Umstrittener Nawalny-Arzt wird Gesundheitsminister

Foto: epa/Maxim Karmayev
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OMSK: Der durch die Behandlung des vergifteten Kremlgegners Alexej Nawalny in die Kritik geratene Chefarzt der Klinik in der sibirischen Stadt Omsk ist zum Gesundheitsminister der Region befördert worden. Der 49-jährige Alexander Murachowski übernehme die Verantwortung für das Gebiet mit rund zwei Millionen Menschen, teilte Gouverneur Alexander Burkow am Samstag in Omsk mit.

Murachowski war durch Pressekonferenzen vom 20. bis 22. August international bekannt geworden, er hatte Nawalny nach seinem Kollaps lediglich eine Stoffwechselstörung bescheinigt. Hinweise auf eine Vergiftung hatte es nach seinen Angaben nicht gegeben.

Nawalny, der nach einem mehrwöchigen künstlichen Koma in der Berliner Charité weiter in Deutschland behandelt wird, kritisierte die Personalie. Der Arzt werde nun für die «Fälschung» seiner Diagnose ausgezeichnet, schrieb der Kritiker von Kremlchef Wladimir Putin bei Telegram am Samstag.

So funktioniere unter Putin das System des sozialen Aufstiegs: «Du lügst, betrügst, bist bereit zu dienstlichen Fälschungen, um Deiner Führung zu gefallen - und bekommst dafür eine Beförderung.» Murachowski sei nicht nur ein «Betrüger». «Er ist ein Dummkopf (...) Murachowski ist einfach debil und versteht nichts von Medizin.» Nawalny zeigte sich besorgt, dass er nun die medizinische Versorgung in der ganzen Region verantworten werde.

Der russische Oppositionsführer Nawalny ist nach Untersuchungen mehrerer Labore mit dem Kampfstoff Nowitschok vergiftet worden. Das Nervengift ist international als Chemiewaffe geächtet. Die EU hat deshalb mehrere russische Funktionäre mit Sanktionen belegt. Die Führung in Moskau bestreitet, dass es eine Vergiftung gegeben habe in Russland und fordert Beweise. Die Bundesregierung, die sich für Nawalnys Behandlung in Deutschland eingesetzt hatte, sieht Russland in der Pflicht, den Fall aufzuklären.


Russische Polizei durchsucht Büro des Oppositionellen Nawalny

MOSKAU: Die Polizei in Russland hat ein Büro des Kremlkritikers Alexej Nawalny durchsucht, der sich nach seiner Vergiftung noch in Deutschland aufhält. Er veröffentlichte am Donnerstag im Kurznachrichtendienst Twitter Fotos von Beamten mit Sturmhauben in den Räumen des Fonds zur Bekämpfung von Korruption (FBK), der von Nawalny gegründet wurde. «Ich hatte völlig recht, als ich sagte, dass die einzige rechtliche Konsequenz meiner Vergiftung eine neue Welle des Drucks auf den FBK sein würde», schrieb der 44-Jährige. Zunächst war der genaue Grund der Durchsuchung unbekannt.

Die Behörden teilten der Staatsagentur Tass zufolge lediglich mit, dass Fonds-Chef Iwan Schdanow ein Gerichtsurteil ignoriert habe. Deshalb sei gegen ihn ein Strafverfahren eingeleitet worden.

Nach Angaben von Nawalnys Team blockierten Polizisten auch den Eingang zu einem Sendestudio, in dem der Oppositionelle normalerweise donnerstags seine wöchentliche Internetsendung aufnimmt. Sie hat bei Youtube ein Millionen-Publikum. Auch die bekannte Oppositionelle Ljubow Sobol sei nicht ins Studio gelassen worden. Die Kameras seien ausgeschaltet und Arbeitsgeräte beschlagnahmt worden, hieß es.

Der FKB recherchiert zu Korruptionsfällen bekannter Politiker in Russland und sieht sich deshalb im Zentrum von Ermittlungen der Behörden. Jüngst gab es mehrfach Durchsuchungen.

Nawalny ist nach seiner Vergiftung Mitte August noch in Deutschland zu einer Reha-Maßnahme. Der 44-Jährige hatte Kremlchef Wladimir Putin für den Anschlag auf ihn verantwortlich gemacht. Nach dem Befund eines Speziallabors der Bundeswehr wurde Nawalny mit dem international geächteten Kampfstoff der Nowitschok-Gruppe vergiftet. Der Kreml wies eine Verwicklung stets zurück.

Der Fall hat die Beziehungen zwischen Berlin und Moskau erheblich belastet. Darüber sprach Russlands Außenminister Sergej Lawrow erneut mit seinem deutschen Kollegen Heiko Maas. Berlin komme nicht seinen Verpflichtungen gegenüber dem Europäischen Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen von 1959 nach, teilte das Außenministerium in Moskau mit. Russland fordert Beweise für eine Vergiftung Nawalnys.

Zudem habe Lawrow die Hoffnung ausgedrückt, dass die Bundesregierung die Situation nicht weiter künstlich politisiere. Das würde den deutsch-russischen Beziehungen ernsthaften Schaden zufügen, hieß es. Weitere Themen des Telefonats waren demnach die Lage in der Ostukraine und der Konflikt um Berg-Karabach im Südkaukasus.

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