Ungarischer Philosoph Gaspar Miklos Tamas gestorben

Gaspar Miklos Tamas, ungarischer Philosoph. Foto: epa/Zoltan Balogh
Gaspar Miklos Tamas, ungarischer Philosoph. Foto: epa/Zoltan Balogh

BUDAPEST: Der ungarische Philosoph, Publizist und Wendezeit-Politiker Gaspar Miklos Tamas ist nach langer Krankheit im Alter von 74 Jahren gestorben. Dies berichtete die staatliche Nachrichtenagentur MTI am Sonntagabend unter Berufung auf die Familie des Verstorbenen.

Tamas war eine prägende Erscheinung der ungarischen Dissidenten-Szene im Kommunismus sowie ein Mitgestalter der demokratischen Wende 1989/90. Er war Mitbegründer und regelmäßiger Autor der im Untergrund herausgegebenen Zeitung «Beszelö» (Sprechzimmer) sowie Mitbegründer des liberalen Bundes Freier Demokraten (SZDSZ), dessen Geschäftsführer er von 1988 bis 1990 war und dem er im Jahr 2000 den Rücken kehrte. Von 1990 bis 1994 war er Abgeordneter im ersten frei gewählten Parlament Ungarns.

Tamas wurde 1948 in eine jüdisch-ungarische Familie im rumänischen Cluj geboren. 1978 siedelte er nach Schikanen der rumänischen Geheimpolizei Securitate nach Ungarn um. Doch auch dort erhielt er wegen seiner Tätigkeit für «Beszelö» Berufsverbot. Von 1991 an war er am Philosophischen Institut der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (MTA) tätig. Von dort wurde er 2011 nach der Machtübernahme durch den rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orban vorzeitig in die Rente geschickt.

Als Philosoph reflektierte Tamas seinen Standpunkt immer wieder neu. Vom Anarcho-Syndikalismus der frühen Jahre wandte er sich in der Wendezeit einem konservativen Liberalismus zu. Von den 2000er Jahren bis zu seinem Tod vertrat er einen undogmatischen Marxismus und Ökologismus, wobei er dem Denken und der Rationalität der französischen Aufklärung verpflichtet blieb. Zugleich warnte er schon früh vor der Wirkungsmacht rechtspopulistischer und post-faschistischer Politik im globalen Maßstab.

Auf deutsch erschien von Tamas 2015 der Essayband «Kommunismus nach 1989: Beiträge zu Klassentheorie, Realsozialismus, Osteuropa».

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