Bundesregierung: Ukraine erfüllt Auflagen für EU-Beitrittsgespräche
BRÜSSEL: Die Ukraine hat nach Einschätzung der deutschen Regierung sämtliche Reformvorgaben für den Beginn von Gesprächen über eine Aufnahme in die Europäische Union umgesetzt. «Aus Sicht der Bundesregierung erfüllt die Ukraine alle Voraussetzungen, um die EU-Beitrittsverhandlungen im Juni eröffnen zu können», sagte Europastaatsministerin Anna Lührmann (Grüne) der Deutschen Presse-Agentur. «Daher drängen wir auf eine schnelle Einigung aller Mitgliedsstaaten auf den Verhandlungsrahmen.»
Mit dem Verhandlungsrahmen werden Leitlinien und Grundsätze für die Beitrittsgespräche festgelegt. Er ist Voraussetzung für den Verhandlungsbeginn und muss von den 27 EU-Mitgliedstaaten einstimmig beschlossen werden.
Der Beginn von Beitrittsgesprächen mit der von Russland angegriffenen Ukraine und deren Nachbarstaat Moldau war bei einem EU-Gipfel im Dezember bereits grundsätzlich beschlossen worden. Gleichzeitig wurde aber vereinbart, dass vor dem Verhandlungsstart alle Reformauflagen erfüllt sein müssen. So waren nach dem letzten schriftlichen Kommissionsbericht in der Ukraine manche Reformen zur Korruptionsbekämpfung, zum Minderheitenschutz und zum Einfluss von Oligarchen nicht vollständig umgesetzt. Bis zuletzt war unklar, ob die Bundesregierung die in der Zwischenzeit erzielten Fortschritte für ausreichend hält.
Ob es nun zu einer schnellen Einigung auf einen Verhandlungsrahmen kommt, könnte sich nach Angaben von Brüsseler Diplomaten bei einem Treffen der EU-Botschafter der Mitgliedstaaten in der kommenden Woche zeigen. Nach ersten Gesprächen auf dieser Ebene an diesem Mittwoch gilt derzeit vor allem Ungarn noch als Unsicherheitsfaktor.
Ungarns Außenminister besucht Russlands Verbündeten Belarus
MINSK: Eigentlich meiden europäische Politiker das autoritär geführte Belarus so gut es geht. Nicht so Ungarn: Dessen Außenminister reiste nun mit einer klaren Botschaft nach Minsk.
Belarus ist wegen seiner Unterstützung für Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine eigentlich sehr isoliert - trotzdem ist Ungarns Außenminister Peter Szijjarto nun in das autoritär geführte Land gereist. Ungeachtet der vielen gegen Belarus verhängten EU-Sanktionen sagte Szijjarto am Mittwoch laut staatlicher belarussischer Nachrichtenagentur Belta, Budapest wolle mit Minsk im Wirtschaftsbereich kooperieren. «In allen Bereichen, die nicht von Sanktionen betroffen sind, ist Ungarn an einer Entwicklung der Zusammenarbeit interessiert», wurde er von Belta zitiert.
Ungarn, das von Ministerpräsident Viktor Orban mit teils autoritären Methoden regiert wird, gilt als russlandfreundlich und nimmt damit innerhalb der Europäischen Union eine Außenseiterrolle ein. In der Vergangenheit blockierte Budapest etwa Hilfen für die von Russland angegriffene Ukraine. Auch zu Belarus, das als wichtigster Verbündeter Russlands gilt, haben die anderen EU-Staaten aufgrund des Kriegs und der katastrophalen Menschenrechtslage in Belarus ein äußerst angespanntes Verhältnis.
USA lehnen Einsatz von US-Waffen auf Ziele in Russland weiter ab
WASHINGTON: In der Debatte um den Einsatz westlicher Waffen durch die Ukraine gegen Ziele in Russland hat die US-Regierung ihrer bisherigen Position Nachdruck verliehen. «Es gibt keine Änderung unserer Politik: Wir ermutigen weder dazu, noch ermöglichen wir den Einsatz von US-Waffen auf russischem Boden», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Mittwoch vor Journalisten auf Nachfrage.
Gleichzeitig machte Kirby deutlich, dass die USA ihre Unterstützung für das von Russland angegriffene Land bereits entsprechend den sich verändernden Bedingungen auf dem Schlachtfeld und den Bedürfnissen der Ukraine angepasst hätten. Dies sei auch künftig der Fall, sagte er. Zum jetzigen Zeitpunkt gebe es aber keinen Kurswechsel.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte am Dienstag deutlich gemacht, der Ukraine erlauben zu wollen, militärische Stellungen auf russischem Territorium auch mit westlichen Waffen anzugreifen. Zuletzt hatte auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg den Druck erhöht, bestehende diesbezügliche Beschränkungen aufzuheben.
Die «New York Times» hatte vor einigen Tagen berichtet, dass US-Außenminister Antony Blinken intern dafür werbe, der Ukraine Schläge gegen russisches Gebiet mit US-Waffen zu ermöglichen. Er wolle Präsident Joe Biden zu einer Aufhebung der Einschränkungen bewegen, hieß es. Das Außenministerium wollte den Bericht damals weder dementieren noch bestätigen, sondern verwies auf die bekannte US-Position.
Außenminister der Nato-Staaten bereiten in Prag Gipfel vor
PRAG: Die Außenministerinnen und Außenminister der 32 Nato-Staaten wollen an diesem Donnerstag und Freitag bei einem informellen Treffen in Prag die Vorbereitungen für den nächsten Bündnisgipfel vorantreiben. Bei dem Spitzentreffen im Juli in Washington soll unter anderem beschlossen werden, Aufgaben zur Unterstützung der Ukraine, die bislang von den USA übernommenen wurden, auf das Bündnis zu übertragen. Hintergrund dabei ist auch das Szenario einer möglichen Rückkehr von Donald Trump ins US-Präsidentenamt. Äußerungen des Republikaners hatten in der Vergangenheit Zweifel daran geweckt, ob die USA die Ukraine unter dessen Führung weiter so wie bisher im Abwehrkrieg gegen Russland unterstützen würden.
Aus Deutschland wird Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) zu dem Treffen in der tschechischen Hauptstadt erwartet. Am Donnerstagabend ist ein Essen mit dem tschechischen Präsidenten Petr Pavel in der Prager Burg geplant. Eine Arbeitssitzung steht dann für den Freitagvormittag auf dem Programm. Weil das Treffen informell ist, wird es keine konkreten Beschlüsse geben.
Als schwieriges Thema gilt eineinhalb Monate vor dem Gipfel insbesondere die Frage, ob und wenn ja, wie der Ukraine neue Unterstützungszusagen gemacht werden könnten. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte vor rund zwei Monaten vorgeschlagen, dem Land für die kommenden fünf Jahre über die Nato Militärhilfen im Wert von 100 Milliarden Euro zu versprechen. Große Unterstützung hat der Norweger für den Vorstoß bislang aber nicht bekommen.
Ebenfalls kontrovers diskutiert werden derzeit Beschränkungen, die Bündnisstaaten wie die USA und Deutschland der Ukraine für den Gebrauch von ihnen gelieferten Waffensystemen auferlegt haben. Unter anderem Stoltenberg rief zuletzt dazu auf, sie zumindest teilweise aufzuheben. Die Beschränkungen sehen zum Beispiel vor, dass mit gelieferten Waffen keine Angriffe auf Ziele in Russland ausgeführt werden dürfen. Hintergrund ist die Befürchtung, dass die Nato zur Kriegspartei werden könnte.
Strack-Zimmermann mit Grundsatzkritik an Scholz: «Krasser Rechthaber»
BERLIN: Die FDP-Spitzenkandidatin zur Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, hat scharfe und sehr grundsätzliche Kritik am Politikstil von Kanzler Olaf Scholz geäußert. «Man erreicht ihn nicht, weil er ein krasser Rechthaber ist», sagte sie der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Mittwoch). «Nach drei Jahren stelle ich fest, dass er geradezu autistische Züge hat, sowohl was seine sozialen Kontakte in die Politik betrifft als auch sein Unvermögen, den Bürgern sein Handeln zu erklären.»
Strack-Zimmermann ist bislang Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag und eine lautstarke Befürworterin einer weitreichenden Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland. In diesem Zusammenhang ist sie immer wieder mit harter Kritik an Scholz aufgefallen, dem sie wiederholt Zögerlichkeit bei den Waffenlieferungen an Kiew vorwarf. Die FDP-Verteidigungsexpertin betonte nun, ihre Kritik beziehe sich nicht nur auf den Ukraine-Kurs des Kanzlers. «Das betrifft alle Belange und wird mir auch von seinen Parteifreunden bestätigt.»
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert wies die Kritik zurück und warf Strack-Zimmermann Respektlosigkeit vor. «Wer keine Argumente mehr hat, der würdigt den politischen Mitbewerber verbal herab. Bei Frau Strack-Zimmermann ist es längst zur Methode geworden, andere Meinungen unter Zuhilfenahme von Kraftausdrücken anzugreifen», sagte er der «Rheinischen Post» (Donnerstag). «Ihre respektlose Psychologisierung des Bundeskanzlers bildet hierbei nur die Spitze des Eisberges.» Die FDP-Politikerin bewerbe sich auf einen Sitz im Europäischen Parlament. «Sollte sie dort auch so auftreten, wie sie es in Deutschland bislang tut, dann wird das dem Ansehen der Bundesrepublik und unserer parlamentarischen Kultur nicht zuträglich sein», sagte Kühnert.
Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, sieht in Strack-Zimmermanns Äußerungen eine «Pathologisierung des Konkurrenten» Scholz. «Das überschreitet eine rote Linie im demokratischen Wettbewerb», sagte Barley der «Neuen Osnabrücker Zeitung». Sie merke, «wie Maß und Mitte in der Debatte verloren gehen». Über Scholz sagte Barley, sie sei «froh, dass der Kanzler überlegt, bevor er entscheidet, und dann besonnen handelt». Seine ruhige Art sei eine Tugend.
Litauen beteiligt sich an Luftverteidigungs-Initiative für Kiew
VILNIUS: Litauen wird sich an der von Deutschland gestarteten internationalen Initiative für mehr Luftverteidigung zugunsten der von Russland angegriffenen Ukraine beteiligen. Die Regierung in Vilnius beschloss am Mittwoch, 13,5 Millionen Euro für den Kauf von Radaranlagen bereitzustellen, die das ukrainische Warnsystem stärken soll. Deutschland habe der Ukraine eine dritte Patriot-Einheit und weitere Systeme gegeben, deshalb werde Litauen in Reaktion dazu das beitragen, was es könne, sagte Verteidigungsminister Laurynas Kasciunas.
Litauen will demnach in diesem Jahr vier Radaranlagen in die Ukraine schicken und danach weitere Systeme erwerben. «Sie werden die Warnfähigkeit und Sicht stärken und die Fähigkeit zur Zerstörung von Luftobjekten verbessern», sagte Kasciunas litauischen Medienberichten zufolge. Die Ukraine selbst habe diesen Bedarf angezeigt.
Deutschland hatte vor Kurzem eine Initiative zur schnellen Lieferung von Luftverteidigungssystemen in die Ukraine gestartet. Die Versuche, Patriots bei Partnerländern in Europa oder in Übersee zu beschaffen, haben bislang aber kaum gefruchtet.
Moskau wirft Kiew Sabotage von Gefangenenaustauschen vor
MOSKAU: Lange war der Austausch von Gefangenen die einzige funktionierende Plattform für einen Dialog zwischen Russland und der Ukraine. Nun stockt es und Moskau gibt Kiew daran die Schuld.
Russland wirft der Ukraine vor, den Austausch von Kriegsgefangenen zu sabotieren. «Leider ist der Austausch mit der Ukraine, die ständig neue vorgeschobene Forderungen stellt, seit ein paar Monaten gestoppt», sagte die russische Menschenrechtsbeauftragte Tatjana Moskalkowa am Mittwoch bei einer Sitzung des Parlaments, der Staatsduma. Immerhin würden die Menschenrechtsbeauftragten beider Länder weiterhin täglich Kriegsgefangene der Gegenseite besuchen, um die Einhaltung von deren Rechte zu überwachen.
Moskalkowa machte keine näheren Angaben zu den angeblichen Forderungen Kiews. Zuvor hatte schon die Chefredakteurin des Staatssenders RT, Margarita Simonjan, eine Liste von 500 gefangenen ukrainischen Soldaten veröffentlicht. Sie behauptete, dass Kiew aus dieser Liste nur 38 Kämpfer des nationalistischen Regiments Asow für die Austauschliste ausgewählt und den Rest zurückgewiesen habe. Beweise für ihre Aussage brachte sie nicht.
Russland führt seit mehr als zwei Jahren einen Angriffskrieg gegen die Ukraine und hält derzeit rund ein Fünftel des Nachbarlands besetzt. Die genaue Zahl der Kriegsgefangenen beider Seiten ist unbekannt, doch Beobachtern zufolge haben die Russen im Vergleich zur Ukraine ein Mehrfaches an Gefangenen gemacht. Die Vorwürfe aus Moskau dürften vor allem darauf zielen, die Lage in Kiew weiter zu destabilisieren und den Druck auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu erhöhen. Das Thema ist in der Ukraine brisant. Selenskyj hat mehrfach versprochen, alle gefangen genommenen Soldaten in die Heimat zurückzuholen. Der letzte Austausch zwischen beiden Ländern fand im Februar 2024 statt.
«Rzeczpospolita»: Erneuter Vorstoß Polens in der Ukraine-Debatte?
WARSCHAU: Die polnische Tageszeitung «Rzeczpospolita» kommentiert am Mittwoch die Debatte über ein Engagement westlicher Truppen in der Ukraine:
«Als Polen 2022 einen bravourösen Vorstoß wagte, wurde dies auf die Radikalität der damaligen (nationalkonservativen) PiS-Regierung zurückgeführt. Warschau kündigte damals an, Leopard-Kampfpanzer auch ohne die Zustimmung Deutschlands an die Ukrainer zu übergeben. Letztlich trug dieser ungewöhnliche Schritt dazu bei, dass Bundeskanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden sich bereit erklärten, den Ukrainern ihre eigenen Kampffahrzeuge zu liefern.
Es scheint jedoch, dass auch die heutige (Mitte-Links)-Regierung von Donald Tusk zu ähnlichen Methoden greift. Das berichtet zumindest der «Spiegel». Das Magazin enthüllt, dass Polen und die baltischen Staaten ihre Bereitschaft signalisiert haben, Truppen in die Ukraine zu schicken, falls die Front zusammenbricht. Dies würde bedeuten, dass sich Nato-Länder und damit de facto die Nato selbst im Krieg mit den Russen befinden würden. Diese Drohung ist stark genug, um Biden und Scholz zu veranlassen, die Regeln für den Einsatz von Waffen aus dem Westen durch die Ukrainer zu lockern. Ohne diese kann Moskau seine Truppen an der Grenze konzentrieren und ungehindert Ziele im Nachbarland bombardieren.»