US-Justizminister widerspricht Trump: Keine Beweise für Wahlbetrug

US-Präsident Donald J. Trump im State Dining Room, im Weißen Haus, Washington, DC. Foto: epa/Doug Mills
US-Präsident Donald J. Trump im State Dining Room, im Weißen Haus, Washington, DC. Foto: epa/Doug Mills

WASHINGTON: US-Präsident Trump behauptet auch Wochen nach der Wahl, ihm sei der Sieg durch Betrug «gestohlen» worden. Nun widerspricht ihm sein sonst äußerst loyaler Justizminister. Und der Druck auf das Weiße Haus steigt gleich aus mehreren Richtungen.

US-Justizminister William Barr hat sich offen gegen Versuche von Donald Trump gestellt, mit Betrugsvorwürfen das Ergebnis der Präsidentenwahl zu kippen. «Bis heute haben wir keinen Betrug in einem Ausmaß gesehen, der zu einem anderen Wahlergebnis hätte führen können», sagte Barr der Nachrichtenagentur AP. Barr hatte sich stets hochgradig loyal zu Trump gezeigt. Der noch amtierende Präsident forderte ihn wiederholt auf, angeblichen Wahlbetrug zu Gunsten des siegreichen Herausforderers Joe Biden zu untersuchen.

Während Trump sich weiterhin weigert, seine Niederlage einzuräumen, steigt der Druck auf das Weiße Haus gleich an mehreren Fronten. So wurde in der Nacht zum Mittwoch bekannt, dass das Justizministerium einem Bestechungsverdacht im Zusammenhang mit einer Begnadigung durch den Präsidenten nachgeht. Namen und wichtige Einzelheiten waren in den veröffentlichen Gerichtsunterlagen dazu allerdings geschwärzt.

Gleichzeitig versuchen Wissenschaftler mit einer Klage, die mögliche Vernichtung von E-Mails, WhatsApp-Nachrichten und anderem Schriftverkehr in den letzten Wochen von Trumps Amtszeit im Weißen Haus zu verhindern. Biden soll am 20. Januar als Präsident vereidigt werden, bis dahin ist Trump im Weißen Haus.

Die «New York Times» berichtete am Dienstag (Ortszeit), Trump habe mit Beratern über «vorsorgliche Begnadigungen» seiner drei ältesten Kinder Donald Trump Jr., Eric und Ivanka Trump sowie seines Schwiegersohns und Beraters Jared Kushner gesprochen. Trump habe die Sorge geäußert, dass das Justizministerium unter Biden «Vergeltung» üben könnte. Biden hatte erst kürzlich gesagt, er werde anders als Trump nicht das Justizministerium dazu nutzen, um Untersuchungen gegen seinen politischen Gegner anzustrengen. US-Medien berichteten auch, dass Trump mit seinem persönlichen Anwalt Rudy Giuliani über dessen Begnadigung gesprochen habe.

Trump bezeichnete die Bestechungsermittlungen bei Twitter als «Fake News» und eskalierte seine Attacken auf Online-Plattformen. Er drohte, den Verteidigungshaushalt zu blockieren, wenn nicht die als «Section 230» bekannte Regelung abgeschafft wird, die Diensten wie Twitter und Facebook das Vorgehen gegen einzelne Beiträge erlaubt. Trump ist unter anderem verärgert, dass seine ungedeckten Behauptungen über Wahlbetrug mit Warnhinweisen versehen werden.

Trumps Anwälte kritisierten Barrs Ablehnung der Wahlbetrugs-Theorien. Es habe «nicht den Anflug» einer Untersuchung durch das Justizministerium gegeben, erklärten Rudy Giuliani und Jenna Ellis. «Wir haben umfangreiche Beweise für illegale Stimmenabgaben in mindestens sechs Bundesstaaten gesammelt.» Trumps Anwälte waren in den vergangenen Wochen in mehr als 30 Fällen vor Gericht gescheitert. Die Richter machten dabei zum Teil sehr deutlich, dass sie keine Beweise für die Behauptungen zu sehen bekommen hätten.

Barr sagte AP, Staatsanwälte und Ermittler der Bundespolizei FBI seien Beschwerden im Zusammenhang mit der Wahl nachgegangen. Biden scherzte in einem Interview der «New York Times», Barr habe ihn um die Aufnahme ins Zeugenschutzprogramm gebeten, nachdem er Trumps Behauptungen abgewiesen habe.

Biden war - wie in den USA üblich - von wichtigen Medien zum Sieger der Wahl am 3. November ausgerufen worden. Einem Bericht des Nachrichtenportals «Politico» zufolge soll Trump am Dienstag vor Mitgliedern der Republikanischen Partei bei einer Weihnachtsfeier im Weißen Haus angedeutet haben, dass er 2024 erneut für die Präsidentschaft kandidieren wolle. Dem Bericht zufolge sagte er: «Es waren unglaubliche vier Jahre. Wir versuchen, weitere vier Jahre zu schaffen. Wenn nicht, sehen wir uns in vier Jahren wieder.» Spekulationen über eine mögliche Kandidatur 2024 wollte Trump bislang nicht öffentlich kommentieren.

Trump hatte am Dienstag einen neuen Anlauf im wichtigen Bundesstaat Wisconsin unternommen, das dortige Ergebnis mit einer Klage anzufechten. Zudem versuchte er, Druck auf die republikanischen Gouverneure in Georgia und Arizona auszuüben, die mittlerweile die dortigen Wahlergebnisse und den Sieg Bidens bestätigt haben.

Angesichts der anhaltenden Anzweiflung des Wahlergebnisses und Gewaltandrohungen gegen mit der Wahl befasste Personen richtete ein leitender Mitarbeiter der Wahlbehörde in Georgia einen eindringlichen Appell an Trump. «Zeigen Sie Größe, hören Sie auf. Schreiten Sie ein, sagen Sie Ihren Unterstützern: Seid nicht gewalttätig. Hört auf zu drohen. All das ist falsch, es ist nicht amerikanisch», sagte Gabriel Sterling am Dienstag in Atlanta. «Jemand wird verletzt werden. Jemand wird angeschossen werden. Jemand wird getötet werden», warnte er.

Die Ergebnisse in einzelnen Bundesstaaten sind der Schlüssel zum Sieg bei einer Präsidentenwahl in den USA. Der Präsident wird nicht vom Volk direkt gewählt, sondern von Wahlleuten, die ihre Stimmen gemäß den Ergebnissen in ihrem Bundesstaat abgeben. Der Demokrat Biden hat sich bei der Wahl nach Berechnungen von US-Medien 306 Wahlleute gesichert, für die Wahl zum Präsidenten sind 270 nötig. Trump kommt demnach auf 232 Wahlleute.

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