Ungarn plant Referendum zum Umgang mit Minderheiten

Ungarns Premierminister Viktor Orban. Foto: epa/Andrej Cukic
Ungarns Premierminister Viktor Orban. Foto: epa/Andrej Cukic

BUDAPEST/BRÜSSEL: Der rechtsnationale Regierungschef Orban hat in Ungarn Kinderschutz und sexuelle Orientierung zum Wahlkampfthema auserkoren. Ein neues Parlament wählen die Ungarn zwar erst im Frühjahr 2022. Aber die Kritik am Umgang mit Minderheiten ist schon jetzt groß.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban hat ein Referendum über ein umstrittenes Gesetz angekündigt, das sich gegen Homo-, Transsexuelle und anderen Minderheiten richtet. Das Gesetz verbietet unter anderem Werbung, in der Homosexuelle oder Transsexuelle Teil eines normalen Lebens sind. Kinder und Jugendliche sollen demnach keinen leichten Zugang zu Informationen haben. Die EU-Kommission kritisiert das Gesetz als diskriminierend und hat Schritte gegen Ungarn eingeleitet. Durch eine Volksabstimmung will sich Orban nun aber der Unterstützung in der Bevölkerung versichern.

Die Initiative des ungarischen Regierungschefs löste Empörung bei Oppositionsparteien und Menschenrechtsorganisationen in Budapest aus. In Berlin nannte Alfonso Pantisano aus dem Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD) das Referendum eine Provokation. Orbans Politik sei «widerlich». Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche (LSBTI) Menschen würden angegriffen. Es werde versucht, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt zu dämonisieren.

Die Europäischen Kommission müsse konsequent handeln, sagte er. «Der staatliche Hass und der neue Versuch den Schutz von Kindern zu instrumentalisieren, um das Selbstbestimmungsrecht transgeschlechtlicher Menschen anzugreifen, darf in keinem Land der EU infrage gestellt werden», meinte Pantisano.

Orban argumentiert, das Gesetz sorge dafür, dass Eltern alleine darüber entscheiden könnten, wie sie die sexuelle Erziehung ihrer Kinder gestalten wollten. Er warf der EU vor, sie verlange, dass Aktivisten von LSBT-Vereinen in ungarischen Kindergärten und Schulen Sexualaufklärung organisierten - wie in Westeuropa üblich.

Der rechtsnationale Regierungschef will in dem Referendum etwa fragen lassen, ob die Ungarn dafür seien, dass Minderjährige ohne Zustimmung der Eltern sexuell aufgeklärt werden. Eltern sollen auch beantworten, ob bei Kindern für eine Geschlechtsumwandlung geworben oder diese vollzogen werde dürfe. Gefragt werden solle zudem, ob Kindern Medienberichte zugänglich sein sollten, die ihre sexuelle Entwicklung beeinflussen können. Zugleich forderte Orban die Ungarn zu einem «gemeinsamen Nein» auf diese Fragen auf.

Als Vorbild nannte er das Referendum von 2016, das sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen richtete. Damals «wollte Brüssel uns Einwanderer aufzwingen», sagte Orban. Das Referendum von 2016 war wegen mangelnder Beteiligung ungültig. Wenige Stunden vor Orbans Ankündigung hatte die Regierung das bisher wegen der Corona-Pandemie geltende Referendumsverbot aufgehoben.

Der ungarische LSBT-Verein Hatter bezeichnete Orbans Schritt als Teil einer «Hasskampagne», die von wichtigeren Problemen ablenken solle, wie zum Beispiel von den Ausspähungen mit der Software Pegasus, bei denen es laut Medien Hinweise auf ungarische Verstrickungen gibt. Die meisten Ungarn würden die homophoben Teile des Kinderschutz-Gesetzes nicht unterstützen, sagte Hatter-Geschäftsführerin Luca Dudits der Deutschen Presse-Agentur. Ungarns Oppositionsparteien DK und Momentum riefen zum Boykott des Referendums auf.

Gergely Karacsony, wahrscheinlicher Herausforderer Orbans bei der Parlamentswahl im Frühjahr 2022, ging inhaltlich nicht auf Orbans Plan für das Referendum ein. Das Thema Homosexualität gilt in Ungarn als heikel, auch für konservative Gegner von Orban. Stattdessen verlangte Karacsony Referenden zu anderen Themen - etwa gegen den Plan zur Errichtung eines Ablegers der Fudan-Universität in Budapest, die von der Kommunistischen Partei Chinas geführt wird.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte dem Nachrichtenmagazin «Spiegel»: «Man sollte in der EU ein Referendum darüber abhalten, ob man Orban in der EU noch tolerieren will.» Er sei davon überzeugt, dass das Ergebnis eine Volksabstimmung ein klares Nein bringen würde. Zwar gebe es das Instrument EU-weiter Referenden bisher nicht, man solle aber darüber nachdenken, es einzuführen.

«Hass und Hetze gegen LSBTI dürfen nicht länger mit Steuergeldern aller EU-Bürger*innen belohnt werden», sagte Pantisano vom LSVD in Berlin. Er erinnerte zudem an das am Sonntag in Ungarns Hauptstadt geplante LSBTI-Fest Budapest Pride. «Nach den schlechten Erfahrungen aus Polen und den gewaltsamen Angriffen in Georgiens Hauptstadt Tiflis, bei denen auch ein Journalist seinen Verletzungen erlegen ist, muss der Pride in Budapest geschützt werden», forderte er.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.

Leserkommentare

Vom 10. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Thomas Knauer 23.07.21 16:20
Herr Forrer, die sexuelle Vielfalt umfasst alles was zwei oder mehr Menschen freien Willens im gegenseitigen Einverständnis unternehmen. Es geht weder den Staat noch den Nachbarn etwas an.
Selbstverständlich müssen Kinder und Jugendliche vor Übergriffen geschützt werden, ein Mittel des Schutzes ist sicher Aufklärung und Information.
Übrigens können auch Mehrheitsentscheidungen gegen das GG verstoßen und sind dann nicht zulässig.
Ole Bayern 23.07.21 14:00
Wissen Sie Herr Forrer ....
... ich mache es nun bei Ihnen wie bei anderen Forumsteilnehmer auch . Sie haben meinetwegen recht und ich meine Ruhe .
P.S..... zur D - Mark ... natürlich ist das eine Behauptung von mir , da ja die Tatsache des € nunmal anders ist . Was fragen Sie denn da so sinnfrei , wollen Sie provozieren ?
Und Sie fragen wo der Nachteil ist bei einer eigenen Währung innert der EU ? Es gibt vieleicht keinen nachteil , aber für D mit der größten Exportwirtschaft der Welt , ist er € von sehr großem Vorteil . Das versteht zwar nicht jeder, ist aber allgemeiner Tenor bei volkswirtschaftlicher Betrachtung , nicht bei Ihnen in Thailand ... klar ... aber bei uns in D schon !
Und in den großen Staaten leben nicht viele Dumme , wie Sie meine Aussage unterstellen... sondern eben nur VIELE , dem das Abhalten von Volksabstimmungen in direkter Form mit einer 50 % Quote entgegen steht .
In der kleinen Schweiz schafft man es teilweise gerade mal so 50 % der Bevölkerung zur Abstimmung zu bewegen . In D mit 10 x soviel Einwohner funktioniert das nicht.

Aber wie gesagt ... leben Sie wohl , bleiben Sie gesund und immer schön streitlustig ....

VG Ole
Ole Bayern 22.07.21 19:20
Herr Pires...direkte Demokratie...
..mit Volksabstimmungen über alles Mögliche funktioniert in der CH in der Tat recht gut ,agegen ist auch gar nichts einzuwenden.
Nur ist die CH ein relativ kleines Land mit hohem Lebenstandard und einer Tradition für diese Demokratischen Wege. In anderen Ländern, schon rein wegen der Größe, ist dies schon aus logistischen Gründen nicht möglich ... z.B. D. Und einen Nachteil hat eine direkte Demokratie trotzdem aus meiner Sicht.
Es werden immer derzeitige Stimmungslagen zum Teil instrumentalisiert , die auch von z.B. radikalen Gruppierungen dann dazu genutzt werden, über eine Volksabstimmung politisches Gewicht zu erlangen .
Es würde im Chaos enden in großen Staat wie D/ F/USA.
Wir in D hätten im Rahmen einer Volksabstimmung somit immer noch die D - Mark, das ist mal sicher.
Und zum Beispiel bei solchen weitreichenden Entscheidungen wie seinerzeit DM/€ muß man auch mal auf die Regierung und das Parlament vertrauen , die ja z.B. auf Fachwissen von Experten auch zurückgreifen können.
Und das hat mit Unterwürfigkeit nichts zu tun, und "arme Bürger" sind wir in D auch in den letzten 25 Jahren mit dem € nicht geworden.
Obwohl ich die Attacken der EU gegen Ungarn auch nicht so prickelnd finde, aber wenn Ungarn dies eben so durchziehen will, können sie ja die EU verlassen, dies steht denen frei.
Ob es dann besser wird für Ungarn oder z.B. Polen wird sich zeigen. Ich persönlich halte die EU als auch die Nato für einen gewissen Friedensgarant in Europa.
Nur meine Meinung .VG Ole
Hans-Dieter Volkmann 22.07.21 19:10
Dracomir Pires 22.07.2021 17:20
Ja Herr Dracomir, aber jetzt schnell auswandern nach Ungarn. In Sachen Demokratie, Selbstbestimmung und Meinungsfreiheit das Land ihrer Träume.
Dracomir Pires 22.07.21 17:20
Das ist Demokratie, liebe EU-Fanatiker
Im Gegensatz zu Ungarn haben viele arme Bürger in den EU-Ländern leider verlernt, was Selbstbestimmung, Demokratie und Meinungsfreiheit ist. Wie kann man nur derart unterwürfig auf Merkel, Söder, Bärbock, Macron und Komplizen hören?
Thomas Gittner 22.07.21 17:00
es währe mal Schön,,,,
....wenn es ein EU weites Referendum geben würde, ob wir die lieben Ungarn und Polen weiterhin in der EU haben wollen oder nicht.
Hans-Dieter Volkmann 22.07.21 16:40
Ungarn plant Referendum
Ich zitiere: Es werde versucht sexuelle und geschlechtliche Vielfalt zu dämonisieren.
Ja, was soll das denn bedeuten? Das braucht doch niemand erst versuchen. Wer weiß was ein Dämon ist, im moralischen Sinn, der weiß auch das eine gesetzlich erlaubte Vielfalt dämonisiert ist. Basta.
Thomas Knauer 22.07.21 15:20
Das Vermengen von Kinderschutz und sexueller Vielfalt unterstellt , von Orban sicher so gewollt, dass letztere das Kindeswohl gefährdet. Wie in Deutschland zu sehen ist, ist dies nicht der Fall. Die weit überwiegende Zahl der sexuellen Übergriffe, auch auf Kinder und Jugendliche, finden in Familien und durch Vertrauenspersonen statt.
Ob ein Volksentscheid bei der Informationslage und der Propaganda eine gute Wahl ist, hab da meine Zweifel.