Union und SPD hinter Grundrentenkompromiss

Kritik vor allem in CDU

Foto: Michael Kappeler/Dpa
Foto: Michael Kappeler/Dpa

BERLIN (dpa) - Die Führungen von SPD und CSU segnen den Grundrentenkompromiss einmütig ab. In der CDU gibt es drei Gegenstimmen - aus der Parteijugend und der Wirtschaft. Wie reagiert die Unionsfraktion?

Die Parteiführungen von CDU, CSU und SPD haben das Konzept der Koalitionsspitzen für eine Grundrente mit breiter Mehrheit abgesegnet. Die Einigung wurde allgemein als Signal für eine Fortsetzung von Schwarz-Rot bis zum Ende der Legislaturperiode 2021 gewertet. Die Wahrscheinlichkeit dafür sei «ziemlich gewachsen», sagte Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) am Montagabend in Passau.

Der Koalitionsausschuss hatte sich am Sonntag auf die Einführung einer Grundrente verständigt, die höher als die Grundsicherung liegt. Den Zuschlag sollen Rentner erhalten, die auf 35 Beitragsjahre kommen und deren Beitragsleistung unter 80 Prozent, aber über 30 Prozent des Durchschnittseinkommens liegt. Geplant ist eine Einkommensprüfung, nicht aber eine von der SPD abgelehnte Bedürftigkeitsprüfung. Zur Ankurbelung von Investitionen soll es einen Beteiligungsfonds für Zukunftstechnologien von bis zu zehn Milliarden Euro geben.

Das SPD-Präsidium und die CSU-Spitze stimmten dem Kompromiss am Montag einmütig zu. Auch der CDU-Vorstand stellte sich hinter das Konzept, es gab allerdings drei Gegenstimmen. Zwei dieser Nein-Stimmen kamen von den Chefs wichtiger CDU-Vereinigungen: der Jungen Union (JU) und der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT).

JU-Chef Tilman Kuban sagte nach der CDU-Sitzung, die Einigung gehe zu Lasten der jungen Generation. Er sei mit vielen jungen Abgeordneten im Gespräch. Man werde die Ablehnung des Kompromisses auch in der Fraktion deutlich machen. Auch von Wirtschaftsverbänden gab es Kritik.

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) stellte sich im Vorstand nach Teilnehmerangaben hinter die intern umstrittene CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Nur durch deren Arbeit sei der Kompromiss möglich geworden. In der ARD zeigte er sich optimistisch, die Kritiker in der Fraktion überzeugen zu können. Brinkhaus hatte zu jenen gehört, die davor gewarnt hatten, der SPD immer weiter entgegenzukommen, nur um die Koalition zu retten.

Kramp-Karrenbauer nannte den Kompromiss nach den Gremiensitzungen ein wichtiges Signal an Menschen, die ihr Leben lang hart gearbeitet hätten. Auch für die junge Generation enthalte das Paket mit den Festlegungen zur betrieblichen Altersversorgung, für Kapitalbeteiligungen und den Zukunftsfonds einiges. Es gehe zudem nicht darum, den einen oder anderen Parteiflügel zu befriedigen, sondern um eine sachgerechte Lösung für die Betroffenen.

Im CDU-Vorstand stimmten neben Kuban der Chef der Mittelstands- und Wirtschaftsunion, Carsten Linnemann, und der baden-württembergische Bundestagsabgeordnete Olav Gutting gegen den Kompromiss. Kuban, der in der vorangegangenen Vorstandssitzung den Führungsanspruch Kramp-Karrenbauers infrage gestellt hatte, warnte nach Teilnehmerangaben vor zu viel Bürokratie und Problemen bei der Umsetzung. Linnemann wollte demnach unter anderem wissen, wann die angekündigte Finanztransaktionssteuer zur Finanzierung komme.

Über die Koalition sagte Kramp-Karrenbauer, sie hoffe, «dass wir bei anstehenden Fragen für die zweite Hälfte der Legislaturperiode uns nicht ganz so schwer tun und uns das Leben auch leichter machen». Der Grundrentenstreit habe dazu geführt, «dass dann, wenn man am Ende ein Ergebnis erreicht, mit dem man eigentlich auch zufrieden sein kann, irgendwie nicht der Eindruck entsteht, es ist ein gutes Stück des Kuchens, das wir da ausverhandelt haben, sondern (...) jeder das Gefühl hat, er hat nur noch einen Krümel in der Hand.»

Aus Sicht von Finanzminister Scholz sind die Chancen für eine Fortsetzung der großen Koalition bis 2021 nun deutlich gestiegen. «Denn eine Regierung verlässt man ja nicht ohne Grund. Und wenn die Bilanz ordentlich ist und sogar ein so substanzielles Reformvorhaben wie dieses gut auf den Weg gebracht worden ist, dann hat das schon Bedeutung», sagte der Kandidat für den SPD-Vorsitz am Montagabend bei einer Veranstaltung der «Passauer Neuen Presse». Die endgültige Entscheidung treffe jedoch der SPD-Parteitag im Dezember.

SPD-Interimschefin Malu Dreyer sagte nach Gremiensitzungen ihrer Partei, die Halbzeitbilanz der großen Koalition sei «richtig gut abgerundet worden». Das erweiterte Präsidium werde eine Beschlussempfehlung für den Parteitag in vier Wochen vorlegen. Dort soll über die neue Parteispitze und die Zukunft der Koalition entschieden werden. Es sei möglich, dass die Empfehlung auch Vorschläge für neue Vorhaben der Koalition enthalte.

CSU-Chef Markus Söder schrieb nach der einstimmigen Zustimmung des Präsidiums seiner Partei auf Twitter, für die CSU sei die vereinbarte umfassende Einkommensprüfung wichtig. Außerdem werde die Wirtschaft in gleicher Weise gestärkt. «Die GroKo hat damit einen großen Schritt in Richtung Zukunft gemacht», schrieb Söder.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) lobte den Kompromiss als Beleg für die Handlungsfähigkeit der Koalition. Der geplante Datenaustausch zwischen Rentenversicherung und Finanzämtern sei ambitioniert. Wenn er aber automatisch funktioniere, würden bei der Rentenversicherung auch nicht Tausende neue Stellen benötigt, wie es geheißen hatte.

Der Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, Mario Ohoven, sagte der Deutschen Presse-Agentur, er halte es für bedenklich, dem Steuerzahler angesichts der drohenden Rezession die Finanzierung immer neuer sozialer Wohltaten aufzubürden. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer warnte im «Handelsblatt»: «Die Union muss irgendwann auch den Konflikt mit der SPD aushalten und darf sich nicht nur deshalb immer mehr auf sozialdemokratische Politik einlassen, weil sonst der Koalitionsbruch droht.»

Grünen-Chefin Annalena Baerbock begrüßte die Grundrenten-Einigung, sagte aber, Rentner sollten schon nach 30 Jahren, die sie in die Rentenkasse eingezahlt hätten, Anspruch auf Grundrente haben. FDP-Chef Christian Lindner warf der Union vor, sie habe sich von der SPD über den Tisch ziehen lassen. Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping kritisierte, der Kompromiss bleibe «weit hinter dem zurück, was nötig wäre, um wirklich Altersarmut auszuschließen».

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