Ukraine will deutsche Kriegsschiffe im Konflikt mit Russland

Foto: epa/Jens Buettner
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MOSKAU/KIEW (dpa) - Deutschland ist nun im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine gefragt. Eine Bitte aus Kiew dürfte heikel sein. Kriegsschiffe sollen vor der Halbinsel Krim Moskau abschrecken. Berlin reagiert diplomatisch.

Im Konflikt mit Russland hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko Deutschland aufgerufen, Kriegsschiffe vor die Halbinsel Krim zu entsenden. «Wir brauchen eine erhöhte Präsenz von Kriegsschiffen aus Deutschland und verbündeten Ländern im Schwarzen Meer als Botschaft der Abschreckung gegen Russland», sagte Poroschenko den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstag). In der «Bild» setzte er auf die Hilfe von Bundeskanzlerin Angela Merkel: Sie sei eine große Freundin der Ukraine.

«Im Jahr 2015 hat sie durch ihre Verhandlungen in Minsk schon einmal unser Land gerettet, wir hoffen darauf, dass sie uns zusammen mit unseren anderen Alliierten noch einmal so sehr unterstützt», begründete der Präsident seine Erwartungen an Merkel. Sie hat sich bereits in den Konflikt eingeschaltet und erst mit Poroschenko und dann mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert.

Der Forderung nach militärischer Unterstützung erteilte Außenminister Heiko Maas (SPD) eine Absage. «Ich habe Verständnis für die Sorgen, die es in der Ukraine gibt», sagte Maas am Donnerstag in Berlin. Für die Aktion des russischen Militärs habe es keine rechtliche Grundlage gegeben. «Was wir aber nicht wollen, ist eine Militarisierung dieses Konflikts, sondern wir wollen einen politischen Prozess.» Das habe er in einem Telefonat seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow gesagt und das werde er in einem Telefonat am Nachmittag dem ukrainischen Ministerpräsidenten sagen.

Merkel forderte freie Zufahrt zum Asowschen Meer und zur ukrainischen Stadt Mariupol. Sie werde das Thema beim G20-Gipfel in Argentinien mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin ansprechen, sagte Merkel am Donnerstag in Berlin. Eine Lösung des Konflikts werde es aber nur im Gespräch geben. «Es gibt keine militärische Lösung», sagte Merkel bei der Eröffnung eines deutsch-ukrainischen Wirtschaftsforums.

Am Sonntag hatte die russische Küstenwache drei kleine Schiffe der ukrainischen Marine in der Meerenge von Kertsch vor der Krim aufgebracht. Russland wirft Poroschenko eine Provokation mit Blick auf die ukrainische Präsidentenwahl im März vor. Die Ukraine spricht von russischer Aggression und hat das Kriegsrecht verhängt.

Die Ukraine befürchtet, dass Moskau das Asowsche Meer für sich beanspruchen könnte. Beide Länder hatten das flache Binnenmeer 2003 in einem Vertrag zu einem gemeinsam genutzten Territorialgewässer erklärt. Es ist mit 39 000 Quadratkilometern etwas kleiner als die Schweiz und nur durch die Meerenge von Kertsch mit dem Schwarzen Meer verbunden. Die Seegrenze sollte extra festgelegt werden.

Nach den neuerlichen Spannungen gab es weltweit Appelle, damit der Streit zwischen Russland und der Ukraine nicht weiter eskaliert. US-Präsident Donald Trump sprach sich dafür aus, dass Merkel in dem Konflikt vermittelt. «Angela, lasst uns Angela einbeziehen!», sagte er der «New York Post». Der US-Präsident sprach sich demnach auch dafür aus, neben Merkel auch Frankreich einzubeziehen - ließ aber offen, was die beiden Regierungen genau tun sollten.

Für eine Vermittlerrolle Merkels plädierte auch der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk: «Das ist eine neue Phase der Eskalation, und hier darf man sich jetzt nicht mit Floskeln begnügen, da muss man handeln, und das kann nur die Kanzlerin», sagte er am Donnerstag im Bayerischen Rundfunk. Merkel habe schon vor drei Jahren die Situation entschärft und viel erreicht.

Die Kanzlerin hat seit 2014 viel Zeit in Bemühungen um eine Eindämmung des Kriegs im ostukrainischen Kohlerevier Donbass investiert, wo Moskau die Separatisten weiter militärisch unterstützt und schützt. Ihre Anstrengungen gemeinsam mit den französischen Präsidenten Francois Hollande und später Emmanuel Macron brachten aber keinen Durchbruch, auch wenn 2015 in Minsk eine Friedensregelung vereinbart wurde.

Unklar war indes, ob es beim anstehenden G20-Gipfel in Argentinien ein Treffen der Präsidenten der USA und Russlands geben wird. Trump ließ bislang jedoch eine Begegnung mit dem Kremlchef offen. Laut der «New York Post», die am Mittwoch einen Bericht mit Auszügen eines Interviews mit Trump veröffentlichte, kritisierte der Präsident den Vorfall im Asowschen Meer: «Wir werden sehen, wir werden herausfinden, was passiert ist. Ich mochte den Vorfall nicht und wir bekommen einen Bericht darüber, was passiert ist.»

Russland geht derweil weiter von einem Treffen der Präsidenten beider Länder bei der Konferenz der Staats- und Regierungschefs von 20 großen Industrie- und Schwellenländern aus. Es sei für diesen Samstagnachmittag geplant, berichtete die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti am Donnerstag unter Berufung auf die Moskauer Delegation.

Poroschenko warf im Funke-Interview Russland vor, «seine Besetzung der Ukraine ausweiten» und unter anderem die Städte Mariupol und Berdjansk erobern zu wollen. «Wenn einige Politiker nicht aufhören, mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin zu kuscheln, sollte niemand ausschließen, dass das Ausmaß der russischen Aggression weiter zunimmt», sagte der ukrainische Präsident. «Die Zukunft der freien Welt wird in diesen Tagen in der Ukraine entschieden.»

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