Ukraine-Krise: Aktuelles Geschehen am Sonntag

Foto: epa/dpa
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Hacker bringen Kritik an Ukraine-Krieg auf russische TV-Webseiten

MOSKAU: Unbekannte Hacker haben eine Botschaft gegen den Krieg in der Ukraine auf Webseiten des staatlichen russischen Fernsehens platziert. Auf dem Streaming-Portal «Smotrim.ru» etwa stand am Sonntagabend neben Fotos von Zerstörung in der Ukraine «Putin vernichtet Russen und Ukrainer! Stoppt den Krieg!», wie zahlreiche Internet-Nutzer im Netz berichteten.

Das russische Staatsfernsehen räumte später eine Hacker-Attacke auf «Smotrim» und die Website der Nachrichtensendung «Vesti» ein. Dadurch seien weniger als eine Stunde lang «unerlaubt Inhalte mit extremistischen Aufrufen» angezeigt worden.

In Russland wird der Angriffskrieg in der Ukraine offiziell als militärische Spezialoperation bezeichnet. Von der offiziellen Linie abweichende Darstellungen stehen als Verbreitung angeblicher Falschinformationen über russische Streitkräfte unter Strafe.

In der Nacht zum Montag zeigte die «Smotrim»-Website wieder Links zu Propaganda-Material etwa über die «Befreiung» der umkämpften ostukrainischen Industrieregion Donbass und die Verleihung der Auszeichnung «Held der Arbeit» durch Kremlchef Wladimir Putin.


Behörden: Verletzte bei Explosion in besetzter ukrainischer Stadt

MOSKAU: Bei einer Explosion in der von russischen Truppen besetzten ukrainischen Stadt Melitopol sind nach Behördenangaben vier Personen verletzt worden.

Die Besatzungsbehörden gingen davon aus, dass ein Sprengsatz in einem Mülleimer neben ihrer Lokalverwaltung des Innenministeriums explodiert sei, berichtete die russische Nachrichtenagentur Tass am Sonntagabend. Es seien ausschließlich Zivilisten zu Schaden gekommen, hieß es. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden. Melitopol liegt im ukrainischen Gebiet Saporischschja, das zum Teil von russischen Truppen besetzt ist.


Klitschko pocht auf weitere Unterstützung vor möglichem Scholz-Besuch

BERLIN: Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko hat hohe Erwartungen an einen möglichen Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in der Ukraine. Berichten zufolge plant der SPD-Politiker noch im Juni eine gemeinsame Reise mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi. «Wir brauchen von den drei Führern der wichtigsten Länder harte Unterstützungssanktionen und Waffen so schnell wie möglich», sagte Klitschko der «Bild» und erneuerte seine Forderung nach mehr Munition und moderner Waffen.

Er höre vom Militär, dass die seit Monaten angekündigte Unterstützung zwar zum Teil komme, aber nicht in der gewünschten Menge. «Das bedeutet: Wir verlieren einen Teil unseres Territoriums, wir verlieren Menschenleben», sagte Klitschko.

Er gehe davon aus, dass die Lage der Ukraine durch einen Besuch deutlicher werden würde. «Ich glaube, man kann die Situation besser verstehen, wenn man Städte wie Butscha mit eigenen Augen gesehen hat», sagte Klitschko. «Es ist zwar nicht mehr wie im März, als die russischen Soldaten die Städte gerade verlassen haben. Aber wenn die drei Staatschefs die Lage mit ihren eigenen Augen sehen und mit den Menschen sprechen, dann verstehen sie auch emotional, wie wichtig es ist, uns zu unterstützen. Mit allem - mit Waffen, mit Geld, mit humanitärer Unterstützung.»

Klitschko sieht im russischen Angriffskrieg auch weiter die Hauptstadt der Ukraine in Gefahr. «Kiew war ein Ziel und Kiew bleibt ein Ziel.» Putin sage, dass er das ganze ehemals russische Territorium beanspruche: «Sein Interesse endet auch nicht in Kiew und an der Grenze zu Polen. Er wird so weit gehen, wie wir es ihm erlauben.» Er fügte hinzu: «Der Krieg wird auch an die Tür der Deutschen klopfen».


Papst: Ukraine-Krieg nicht zu Gewohnheit werden lassen

ROM: Papst Franziskus hat die Menschen aufgerufen, den Krieg in der Ukraine nicht zur Normalität werden zu lassen. «Bitte, gewöhnen wir uns nicht an diese tragische Wirklichkeit. Beten und kämpfen wir für den Frieden», sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche am Sonntag vor zahlreichen Gläubigen und Besuchern auf dem Petersplatz in Rom nach dem traditionellen Angelus-Gebet. Er denke weiter an das vom Krieg betroffene ukrainische Volk. «Die Zeit, die vergeht, möge unseren Schmerz und unsere Sorge für diese gemarterten Leute nicht erkalten lassen», forderte der 85 Jahre alte Argentinier.

Außerdem bat Franziskus die Menschen in der zentralafrikanischen Demokratischen Republik Kongo und dem angrenzenden Südsudan für die Absage seiner Reise um Entschuldigung. Er habe den für Anfang Juli geplanten Besuch dort wegen Problemen an seinem Bein verschieben müssen. «Ich bitte euch um Entschuldigung dafür», sagte der Pontifex. Er hoffe mit der Hilfe Gottes und der ärztlichen Behandlung so bald wie möglich dorthin reisen zu können. «Wir sind zuversichtlich», so Franziskus.


Tschechien gedenkt Nazi-Massaker von Lidice vor 80 Jahren

LIDICE: Mit einem offiziellen Gedenkakt ist in Tschechien der Zerstörung des Dorfes Lidice durch die nationalsozialistischen Besatzer vor 80 Jahren gedacht worden. Regierungschef Petr Fiala und weitere hochrangige Politiker legten am Sonntag am Ort der Gräueltat Kränze nieder. Das Gedenken stand in diesem Jahr im Schatten des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. «Leider gibt es heute in der Ukraine Hunderte und Tausende Lidice», sagte nach Angaben der Agentur CTK der Botschafter Kiews in Prag, Jewhen Perebyjnis.

In einem Racheakt nach dem Attentat auf SS-Führer Reinhard Heydrich wurden am 10. Juni 1942 in Lidice 173 Männer und Jungen erschossen. Die Frauen und Kinder der Bergarbeitersiedlung wurden verschleppt oder in Konzentrationslagern ermordet. Insgesamt verloren 340 Bewohner von Lidice, das knapp 20 Kilometer westlich von Prag liegt, ihr Leben.

«Ohne das Attentat auf Heydrich und die Opfer von Lidice hätten wir unsere Freiheit möglicherweise nicht zurückerlangt», betonte Dominik Kardinal Duda, der scheidende katholische Erzbischof von Prag. Er überreichte Perebyjnis ein Marienbildnis, das für eine Kirche im zerstörten Kiewer Vorort Butscha bestimmt ist.


Russlands Militär beschießt Waffenlager im Westen der Ukraine

MOSKAU: Die russischen Streitkräfte haben eigenen Angaben zufolge ein großes Waffenlager bei Ternopil im Westen der Ukraine angegriffen. «Hochpräzise seegestützte Kalibr-Langstreckenraketen haben in der Nähe des Ortes Tschortkiw in der Region Ternopil ein großes Lager mit Panzerabwehrraketensystemen, tragbaren Flugabwehrraketensystemen und Artilleriegeschossen zerstört», teilte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Sonntag mit. Dabei habe es sich um Waffen gehandelt, die die USA und europäische Länder der Ukraine geliefert hätten. Laut Verteidigungsministerium wurden vier Kalibr-Langstreckenraketen von einer Fregatte im Schwarzen Meer aus abgefeuert.

Nach Angaben des Leiters der Gebietsverwaltung Ternopil, Wolodymyr Trusch, schlugen kurz vor 22.00 Uhr Ortszeit (21.00 MESZ) vier Raketen in ein militärisches und mehrere zivile Objekte ein. Unter anderem seien vier Wohnhäuser beschädigt worden. 22 Menschen wurden demnach verletzt. Über Tote wurde nichts bekannt. Aus Trusch gab an, die Raketen seien aus Richtung des Schwarzen Meeres gekommen.

Wie der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums weiter mitteilte, sind an der Front bei Luftangriffen mehr als 150 ukrainische Soldaten getötet worden, außerdem wurden sechs Panzer, fünf Artilleriegeschütze und zehn Armeefahrzeuge zerstört. Zwei ukrainische Kampfflugzeuge vom Typ Su-25 wurden demnach von russischen Kampfjets abgeschossen, eine weitere ukrainische SU-25 wurde von der Luftabwehr getroffen. Unabhängig sind diese Angaben nicht zu überprüfen.


Russen bereiten sich auf Krieg bis Oktober vor

WASHINGTON: Das russische Militär bereitet sich nach Einschätzung des ukrainischen Militärgeheimdienstes auf einen längeren Krieg vor. Die Planung der russischen Streitkräfte sei für 120 weitere Tage bis Oktober 2022 verlängert worden, berichteten die Militärexperten des US-amerikanischen Institute for the Study of the War (ISW) am Samstag (Ortszeit) unter Berufung auf Informationen von Geheimdienst-Vizedirektor Wadym Skibizkij. Das russische Militär werde seine Pläne abhängig vom Erfolg im Donbass aber weiter anpassen, dies geschehe nahezu monatlich.

Die Informationen deuteten nach Einschätzung des ISW darauf hin, dass der Kreml nicht daran glaubt, seine Ziele in der Ukraine schnell erreichen zu können. Es handele sich um einen Versuch des russischen Militärs, anfängliche Mängel der Offensive zu korrigieren.

Skibizkij sagte zudem, dass die russischen Streitkräfte über weitere 40 Kampfbataillone verfügten. 103 Bataillone seien bereits in der Ukraine. Nach Ansicht der Experten vom ISW ist es aber angesichts des Personalmangels an der Front unwahrscheinlich, dass das russische Militär einen so großen Teil seiner Streitkräfte in Reserve halte. Es handele sich möglicherweise um zusammengewürfelte Einheiten.


Polens Grenzschutz zählt vier Millionen Einreisen aus der Ukraine

WARSCHAU: Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine hat der polnische Grenzschutz vier Millionen Einreisen aus dem Nachbarland registriert. Am Samstag kamen 24.900 Menschen über die Grenze nach Polen, wie die Behörde am Sonntag per Twitter mitteilte. In die umgekehrte Richtung überquerten am Samstag 28.000 Menschen die Grenze aus Polen in die Ukraine. Dabei handelte es sich nach Angaben der Behörden zum Großteil um ukrainische Staatsbürger. Sie reisen meist in Gebiete, die die ukrainische Armee zurückerobert hat.

Es gibt keine offiziellen Angaben, wie viele der Kriegsflüchtlinge in Polen geblieben und wie viele in andere EU-Staaten weitergereist sind. Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki sagte kürzlich, sein Land habe mehr als zwei Millionen Ukraine-Flüchtlinge aufgenommen.

Die Ukraine hatte vor dem russischen Einmarsch am 24. Februar mehr als 44 Millionen Einwohner. Polen und die Ukraine verbindet eine mehr als 500 Kilometer lange Grenze.


«Historisch»: Von der Leyen über Beschluss zu Ukraine-Zukunft in EU

KIEW: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat mit Blick auf den anstehenden Beschluss über die Zukunft der Ukraine in der EU von historischen Entscheidungen gesprochen. «Ich hoffe, dass wir in 20 Jahren, wenn wir zurückblicken, sagen können, dass wir das Richtige getan haben», sagte die deutsche Spitzenpolitikerin auf der Rückreise von einem Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew vor Journalisten. Die Herausforderung werde sein, aus dem EU-Gipfel am 23./24. Juni mit einer einheitlichen Position hervorzugehen, «die die Tragweite dieser historischen Entscheidungen widerspiegelt».

Von der Leyen war am Wochenende nach Kiew gereist, um mit Präsident Wolodymyr Selenskyj unter anderem noch offene Punkte des Aufnahmegesuchs der Ukraine zu erörtern. Ihre Behörde will Ende der Woche ihre Empfehlung darüber veröffentlichen, ob das Land, das sich seit dem 24. Februar gegen einen russischen Angriffskrieg wehrt, den Status als EU-Kandidat bekommen sollte. Auf dieser Grundlage müssen dann die EU-Staaten einstimmig darüber entscheiden, wie es weitergeht.

Die Ukraine habe in den vergangenen Jahren viel erreicht, sagte von der Leyen auf dem Rückweg nach Polen. Jedoch bleibe noch viel zu tun. «Unsere Empfehlung wird das sorgfältig widerspiegeln.» Sie bekräftigte, dass der Weg in die EU bekannt und leistungsabhängig sei.


Steinmeier für Einführung eines sozialen Pflichtdiensts

BERLIN: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier regt die Einführung eines sozialen Pflichtdiensts für junge Menschen in Deutschland an. «Es geht um die Frage, ob es unserem Land nicht gut tun würde, wenn sich Frauen und Männer für einen gewissen Zeitraum in den Dienst der Gesellschaft stellen», sagte Steinmeier der «Bild am Sonntag». Das müsse nicht bei der Bundeswehr sein, «die soziale Pflichtzeit könnte meiner Meinung nach genauso bei der Betreuung von Senioren, in Behinderteneinrichtungen oder in Obdachlosenunterkünften geleistet werden». Dies so einzuführen werde sicherlich nicht einfach, eine Debatte über eine soziale Pflichtzeit halte er aber in jedem Fall für angebracht.

Wie lange ein solcher Dienst aus seiner Sicht dauern sollte, ließ Steinmeier offen: «Ich habe bewusst Pflichtzeit gesagt, denn es muss kein Jahr sein. Da kann man auch einen anderen Zeitraum wählen.» Wichtig sei, den eigenen Horizont zu erweitern und verschiedene Sichtweisen kennenzulernen. «Gerade jetzt, in einer Zeit, in der das Verständnis für andere Lebensentwürfe und Meinungen abnimmt, kann eine soziale Pflichtzeit besonders wertvoll sein. Man kommt raus aus der eigenen Blase, trifft ganz andere Menschen, hilft Bürgern in Notlagen. Das baut Vorurteile ab und stärkt den Gemeinsinn.»

Die Wehrpflicht war 2011 nach 55 Jahren ausgesetzt worden, was praktisch einem Ende des Wehr- und Zivildienstes gleichkam. Der russische Angriff auf die Ukraine löste eine neue Debatte über die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht aus. Politiker aus Union und SPD forderten eine Diskussion über einen solchen Schritt, der Wehrdienst und soziale Dienste vereint.


Selenskyj: Ukraine braucht moderne Luftabwehr-Systeme

KIEW: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Westen abermals um die Lieferung moderner Luftabwehr-Systeme ersucht. Seit der russischen Invasion im Februar seien ukrainische Städte von gut 2600 feindlichen Raketen getroffen worden, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache am Sonntag. «Das sind Leben, die hätten gerettet werden können, Tragödien, die hätten verhindert werden können - wenn die Ukraine erhört worden wäre.» Dabei habe das Land bereits vor dem Krieg um moderne Luftabwehr-Systeme gebeten, die bereits vor Jahren hätten geliefert werden können, sagte Selenskyj.

In den umkämpften ostukrainischen Gebieten versuchten die russischen Truppen weiterhin, in Richtung von Städten wie Bachmut, Slowjansk und Lysytschansk vorzustoßen, sagte Selenskyj. In der strategisch wichtigen Stadt Sjewjerodonezk werde «buchstäblich um jeden Meter gekämpft». Nach Angaben vom Samstag kontrollierten ukrainische Truppen zu diesem Zeitpunkt rund ein Drittel der Stadt.

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