten Waffen und auf ähnlichen Angriffen in jüngster Vergangenheit. Betroffen waren am Donnerstag ein von einem deutschen Unternehmen gemanagter Frachter, der einer japanischen Firma gehört, sowie ein Schiff einer norwegischen Reederei. Beide Tanker wurden beschädigt, die Besatzungen wurden in Sicherheit gebracht.

Die betroffene Meerenge, die Straße von Hormus, ist eine der wichtigsten Seestraßen überhaupt, sie verbindet die ölreiche Golfregion mit dem offenen Meer. Über sie läuft ein großer Teil des weltweiten Öltransports per Schiff. Die Rohölpreise stiegen deutlich.

Pompeo sagte, dem Iran gehe es darum, die Aufhebung der US-Sanktionen zu erzwingen. Seine Regierung setzte aber weiter auf wirtschaftliche und diplomatische Bemühungen, «um den Iran zur richtigen Zeit zurück an den Verhandlungstisch zu bringen». Die Vereinigten Staaten würden aber zugleich ihre Truppen und ihre Interessen schützen und ihren Verbündeten zur Seite stehen.

Nach einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats bekräftigte der stellvertretende amerikanische UN-Botschafter Jonathan Cohen die Haltung der USA, dass Teheran verantwortlich sei. «Keine Gruppe in der Region verfügt über die Ressourcen oder die Fähigkeiten, um mit dieser Genauigkeit zu agieren. Der Iran jedoch hat die Waffen, die Expertise und das Wissen der Geheimdienste, um das zu machen.»

Der kuwaitische UN-Botschafter Mansur al-Otaibi sagte nach dem Treffen des Gremiums, Beweise für die Anschuldigungen der USA seien nicht diskutiert worden. Auch habe der Sicherheitsrat zunächst keine Maßnahmen angesichts der steigenden Spannungen beschlossen. Es müsse seiner Meinung nach eine unabhängige und gründliche Untersuchung geben. Kuwait steht dem Sicherheitsrat momentan vor.

UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnte vor einer Eskalation. «Ich nehme den Vorfall in der Straße von Hormus mit tiefer Besorgnis zur Kenntnis. Ich verurteile jeden Angriff auf zivile Schiffe scharf», sagte Guterres. «Und wenn es etwas gibt, was die Welt sich nicht leisten kann, ist es eine große Konfrontation in der Golf-Region.» Es müsse festgestellt werden, wer für die Vorfälle verantwortlich sei.

Die norwegische Seefahrtsbehörde bestätigte einen Angriff auf den Öltanker «Front Altair», das norwegische Unternehmen Frontline meldete eine Explosion und einen Brand an Bord. Die deutsche Bernhard Schulte Shipmanagement (BSM) teilte mit, auch der mit Methanol beladene Tanker «Kokuka Courageous» sei beschädigt und ein Besatzungsmitglied leicht verletzt worden.

Erst vor vier Wochen hatten die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) Sabotageakte gegen vier Handelsschiffe in derselben Region gemeldet. Nach saudischen Angaben wurden damals zwei Tanker des Landes schwer beschädigt. Die genauen Umstände blieben jedoch unklar. US-Sicherheitsberater John Bolton sprach später von Angriffen mit Seeminen, für die «fast sicher» der Iran verantwortlich sei. Beweise für seine Anschuldigung legte er nicht vor. Die Regierung in Teheran wies den Vorwurf zurück und sprach von «lächerlichen Behauptungen».

Die Spannungen zwischen den USA und dem Iran nehmen seit Monaten zu. Das US-Militär verlegte zuletzt unter anderem einen Flugzeugträgerverband und eine Bomberstaffel in die Region, was Sorgen vor einem militärischen Konflikt aufkommen ließ. Während des Vorfalls im Golf von Oman am Donnerstag hielt sich der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe in Teheran auf, um in dem eskalierenden Konflikt zwischen den USA und dem Iran zu vermitteln.

Sowohl US-Präsident Donald Trump als auch der oberste Führer der Islamischen Republik, Ajatollah Ali Chamenei, erteilten Verhandlungen aber eine Absage. Trump schrieb auf Twitter, er wisse Abes Bemühungen zu schätzen. Er denke aber, «dass es zu früh ist, auch nur darüber nachzudenken, einen Deal zu machen». Mit Blick auf die Iraner fügte Trump hinzu: «Sie sind nicht bereit, und wir sind es auch nicht.»

Chamenei schloss Verhandlungen mit den USA im Atomstreit kategorisch aus. «Der Iran vertraut den USA nicht», sagte er bei einem Treffen mit Abe in Teheran. «Wir haben mit den Amerikanern bereits die bittere Erfahrung beim Atomabkommen gemacht und wollen diese Erfahrung nicht wiederholen.» Trump hatte das Atomabkommen mit dem Iran im vergangenen Jahr einseitig aufgekündigt. Danach traten wieder harte US-Wirtschaftssanktionen gegen den Iran in Kraft.

Bereits seit Wochen wachsen in der Region die Spannungen zwischen dem sunnitischen Saudi-Arabien und seinen Verbündeten einerseits sowie dem schiitischen Iran andererseits. Das mit der Trump-Regierung eng verbündete Königshaus in Riad wirft der Führung in Teheran vor, sich in die inneren Angelegenheiten arabischer Staaten einzumischen und die Region zu destabilisieren.

Saudi-Arabien verurteilte nun auch die mutmaßlichen Angriffe auf die Tanker als «Terroroperationen», wie es Energieminister Chalid al-Falih laut der staatlichen Nachrichtenagentur SPA formulierte. Das Land werde Maßnahmen ergreifen, um seine Häfen zu schützen.

Bundesaußenminister Heiko Maas nannte die mutmaßlichen Attacken außerordentlich beunruhigend. Angriffe auf Handelsschiffe stellten nicht nur eine Bedrohung für offene Handelswege dar. «In der aktuellen Situation sind sie auch eine Bedrohung für den Frieden.» Die EU warnte vor übereilten Reaktionen. «Die Region braucht keine weiteren Elemente der Destabilisierung und keine weiteren Spannungen», sagte die Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini in Brüssel.

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