LIVERPOOL: Die Krankenschwester wurde wegen Mords an sieben Babys zu lebenslanger Haft verurteilt. Nun soll geklärt werden, wie es zu den Taten kommen konnte. Doch es gibt auch Zweifel an ihrer Schuld.
Im Fall der wegen Mords an mehreren Säuglingen verurteilten britischen Krankenschwester Lucy Letby beginnt heute eine öffentliche Untersuchung in Liverpool. In deren Fokus soll stehen, wie es zu den Morden kommen konnte.
Beleuchtet werden soll unter anderem, wie mit Warnungen von Kollegen Letbys umgegangen wurde, die Verdacht gegen die 34-Jährige geäußert hatten. Erwartet wird, dass die Anhörungen mindestens bis Ende des Jahres dauern werden.
Keine Aussicht auf Entlassung
Letby ist wegen des Mords an sieben Babys und des versuchten Mords an sieben weiteren auf einer Neugeborenenstation zu fünfzehnfach lebenslanger Haft verurteilt worden. Sie ist laut der britischen Nachrichtenagentur PA erst die vierte Frau in der britischen Geschichte, die ohne Aussicht auf eine Entlassung im Gefängnis sitzt.
Letby hatte die Morde nach Ansicht der Geschworenen in den Jahren 2015 und 2016 am Countess of Chester Hospital nahe Liverpool begangen. Sie soll den Babys in einigen Fällen Insulin, in anderen Fällen Luft in die Blutbahn gespritzt haben. Sie stritt ihre Schuld bis zuletzt ab und beantragte, in Berufung gehen zu dürfen. Dies wurde jedoch abgelehnt.
Statistiker und medizinische Experten haben Zweifel
Nach Ende der Gerichtsprozesse hatten sich Statistiker und medizinische Experten kritisch zu dem Verfahren gegen Letby geäußert. Die Verurteilung, die weitgehend darauf basierte, dass es häufig zu Todesfällen kam, wenn die Krankenschwester im Dienst war, sei wackelig, kritisierten etwa die Statistiker. Beleuchtet worden seien dabei nämlich nur die Todesfälle, die sich ereigneten, als Letby im Dienst war, nicht aber weitere, als sie frei hatte.
Die Royal Statistical Society veröffentlichte auf ihrer Webseite eine Handreichung für Juristen, in der sie vor Beweisführung gegen medizinisches Personal aufgrund von Wahrscheinlichkeiten warnte.
Anwältin kritisiert Spekulationen über falsche Verurteilung
Aus medizinischer Sicht wurden ebenfalls Bedenken an der Beweisführung erhoben. Tests und medizinische Gutachten, die Letby belasteten, wurden in Zweifel gezogen. Auf frischer Tat ertappt wurde Letby nie.
Obwohl die Zweifel an der Verurteilung nicht offiziell Thema der Untersuchung sind, dürften sie indirekt eine Rolle spielen. Auf die strafrechtliche Verurteilung hat die Untersuchung aber keinen Einfluss. Eine Anwältin, die Familien der gestorbenen Babys vertritt, kritisierte die Spekulationen über eine möglicherweise falsche Verurteilung Letbys. «Ich kann nicht genug betonen, wie viel Stress das für die ganzen Familien verursacht, die ich vertrete», sagte Tamlin Bolton der BBC.