US-Arbeitsmarkt erholt sich trotz anhaltender Corona-Infektionen

Ein Mann geht an einem geschlossenen Geschäft vorbei. Foto: epa/Justin Lane
Ein Mann geht an einem geschlossenen Geschäft vorbei. Foto: epa/Justin Lane

WASHINGTON: Der Arbeitsmarkt in den USA hat sich bis Mitte Juni deutlich von der Corona-Krise erholt. Präsident Trump jubelt bereits. Doch Experten zeigen nur verhaltenen Optimismus. Der Grund ist, dass sich die Corona-Pandemie inzwischen wieder dramatisch zuspitzt.

Fast fünf Millionen Amerikaner haben im Juni wieder Arbeit gefunden, doch wegen der Zuspitzung der Corona-Pandemie im Süden des Landes droht neues Unheil. Die Statistiken aus der größten Volkswirtschaft der Welt hätten am Donnerstag kaum widersprüchlicher sein können: Die Arbeitslosenquote fiel stärker als erwartet von 13,3 Prozent im Mai auf 11,1 Prozent im Juni, während die Zahlen zur Coronavirus-Pandemie neue Negativrekorde erreichten. US-Behörden meldeten für Mittwoch 50.000 Neuinfektionen - mehr als je zuvor. Und eine Besserung der Lage schien kurzfristig nicht in Sicht.

Für den Widerspruch zwischen Arbeitsmarktdaten und Infektionen gibt es eine Erklärung: Die Arbeitslosenquote für Juni beruhte auf Daten, die nur die Situation bis zur Mitte des Monats abbildeten. Mögliche Auswirkungen der jüngsten dramatischen Zuspitzung der Pandemie spiegelten sich darin deshalb noch nicht wider. «Wir erwarten, dass die Erholung ab jetzt viel holpriger sein wird mit deutlich langsamerem Zugewinn an neuen Jobs», sagte daher Analyst Michael Pearce von der Beratung Capital Economics.

In den besonders betroffenen Bundesstaaten im Süden des Landes wie Florida, Texas, Arizona und Kalifornien wurden Lockerungen der Corona-Auflagen zuletzt wieder rückgängig gemacht oder verschoben. Bars, Fitnesszentren und Kinos mussten teils wieder schließen. Auch Unternehmen wie Apple schlossen vielerorts ihre Läden erneut. McDonald's verschob Medienberichten zufolge Pläne zur weiteren Öffnung seiner rund 14.000 Schnellrestaurants in den USA.

Ein Zeichen der anhaltenden Schwierigkeiten waren auch die Neuanträge auf Arbeitslosenhilfe. In einer separaten Mitteilung vom Donnerstag hieß es, in der Woche bis einschließlich 27. Juni hätten rund 1,4 Millionen erstmals Unterstützung beantragt, etwa so viele wie auch in der Vorwoche. Damit erhielten immer noch rund 20 Millionen Menschen reguläres Arbeitslosengeld. «Unsere Arbeit ist nicht abgeschlossen», sagte Finanzminister Steven Mnuchin im Weißen Haus: «Unser Arbeit ist nicht erledigt, bis jeder einzelne Amerikaner, der seinen Job wegen Covid verloren hat, wieder Arbeit hat.» Die Konjunkturprogramme in Höhe von fast drei Billionen US-Dollar hätten geholfen, Wirtschaft und Arbeitsmarkt zu stabilisieren, sagte er.

Die Zahl der Beschäftigten außerhalb der Landwirtschaft stieg im Juni um 4,8 Millionen an - fast die Hälfte dieser neuen Jobs gingen auf das Gastgewerbe zurück, wie die Regierung mitteilte. Analysten hatten mit einem etwas geringeren Rückgang der Arbeitslosigkeit gerechnet. Im April hatte die Arbeitslosenquote noch bei 14,7 Prozent gelegen.

US-Präsident Donald Trump erklärte im Weißen Haus, die rasche Verbesserung der Lage am Arbeitsmarkt habe «alle Erwartungen übertroffen». Die Wirtschaft erhole sich «schneller und besser» von der Corona-Krise als angenommen, sagte er. Trump prognostizierte, dass das Wachstum im dritten Quartal «fantastisch» ausfallen werde. Er fügte sichtlich erfreut hinzu, dass diese Zahlen unmittelbar vor der Präsidentenwahl im November bekanntgegeben würden. Trump bewirbt sich um eine zweite Amtszeit - Zeichen einer wirtschaftliche Erholung kämen ihm daher höchst gelegen.

Die Bedeutung der Zuspitzung der Coronavirus-Pandemie spielte Trump herunter. Es gebe vereinzelte Brandherde, diese würden aber schnell bekämpft, sagte Trump. «Wir löschen die Feuer», sagte er. Die Demokraten werfen dem Republikaner wegen seiner Zurückhaltung in der Corona-Krise vor, den Kampf gegen das Virus aufgegeben zu haben. Die USA hatten die Pandemie nie annähernd unter Kontrolle gebracht: Die Zahl der täglichen Neuinfektionen fiel nie wirklich unter 20.000.

Der designierte Präsidentschaftskandidat der Demokraten, Joe Biden, machte Trumps verfehlte Corona-Politik für die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit verantwortlich. «Millionen Amerikaner hätten ihre Jobs noch, wenn Donald Trump seinen Job gemacht hätte», sagte Biden. Inzwischen habe Trump offenbar «völlig aufgegeben», kritisierte er.

Die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie, die zeitweise landesweit zu Schließungen von Geschäften, Restaurants und Firmen geführt hatten, haben die US-Wirtschaft schwer getroffen. Mehr als 45 Millionen Menschen verloren seit Mitte März mindestens zeitweise ihren Job - so viele wie nie zuvor in solch kurzer Zeit. Viele Analysten rechnen damit, dass die Arbeitslosenquote auch Ende 2020 noch bei knapp zehn Prozent liegen dürfte. Sie hatte im Februar noch bei 3,5 Prozent gelegen, dem niedrigsten Stand seit Jahrzehnten.

Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) bezeichnete den Ausblick für die weitere wirtschaftliche Entwicklung zuletzt als sehr ungewiss. «Der Weg nach vorne ist außergewöhnlich unsicher und wird zu einem großen Teil von unserem Erfolg bei der Eindämmung des Virus abhängen», sagte Zentralbankchef Jerome Powell am Dienstag im Kongress. «Eine komplette Erholung ist unwahrscheinlich, solange die Menschen nicht das Vertrauen haben, wieder einer breitgefächerten Reihe von Aktivitäten nachzugehen», sagte Powell.

Seit Beginn der Pandemie wurden in den USA Daten der Universität Johns Hopkins zufolge rund 2,7 Millionen bestätigte Infektionen gemeldet. Rund 128.000 Menschen starben nach einer Ansteckung mit dem Erreger Sars-CoV-2, der die Lungenkrankheit Covid-19 auslösen kann.

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