Ukraine setzt Signal gegen Korruption

​Vier Vizeminister entlassen

Der ukrainische Präsident Volodymyr Zelensky spricht auf einer Pressekonferenz in Kiew. Foto: epa/Sergey Dolzhenko
Der ukrainische Präsident Volodymyr Zelensky spricht auf einer Pressekonferenz in Kiew. Foto: epa/Sergey Dolzhenko

KIEW: Die Hälfte des ukrainischen Etats stammt aus dem Ausland. Umso wichtiger, dass Kiew im Kampf gegen Korruption ernst macht. Im Krieg gegen Russland bahnt sich in der Panzerfrage eine Entscheidung an.

Inmitten der heftigen Kämpfe gegen Russland hat die ukrainische Regierung ein Signal gegen Korruption gesetzt. Die Regierung habe dem Rücktritt mehrerer Gouverneure zugestimmt und vier Vizeminister entlassen, teilte ein Regierungsvertreter am Dienstag im Nachrichtendienst Telegram mit. Anlass ist der Verdacht, dass Teile der milliardenschweren Unterstützungsgelder aus dem Ausland zweckentfremdet werden. Unterdessen erwägt Finnland einen Nato-Beitritt auch ohne Schweden. Der neue deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) rechnet in Kürze mit einer Entscheidung zur Lieferung von Leopard-2-Panzern an die Ukraine. Eine solche Waffenhilfe halten Experten angesichts einer drohenden russischen Großoffensive für unumgänglich.

Entlassungswelle im Kampf gegen Korruption

Der Entlassungswelle ging eine Reihe von Korruptionsskandalen um Schmiergelder, die Veruntreuung von Hilfsgeldern sowie das Zuschanzen von Bauaufträgen und Luxusreisen voraus. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj versucht offenbar mit einem Rundumschlag den Imageschaden zu minimieren. Nach dem russischen Einmarsch wird der ukrainische Staatshaushalt gut zur Hälfte aus dem Ausland finanziert. Die Ukraine hat den Status eines EU-Beitrittskandidaten. Verbunden sind damit auch Auflagen bei der Korruptionsbekämpfung. Bereits vor dem Krieg galt die Ukraine als eines der korruptesten Länder Europas. Die EU-Kommission forderte das Land zu weiteren Anstrengungen auf. Es müsse Garantien für Geldgeber geben, dass Mittel sinnvoll eingesetzt würden, so eine Sprecherin der Kommission.

Die EU hatte der Ukraine erst jüngst ein weiteres Darlehen über drei Milliarden Euro ausgezahlt. Bis Ende des Jahres sollen weitere 15 Milliarden Euro fließen.

Finnland will Nato auch ohne Schweden beitreten

Angesichts der bisherigen Blockade eines Nato-Beitritts Schwedens durch die Türkei zeigt sich Finnland erstmals offen, dem Bündnis unter Umständen auch ohne seinen nordischen Partner beizutreten. Finnland könnte gezwungen sein, einen Nato-Beitritt ohne seinen langjährigen Verbündeten Schweden in Betracht zu ziehen, sagte Außenminister Pekka Haavisto. Man müsse bereit sein, die Situation neu zu bewerten, wenn sich herausstelle, dass der schwedische Nato-Antrag langfristig festhänge. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Montagabend angesichts der Koran-Verbrennung durch einen islamfeindlichen Provokateur in Stockholm gesagt, Schweden könne nicht mit der Unterstützung der Türkei für einen Nato-Beitritt rechnen.

Verteidigungsminister sieht baldige Panzer-Entscheidung

Verteidigungsminister Pistorius geht von einer baldigen Entscheidung über die Lieferung von Leopard-2-Panzern an die Ukraine aus. «Ich rechne damit, dass in Kürze eine Entscheidung fällt», sagte der SPD-Politiker in Berlin bei einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Aktuell würden Fragen wie Nachschub, Unterhaltung, Instandsetzung und eine Versorgung der Waffensysteme in einem möglichen Einsatz geprüft. «Für den Fall einer positiven Entscheidung werden wir dann sehr schnell handlungsfähig sein», sagte Pistorius. Stoltenberg forderte die zügige Lieferung neuer Waffen. «In diesem entscheidenden Moment des Krieges müssen wir der Ukraine schwerere und fortschrittlichere Systeme zur Verfügung stellen, und wir müssen es schneller tun», sagte der Norweger.

Baerbock: Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland, nicht gegeneinander

Außenministerin Annalena Baerbock hat im Streit um Panzerlieferungen zu Zusammenhalt aufgerufen. «Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander», sagte die Grünen-Politikerin bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg. Man müsse auch bei Panzern mehr tun. «Aber das Wichtigste ist, dass wir es gemeinsam tun und dass wir uns in Europa nicht gegenseitig die Schuld zuschieben.»

US-Denkfabrik plädiert für großzügige Militärhilfen

Westliche Militärhilfen für die Ukraine sind nach Einschätzung des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) weiter notwendig, damit das Land bei einer möglicherweise entscheidenden russischen Militäroffensive in den kommenden Monaten nicht seinen Vorteil verliert. Der ukrainische Militärgeheimdienst rechne mit einem solchen Angriff im Frühling oder Frühsommer 2023, schrieb die in Washington ansässige Denkfabrik in ihrem jüngsten Bericht am Montagabend (Ortszeit). Nach Angaben der ukrainischen Seite gibt es Anzeichen dafür, dass sich russische Truppen in Vorbereitung auf eine «große Offensive» in den Gebieten Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine neu formieren.

Russischer Generalstabschef betont notwendige Neuaufstellung

Elf Monate nach Beginn des russischen Angriffskrieges hat Moskaus Generalstabschef Waleri Gerassimow in einem Interview die Notwendigkeit der Neuaufstellung der eigenen Streitkräfte unterstrichen. «Solch ein Niveau und eine Intensität der Kampfhandlungen hat das moderne Russland noch nicht erlebt», sagte der Kommandeur der Truppen im Krieg gegen die Ukraine der russischen Internetzeitung Argumenty i Fakty. «Unser Land und seine Streitkräfte wirken heute praktisch dem gesamten kollektiven Westen entgegen», sagte der 67-Jährige, der in diesem Monat nach vielen Niederlagen das Kommando über die Kriegstruppen übernommen hatte.

London sieht Anzeichen für Risse in Militärführung

Britische Geheimdienste sehen die Entlassung eines ranghohen russischen Militärs als Anzeichen mangelnder Geschlossenheit in Moskaus Militärführung. Der Generaloberst Michail Teplinski, der im Ukraine-Krieg bislang eine wichtige Rolle gespielt habe, sei mutmaßlich entlassen worden, hieß es im täglichen Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums. Nach Angaben der Briten war Teplinski für den Abzug der Russen westlich des ukrainischen Dnipro-Flusses im November des vergangenen Jahres zuständig. In Russland sei er als fähiger und pragmatischer Kommandeur gelobt worden, hieß es weiter.

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