Uns Ist Ein Kind geboren

​Callolo und seine Herzallerliebste - Eine humorvolle Geschichte 

Uns Ist Ein Kind geboren

Es war der 23. Dezember. Wir hatten Walters Ge-burtstag gefeiert und saßen danach alle in Bens Bar. Ein kleiner Junge, vielleicht acht, aber höchstens zehn Jahre alt, hielt mir seinen Bauchladen hin: "You buy chewing-gum, Sir?" Er schaute mich so mitleiderregend an, dass ich ihm zwanzig Baht gab. Meine Herzallerliebste schüttelte den Kopf: "Solange du den Kindern Geld gibst, Callolo, wird der Kinderhandel nicht aussterben. Das sind keine Thais, sondern Kinder aus Kambodscha, die hier ausgebeutet werden. Siehst du die Frau dahinten?"

Nai zeigte auf eine alte Frau, die sich schnell abwandte, als sie merkte, dass wir sie ins Visier genommen hatten. "Das ist die Chefin und Aufpasserin. Die kassiert."

Der alte Mann im Rollstuhl, dem ich eine Rose für meine Herzallerliebste abkaufte, hatte zwar eine gewaltige Alkoholfahne, aber das ließ Nai noch durchgehen, denn immerhin war diese Rose ja für sie. Aus den Lautsprechern dudelte: "Stille Nacht, heilige Nacht"

Auf dem Heimweg kamen wir am Marriott-Hotel vorbei. Auf dem Fußweg davor saß eine Frau mit einem schlafenden Baby im Schoß und hielt uns ihre offenen Hände entgegen.

Ich gab ihr unauffällig einen Einhundert-Baht-Schein. Meiner Herzallerliebsten war das aber nicht entgangen. "Was machst du da, Callolo? Die hat das Baby gemietet und mit Tabletten ruhig gestellt. Du unterstützt etwas völlig Falsches."

Keine hundert Meter weiter saß ein altersloser Mann mit einem Riesenkopf, aber ohne Gliedmaßen auf einem Brett mit vier Rädern. Er sah mich aus großen Augen bittend an. Ich schaute fragend zu meiner Herzallerliebsten, bevor ich einen Geldschein in seine Betteldose legte. Wenige Augenblicke später machte ein kleines Mädchen sich an mich ran. Mit einer Hand umfasste es mein Bein, mit der anderen hielt es mir ein paar Bonbons hin: "Please, Sir, help me." Der traurige Blick dieses Kindes rührte mich. Ich suchte nach einem Geldschein. Nai quittierte das mit Stirnrunzeln und zog mich fort: "Jetzt nehmen wir ein Taxi und fahren heim, Callolo."

Am Eingang unserer Wohnanlage stiegen wir aus.

"Schau mal, Schatz, was ist das denn?"

Gleichzeitig beugten wir uns über einen Obstkorb, in dem ein in eine Decke gewickeltes schlafendes Baby lag. "Komm", sagte meine Herzallerliebste und versuchte mich fortzuziehen.

"Aber wir können dieses armselige Wesen doch nicht"

"Callolo, du ahnst nicht, was auf uns zukommt, wenn wir dieses Baby mitnehmen."

Ich nahm das kleine Bündel aus dem Korb. In diesem Augenblick öffnete es die Augen, und mir schien, als lächelte es mich an, während es auf meinem Unterarm feucht und warm wurde.

"Schatz", sagte ich, "du lässt keinen Hund und keine Katze im Regen stehen. Wir werden diesen armen Säugling doch nicht einfach hier zu Grunde gehen lassen."

"Okay", erwiderte sie, "aber von jetzt ab haben wir ein Problem."

Natürlich, sie hatte recht, wie immer. Es begann damit, dass dieses Baby die ganze Nacht über schrie. Ich fuhr los und besorgte eine Babyflasche, Milch und Windeln.

"Es trinkt nicht", sagte meine Herzallerliebste und sah mich verzweifelt an. Dann versuchte ich es, indem ich selbst am Nuckel saugte. Das Baby sah mit offenen Augen zu, dann folgte es meinem Beispiel und trank die ganze Flasche leer. Ich legte es danach über meine Schultern, bis es sein Bäuerchen gemacht hatte, windelte es und bettete es, eingewickelt in ein großes Badetuch, in den Korb, den unser Hund schon lange nicht mehr benutzte, weil er lieber draußen schlief.

Der nächste Tag ging damit drauf, den Säugling wieder los zu werden. Im Waisenhaus unterstellte man meiner Herzallerliebsten, dass es ihr eigenes Baby war, das sie auf diese Weise entsorgen wollte. Sie erklärte sich damit einverstanden, sich im Hospital untersuchen zu lassen, während ich bei uns zu Hause von der Polizei ein Protokoll aufnehmen ließ. Langsam dämmerte mir, was Nai gemeint hatte, als sie sagte, jetzt hätten wir ein Problem.

Erst am Abend kam sie heim, und ich sah ihr die Strapazen des Tages an.

"Es tut mir leid", sagte ich.

"Schon gut", erwiderte sie, "du hast jetzt für dein nächstes Leben genug Thambuun gesammelt."

"Uns ist ein Kind geboren, wohl zu der heilgen Nacht", schallte es aus dem Wohnzimmer, als ich die Tür öffnete, wo der geschmückte Baum mit den brennenden Kerzen stand.

"Frohe Weihnachten, mein Schatz."

"Oh, Callolo!" Sie fiel mir um den Hals und stürzte sich dann auf die Pakete unter dem Baum.

"Die sind alle für mich?"

"Nein, das große ist für das Baby, um das wir uns in Zukunft kümmern werden. Einverstanden?"

Sie nickte und strahlte mich an: "Callolo, jetzt haben wir doch noch ein Kind bekommen."

Ich wechselte die CD, und dann nahmen wir unser Abendessen ein. Aus dem Lautsprecher tönte es: "Ihr Kinderlein, kommet"

Wir haben dann so getan, als ob dies eine persönliche Aufforderung an uns war und haben thai-deutsche stille, heilige Nacht gefeiert, sehr privat und sehr liebevoll.

Süßer die Glocken nie klingelten.

Callolo und seine Herzallerliebste und Angekommen in der Wirklichkeit

Callolo und seine Herzallerliebste

In 130 heiteren Kurzgeschichten hat Autor Carolus in zwei Büchern sich mit unterschiedlichen Erfahrungen, die sich aus dem Zusammenleben zwischen Thais und Farangs ergeben, verfasst. Die humorvollen Geschichten behandeln das Eheleben zwischen Nai und Callolo. Im Leben der beiden wird viel Toleranz abverlangt. Dass es trotzdem immer wieder ein Happy End geben kann, beweist der Autor, im ersten Buch, in vielen unerwarteten Entwicklungen. Im zweiten Werk hat der Autor seine „rosarote Brille“ abgenommen und erzählt auf ehrliche und gewohnt charmante Weise über Probleme und Schwierigkeiten, die in seiner nicht mehr ganz taufrischen Beziehung zu Nai entstehen.

Die beiden Taschenbücher können Sie im FARANG-Onlineshop bestellen.

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Rolf W. Schwake 21.03.21 21:22
Überlebenswille und Cleverness?
Wenn ich an die vielen verschiedenen Regionen denke, die ich bereits in allen Himmelsrichtungen in Thailand bis Frühjahr 2020 gesehen habe (Corona bedingt seitdem nicht mehr), erinnere ich mich vor allem an die relative Armut, die mir begegnete. Wenn ich nur daran denke, daß in 2020 der Tourismus dort derart zusammen gebrochen ist, daß ehemals über 20 % der offiziellen Jahreseinnahmen verschwanden und einherging mit einer schlimmen wirtschaftlichen Katastrophe, dann kann ich mir sehr wohl vorstellen, daß Überlebenswille und Cleverness gefragt sind. Und ich spreche nocht nocht einmal von den Geldmengen, die illegal durch diesen Tourismus generiert wurden z.B. durch Töchter und Söhne, die zum Unterhalt der Familien in den Tourismusregionen beitragen mußten, um das Überleben Vieler zu gewährleisten. Berufsbedingt versuche ich immer, mich gedanklich in andere Personen hinein zu versetzen, bevor ich mir ein Urteil bilde. Also: Was würden wir reichen Europäer pp wohl machen, wenn es uns so dreckig ginge, wie dem Großteil der Bevölkerung Südostasiens? Wir sollten unserem Schöpfer zumindest dankbar sein, daß sich unser Leben auf einem anderen Niveau abspielt und helfen, so gut es geht - ein jeder nach seiner Möglichkeit.
Thomas Sylten 21.03.21 13:52
Unterschiede
Es ist schon auffällig dass in DACH die (legale) Prostitution in Händen der Mafia ist, im Gegensatz zu TH (obwohl hier offiziell illegal, also eigentlich doch viel eher "schutzbedürftig") -
während in TH dafür das Bettlerwesen mafiöse Strukturen mit Ausbeutung ohne Ende hat.