Ukraine-Krise: Aktuelles Geschehen am Sonntag

Foto: epa/dpa
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Ukrainische Justiz: Drastische Zunahme sexueller Gewalt durch Russen

BERLIN: Der ukrainische Generalstaatsanwalt Andrij Kostin hat eine «drastische Zunahme» sexueller Gewalt durch russische Soldaten angeprangert. Infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine seien alle Geschlechter und Altersklassen betroffen, Kinder ebenso wie Alte, sagte Kostin der Funke Mediengruppe und der französischen Zeitung «Ouest-France» (Montag). Russische Soldaten setzten sexuelle Gewalt gezielt ein - als «Kriegsmethode, um Ukrainerinnen und Ukrainer zu demütigen», behauptete er.

Kostin sagte den Zeitungen, vor vier Monaten seien erst 40 Fälle von sexueller Gewalt registriert worden, aber mittlerweile seien es mehr als 110 Fälle. «Tendenz stark steigend.» Zudem gebe es eine hohe Dunkelziffer. «In vielen Fällen werden Menschen durch russische Soldaten vergewaltigt, gefoltert und danach getötet. Oft finden Vergewaltigungen vor den Augen von Angehörigen und Kindern statt», sagte Kostin. Betroffen seien vor allem besetzte Gebiete. Oft hätten russische Kommandeure Vergewaltigungen angeordnet oder zumindest unterstützt, so Kostin. Die Angaben des Generalstaatsanwalts ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Der Deutschland-Direktor der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Wenzel Michalski, sprach ebenfalls von einer Systematik der Gewalt. «Gräueltaten an Zivilisten gehören zur Kriegstaktik der russischen Soldaten in der Ukraine», sagte Michalski den Zeitungen der Funke Mediengruppe. «Die Gewalt der Soldaten einschließlich der Vergewaltigungen wird von der Spitze der russischen Politik und des Militärs nicht geahndet. Im Gegenteil: Kräfte, die besonders brutal vorgehen, werden noch ausgezeichnet», sagte er. Die Gewalt werde von der Führung mindestens billigend in Kauf genommen.

Kostin zufolge wurden in der Ukraine seit Kriegsbeginn vor gut neun Monaten fast 8500 Zivilisten getötet, darunter 440 Kinder. Mehr als 11.000 Zivilisten seien verletzt worden. Die Generalstaatsanwaltschaft habe bislang 50.197 Fälle von Kriegsverbrechen aufgenommen, sagte er den Zeitungen.


Friedensforscher: Weltweite Waffenverkäufe weiter gestiegen

STOCKHOLM: Trotz pandemiebedingter Lieferkettenprobleme sind die weltweiten Rüstungsverkäufe im Jahr vor dem Ukraine-Krieg weiter angestiegen. Die 100 größten Rüstungskonzerne der Erde verkauften 2021 schwere Waffen und Militärdienstleistungen im Wert von 592 Milliarden Dollar (rund 570 Milliarden Euro), wie das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri in einem am Montag veröffentlichten Bericht mitteilte. Das bedeutete einen währungsbereinigten Anstieg um 1,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die erneute Zunahme war damit höher als 2020, lag aber unter dem durchschnittlichen Anstieg der vier Jahre vor der Corona-Pandemie.

Die mit Abstand meisten Rüstungsgüter kommen nach Sipri-Angaben weiterhin von US-Konzernen. Die 40 gelisteten amerikanischen Unternehmen - darunter die Top fünf des Rankings - kommen insgesamt auf einen Anteil von 51 Prozent aller Rüstungsverkäufe unter den 100 führenden Konzernen. Auf Platz zwei folgt China mit einem kräftig auf 18 Prozent angestiegenen Anteil, mit weitem Abstand dahinter dann Großbritannien (6,8 Prozent) und Frankreich (4,9 Prozent). Deutschland kommt demnach auf einen Anteil von 1,6 Prozent.


Ukrainischer Präsident Selenskyj: «Wir schützen unser Zuhause»

KIEW: Mit Blick auf die kalte Jahreszeit hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenkyj an das Durchhaltevermögen und die Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung appelliert. «Der Feind hofft sehr, den Winter gegen uns zu verwenden: die Winterkälte und Not zu einem Teil seines Schreckens zu machen», sagte er am Sonntagabend in seiner täglichen Videobotschaft. «Wir müssen alles tun, um diesen Winter zu überleben, egal wie hart er ist.» Diesen Winter zu ertragen bedeute, alles zu ertragen.

Russland habe zwar einen Vorteil durch Raketen und Artillerie. «Aber wir haben etwas, was der Besatzer nicht hat und nicht haben wird. Wir schützen unser Zuhause, und das gibt uns die größtmögliche Motivation», betonte Selenskyj. Das ukrainische Volk kämpfe für die Freiheit und verteidige die Wahrheit, sagt er. «Um den Winter zu überstehen, müssen wir widerstandsfähiger und vereinter denn je sein», appellierte Selenskyj an die Ukrainer.


Baerbock zu zweitägigem Besuch in Indien

BERLIN: Außenministerin Annalena Baerbock beginnt an diesem Montag einen zweitägigen Besuch in Indien. In der Hauptstadt Neu Delhi will die Grünen-Politikerin mit dem indischen Außenminister Subrahmanyam Jaishankar über die Folgen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sprechen. Indien positioniert sich neutral: Es pflegt enge Beziehungen zu Russland wie zum Westen. Die Atommacht mit mehr als 1,4 Milliarden Einwohnern trägt westliche Sanktionen gegen Russland nicht mit. Bei Resolutionen der Vereinten Nationen zum Krieg in der Ukraine hat sich Indien enthalten.

In Baerbocks Gesprächen dürfte es auch um das Verhältnis zu China gehen, das Russlands Angriffskrieg ebenfalls nicht verurteilt hat. Die Beziehungen von Indien und China - der beiden bevölkerungsreichsten Länder der Welt - sind angespannt. Weiteres Thema soll die deutsche Zusammenarbeit mit Indien bei der Energiewende weg von Öl, Kohle und Gas sein. Am Dienstag will die Außenministerin Projekte für erneuerbare Energien besuchen.


US-Geheimdienste: Russlands Kapazität für Frühjahrsoffensive unklar

SIMI VALLEY: Die US-Geheimdienste rechnen im Verlauf des Winters mit einer weiteren Verlangsamung des Krieges, den Russland gegen die Ukraine führt. Bereits jetzt sei ein reduziertes Tempo der Kämpfe zu beobachten und beide Konfliktparteien versuchten, sich für weitere Kämpfe im Frühjahr neu aufzustellen, sagte US-Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines am Samstag auf einem Militär-Forum in Simi Valley (Kalifornien). Jedoch herrsche in Geheimdienstkreisen ein «gewisses Maß an Skepsis» darüber, ob die russischen Streitkräfte für neue Kämpfe im März überhaupt gerüstet seien. Diesbezüglich sei der Blick auf die Ukrainer optimistischer, so Haines.

Derzeit verbrauche Russland mehr Munition, als es nachproduzieren könne. Das «wirklich außergewöhnliche» Tempo, mit dem die russischen Streitkräfte ihre Munition aufbrauchten, veranlasse Moskau dazu, Länder wie etwa Nordkorea um Hilfe zu bitten, sagte Haines in einem Gespräch mit der NBC-Journalistin Andrea Mitchell auf dem Reagan National Defense Forum. Neben der Nachschub-Beschaffung sah Haines auch Herausforderungen auf logistischer oder moralischer Ebene für Russland in der seit mehr als neun Monate dauernden Offensive.

Unklar sei, inwiefern Russlands Präsident Wladimir Putin die Schwierigkeiten bewusst seien. «Ich denke, er wird zunehmend über die Herausforderungen informiert, denen das Militär in Russland gegenübersteht. Aber wir sind uns immer noch nicht sicher, dass er voll und ganz im Bilde darüber ist, wie groß sie sind», so Haines. Putin habe sein politisches Ziel, die Ukraine zu kontrollieren, nicht geändert, sei aber vom ausbleibenden Erfolg der Offensive überrascht worden. Die US-Geheimdienstexperten hielten es für möglich, dass Putin seine militärischen Ambitionen zumindest temporär zurückfahren könne, «mit der Idee, dass er später wieder darauf zurückkommt».


Deutscher Botschafter: Rechnen mit Schwung an Ukraine-Flüchtlingen

LONDON/BERLIN: Die Bundesregierung rechnet dem deutschen Botschafter in London zufolge mit einer großen Zahl an Flüchtlingen aus der Ukraine in den kommenden Wochen. Der russische Präsident Wladimir Putin terrorisiere weiterhin die Zivilbevölkerung in seinem Nachbarland, sagte Miguel Berger dem britischen TV-Sender Sky News am Sonntag. Russland führt seit Februar einen Angriffskrieg gegen die Ukraine und greift zuletzt verstärkt Strom- und Heizkraftwerke an.

«Wir sind darüber sehr besorgt, denn diese Angriffe auf die Energieinfrastruktur bedeuten, dass viele Menschen in den eiskalten Temperaturen dazu gezwungen sein könnten, die Ukraine zu verlassen», sagte der Diplomat und fügte hinzu: «Wir erwarten einen weiteren Schwung an Flüchtlingen in den kommenden Wochen.» Anlass für Optimismus, dass der Krieg durch diplomatische Mittel beendet werden könne, gebe es derzeit nicht, so Berger weiter.

Wie das Bundesinnenministerium am Sonntag auf Anfrage mitteilte, waren am Stichtag 30. November insgesamt 1.033 931 Menschen im Ausländerzentralregister erfasst, die im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine seit dem 24. Februar 2022 nach Deutschland eingereist sind. Die Zahl der Asylanträge betrug nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in den ersten zehn Monaten des Jahres rund 181.600.

Der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) sagte der «Welt am Sonntag»: «Wir laufen auf 200.000 Asylbewerber in diesem Jahr zu. Genau diese Zahl wurde erst in der vergangenen Legislatur als Obergrenze definiert.» Zähle man die Menschen aus der Ukraine hinzu, müsse es leicht nachvollziehbar sein, «dass wir in den Ländern und Kommunen am Limit sind».


Macron: Waffensendung an Ukraine schwächt eigene Verteidigung nicht

PARIS: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat Kritik zurückgewiesen, seinem Land würden durch Lieferungen an die Ukraine Waffen fehlen. «Das ist zugleich falsch und gefährlich», sagte Macron der Zeitung «Le Parisien» am Sonntag. «Als Oberbefehlshaber der Streitkräfte kann Ihnen versichern, dass immer, wenn wir etwas liefern, wir dies unter Bewahrung all unserer Verteidigungskapazitäten für unseren Boden, unsere kritischen Einrichtungen und unsere Staatsangehörigen tun.»

Die rechtsnationale französische Politikerin Marine Le Pen hatte zuvor im Sender CNews kritisiert, Frankreich könne nicht auf Kosten seiner eigenen Sicherheit Waffen an die Ukraine für deren Verteidigung gegen Russlands Angriffskrieg liefern. Alles Material, das an die Ukraine geschickt werde, fehle Frankreich - entweder für die Armee oder für andere Lieferverträge. Sie glaube, Paris solle keine weiteren Caesar-Haubitzen an Kiew geben.

Macron bezichtigte Le Pen, einen «Kapitulationsdiskurs» zu führen, weil sie eine Freundin der russischen Staatsgewalt sei. «Wenn wir die Caesar-Haubitzen nicht geliefert hätten, hätten die Ukrainer Territorium verloren», sagte Macron. «Ich will, dass unsere Mitbürger wissen, dass wir das Geld, das wir ausgeben, für die Verteidigung unserer Werte und unserer Freiheit ausgeben.»

Frankreich hat der Ukraine bisher 18 Caesar-Haubitzen geliefert, weitere Waffensendungen sollen folgen. Bereits im Sender TF1 hatte Macron versichert, dass die Industrie mehr und schneller produzieren werde und Frankreich sich teils Waffen zurückholen werde, die es an andere Länder verkauft habe und die dort nicht benötigt würden.


London: Zustimmung der Russen zum Ukraine-Krieg stark gesunken

LONDON: Dem Kreml dürfte es nach Einschätzung britischer Experten zunehmend schwerfallen, den Krieg in der Ukraine gegenüber der eigenen Bevölkerung zu rechtfertigen. Das geht aus dem täglichen Geheimdienst-Update des Verteidigungsministeriums in London zum Ukraine-Krieg am Sonntag hervor. «Angesichts dessen, dass Russland in den kommenden Monaten kaum bedeutende Erfolge auf dem Schlachtfeld erringen wird, ist es wahrscheinlich zunehmend schwer für den Kreml, auch nur die schweigende Zustimmung in der Bevölkerung zu erhalten», hieß es in der Mitteilung.

Den Briten zufolge zeigen an die Öffentlichkeit gelangte Daten russischer Behörden, dass inzwischen nur noch ein Viertel der Bevölkerung in Russland den Angriffskrieg in der Ukraine unterstützt. Zu Beginn des Kriegs waren es demnach noch 80 Prozent. Die teilweise Mobilmachung im September habe den Krieg aber für viele Menschen spürbar gemacht.

Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor.


Litauen wartet zwei weitere deutsche Panzerhaubitzen für die Ukraine

VILNIUS: Litauen hat zwei weitere deutsche Panzerhaubitzen 2000 nach ihrer Instandsetzung in dem baltischen EU- und Nato-Land wieder in die Ukraine zurückgeschickt. Zusammen mit Munition seien die beiden reparierten Artilleriegeschütze wieder in das von Russland angegriffene Land geliefert worden, teilte das Verteidigungsministerium in Vilnius am Samstagabend mit.

Verteidigungsminister Arvydas Anusauskas hatte Ende November auf Twitter darüber informiert, dass die beiden Haubitzen in Litauen repariert werden. Dort gibt es seit dem Sommer ein Wartungszentrum für Gefechtsfahrzeuge, das von den beiden deutschen Rüstungsfirmen Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und Rheinmetall gegründet worden war.

Nach Angaben von Anusauskas hat Litauen damit nun sechs Haubitzen wieder instandgesetzt. Dafür sind dem Verteidigungsministerium zufolge fast zwei Millionen Euro bereitgestellt worden.

Die Panzerhaubitzen waren von Deutschland und den Niederlanden als Militärhilfe an die Ukraine geliefert worden, die sich seit Februar gegen Russlands Angriffskrieg verteidigt. Die nun mitgelieferte Munition stammt aus Beständen der litauischen Armee, die auch die Panzerhaubitze 2000 als Waffensystem einsetzt. Deren Übergabe an Kiew hatte der Nationale Sicherheitsrat im November beschlossen.

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