Ukraine-Krise: Aktuelles Geschehen am Samstag

Foto: epa/dpa
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«Bild am Sonntag»: Scholz will vor G7-Gipfel nach Kiew reisen

BERLIN: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will nach Informationen der «Bild am Sonntag» vor dem G7-Gipfel Ende Juni nach Kiew reisen. Er plane den Besuch mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem italienischen Regierungschef Mario Draghi, berichtete die Zeitung am Samstag unter Berufung auf französische und ukrainische Regierungskreise. Ein Sprecher der Bundesregierung wollte den Bericht am Samstagabend nicht kommentieren.

Seit Kriegsbeginn sind bereits zahlreiche Staats- und Regierungschefs nach Kiew gereist, um ihre Solidarität mit dem von Russland angegriffenen Land zu demonstrieren. Scholz hatte zuletzt gesagt, er würde nur dorthin reisen, wenn konkrete Dinge zu besprechen wären. Die Ukraine hofft darauf, dass die EU sie bei ihrem Gipfeltreffen am 23. und 24. Juni - unmittelbar vor dem G7-Gipfel vom 26. bis 28. Juni - zum EU-Beitrittskandidaten erklärt.


Russland will Urteile des Menschenrechtsgerichtshofs nicht beachten

MOSKAU: Russland will sich nicht mehr an Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte halten. Ein entsprechendes Gesetz unterzeichnete Präsident Wladimir Putin am Samstag, wie die Agentur Tass meldete. Demnach werden Urteile, die nach dem 15. März ergangen sind, nicht mehr ausgeführt.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Sitz im französischen Straßburg gehört zum Europarat. Gemeinsam setzen sich die von der Europäischen Union unabhängigen Organe für den Schutz der Menschenrechte in den 47 Mitgliedstaaten ein. Russland und die Ukraine waren ursprünglich beide Mitglieder des Europarats. Das Gremium hatte Russlands Mitgliedschaft am 25. Februar in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine zunächst suspendiert. Nachdem der Kreml am 15. März seinen Austritt erklärt hatte, wurde Russland endgültig aus dem Europarat ausgeschlossen.


Mindestens 287 Kinder seit Kriegsbeginn getötet

KIEW: Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sind nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft in Kiew mindestens 287 Kinder getötet worden. Mehr als 492 wurden verletzt, wie die Behörde am Samstag mitteilte. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass zusätzlich zu den bereits bekannten Fällen in der Stadt Mariupol 24 weitere Kinder durch den wahllosen Beschuss vom russischen Militär ums Leben gekommen seien. Diese Zahlen seien nicht vollständig, da die Ermittlungen in den zurzeit umkämpften und den zeitweise von Russland besetzten und nun von der Ukraine zurückgewonnenen Gebieten noch anhielten.

Durch Bombardierungen und Beschuss seien 1971 Schulen und Bildungseinrichtungen beschädigt worden, hieß es in dem Bericht der Generalstaatsanwaltschaft weiter. Davon seien 194 vollständig zerstört. Die Angaben lassen sich unabhängig nicht überprüfen.


Scholz sieht neue Dynamik für EU-Aufnahmeprozess des Westbalkans

SOFIA: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht nach seiner Reise durch mehrere Staaten des Westbalkans eine neue Dynamik für die Verhandlungen über die angestrebte Aufnahme in die Europäische Union. «Der Berlin-Prozess, in dem seit vielen Jahren versucht wird, diese Entwicklung voranzubringen, wird neu belebt werden», sagte er am Samstag in Sofia zum Abschluss seiner Besuche im Kosovo, in Serbien, Nordmazedonien und Bulgarien. «Alle haben mich dazu aufgefordert. Wir werden dieser Forderung entsprechen.»

Scholz sieht infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine auch eine neue Bereitschaft bei vielen EU-Mitgliedsstaaten, «dass sie diesen Weg des westlichen Balkans in die Europäische Union aktiver unterstützen als das viele Jahre lang der Fall war».

Der Kanzler sagte, es gebe viele Probleme auch zwischen den Ländern in der Region. «Die sind bekannt. Aber es sind keine unüberwindbaren Probleme.» Er habe sich in den Gesprächen darum bemüht, «dazu beizutragen, dass alle zueinander kommen». Dies sei auch möglich. Der Kanzler betonte, «dass all die vielen Einwände, die sich da wechselseitig über viele Jahre hin aufgebaut haben, weggepackt werden müssen, so dass man zueinander kommt».

Das gelte für das Verhältnis von Nordmazedonien und Bulgarien ebenso wie für die Beziehungen zwischen dem Kosovo und Serbien. «Auch dort ist klar, dass es nur einen gemeinsamen Weg geben kann. Und ich habe den Eindruck, dass wir Fortschritte erreicht haben.» Es könne nicht irgendwer in Brüssel oder in Berlin entscheiden, was richtig sei, sagte Scholz. «Wir können nur einen ganz starken Beitrag leisten, Prozesse, die jahrelang blockiert waren, zu entblockieren, dafür zu sorgen, dass neue Dynamik in die Dinge kommt. Und das scheint mir gelungen zu sein.»


Familie von zum Tode verurteilten Briten am Boden zerstört

LONDON: Die Familie eines von prorussischen Separatisten zum Tode verurteilten Briten hat sich schockiert über das Urteil in der selbst ernannten Donezker Volksrepublik gezeigt. Das britische Außenministerium teilte am Samstag im Auftrag der Angehörigen mit, die ganze Familie des 48-Jährigen sei «am Boden zerstört und betrübt über den Ausgang des illegalen Schauprozesses durch die sogenannte Volksrepublik Donezk».

Als ukrainischer Einwohner und unter Vertrag stehender Marinesoldat sollten ihm alle Rechte eines Kriegsgefangenen gemäß der Genfer Konvention gewährt werden, hieß es nach Angaben der Nachrichtenagentur PA in der Erklärung. Dazu zähle auch eine vollständig unabhängige Rechtsvertretung.

Das Oberste Gericht der separatistischen Donezker Volksrepublik (DVR) hatte am Donnerstag drei ausländische Kämpfer in den Reihen der ukrainischen Streitkräfte als Söldner zum Tode verurteilt. Darunter waren zwei Briten und ein Marokkaner. Die beiden Briten waren Mitte April in der südostukrainischen Hafenstadt Mariupol von prorussischen Kräften gefangen genommen worden. Beide hatten laut Medienberichten schon vor dem Krieg in der Ukraine gelebt und auch dort geheiratet.


WHO hat keine Bestätigung von Cholera-Ausbruch in Mariupol

GENF: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht ein hohes Risiko für einen Cholera-Ausbruch in der von russischen Angreifern schwer zerstörten ukrainischen Stadt Mariupol. «Die WHO hat aber bislang keine Meldung von Verdachtsfällen oder bestätigten Fällen erhalten», sagte eine Sprecherin am Samstag in Genf. Die WHO sei selbst nicht in Mariupol, aber in engem Kontakt mit Partnern vor Ort.

Cholera ist eine lebensgefährliche Durchfallerkrankung, die meist durch das Trinken von etwa durch Fäkalien verschmutztem Wasser übertragen wird.

Das britische Verteidigungsministerium und der vom russischen Militär aus Mariupol vertriebene Bürgermeister Wadym Boitschenko hatten bereits von einzelnen Cholerafällen in der Stadt gesprochen. Russland kontrolliert die Hafenstadt nach wochenlanger Belagerung und heftigem Beschuss. Ukrainische Behörden berichten von zahlreichen ungeborgenen Leichen in der Stadt. Sie schätzten die Zahl der dort getöteten Zivilisten noch vor der russischen Eroberung auf bis zu 20.000.

Die WHO habe vorsorglich Tests und Medikamente bereitgestellt, um auf einen möglichen Ausbruch schnell zu reagieren, sagte die Sprecherin. Ebenso helfe sie Behörden in der Ukraine, den Einsatz von Cholera-Impfstoffen sowie Aufklärungsmaterial für die Bevölkerung vorzubereiten.


Selenskyj: Ukrainische Mitgliedschaft entscheidend für EU-Zukunft

KIEW: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Entscheidung über eine EU-Mitgliedschaft seines Landes als wegweisend für ganz Europa bezeichnet. «Eine positive Antwort der Europäischen Union auf den ukrainischen Antrag zur EU-Mitgliedschaft kann eine positive Antwort auf die Frage sein, ob es überhaupt eine Zukunft des europäischen Projekts gibt», sagte der ukrainische Staatschef am Samstag bei einem Besuch von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Kiew.

Bei der Abwehr des seit Ende Februar andauernden russischen Angriffskriegs habe das ukrainische Volk «bereits einen riesigen Beitrag zur Verteidigung der gemeinsamen Freiheit geleistet», sagte Selenskyj.

Kiew sei dankbar für das kürzlich verabschiedete sechste Sanktionspaket gegen Russland, sagte er. «Doch der Krieg geht leider weiter, daher ist ein siebtes Sanktionspaket erforderlich, das noch stärker sein sollte.». Dieses sollte alle russischen Beamten und Richter treffen, die für den Krieg arbeiteten, forderte Selenskyj. Zudem müssten ausnahmslos alle russischen Banken sanktioniert werden. Der ukrainische Staatschef sprach sich zudem für einen kompletten Verzicht der EU auf russische Energieträger sowie für ein Wiederaufbauprogramm für sein Land aus.


Scholz begrüßt von der Leyens Kiew-Reise

SOFIA: Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Reisen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und zweier Bundesminister nach Kiew begrüßt. «Diese Reisen begrüße ich alle», sagte der SPD-Politiker am Samstag während seiner Balkan-Reise in der bulgarischen Hauptstadt Sofia. Sie seien für ihn nicht überraschend und machten alle einen Sinn. Das sei auch der Maßstab für solche Reisen. Auf die Frage, ob und wann er selbst in die Ukraine reisen werde, antwortete der Kanzler nicht.

Von der Leyen ist am Samstag zu Gesprächen über den EU-Beitrittsantrag der Ukraine in Kiew eingetroffen. Die deutsche Spitzenpolitikerin wollte in der Hauptstadt des von Russland angegriffenen Landes mit Präsident Wolodymyr Selenskyj und Ministerpräsident Denys Schmyhal noch offene Punkte des Aufnahmegesuchs erörtern. Kurz zuvor waren Agrarminister Cem Özdemir und Gesundheitsminister Karl Lauterbach in der Ukraine.

Scholz hatte seinen Antrittsbesuch bei Selenskyj in Kiew vor Kriegsbeginn absolviert. Er hat immer wieder betont, dass er nur nach Kiew reisen werde, wenn ganz konkrete Dinge zu besprechen seien.


Deutschland zeigt bei Panzer-Lieferung keinen guten Willen

WARSCHAU: Polen hat der Bundesregierung mangelndes Engagement bei der versprochenen Lieferung von Panzern vorgeworfen. «Die Gespräche sind ins Stocken geraten. Man sieht keinen guten Willen, hoffen wir, dass sich das ändert», sagte der Chef des Nationalen Sicherheitsbüros beim Präsidenten, Pawel Soloch, am Samstag dem Sender Radio Rmf.fm. Die Verteidigungsministerien seien dazu im Kontakt.

Man habe in Berlin darum gebeten, Panzer zu erhalten, mit denen Panzer ersetzt werden sollen, die Polen an die Ukraine abgegeben hat, sagte Soloch. «Die deutsche Militärhilfe - sei es für die Ukraine oder sei es die Unterstützung von Ländern, die diese Hilfe leisten - bleibt hinter den Erwartungen zurück.»

Polen unterstützt sein Nachbarland mit Panzern des sowjetischen Typs T-72. Warschau hat bereits deutlich gemacht, dass es dafür Ausgleich von Nato-Partnern erwartet, auch von Deutschland. Ein großer Teil des Panzerarsenals in den polnischen Streitkräften bestehe aus deutschen Panzern vom Typ Leopard.


«Selenskyj wollte nicht hören» - Kiew verstimmt nach Biden-Äußerung

KIEW/LOS ANGELES: Die politische Führung in Kiew hat verstimmt auf Äußerungen von US-Präsident Joe Biden reagiert, wonach der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vor Kriegsbeginn die von Russland ausgehende Gefahr nicht ernst genug genommen haben soll. Bei einer Fundraiser-Veranstaltung am Freitagabend in Los Angeles hatte Biden gesagt, es habe bereits vor dem 24. Februar Beweise dafür gegeben, dass Kremlchef Wladimir Putin die Ukraine überfallen wolle. Dann fügte er hinzu: «Es gab keinen Zweifel. Und Selenskyj wollte es nicht hören - viele Leute wollten es nicht.»

«Die Phrase «wollte nicht hören» bedarf sicherlich einer Erläuterung», sagte am Samstag der ukrainische Präsidentensprecher Serhij Nykyforow. Selenskyj habe die internationalen Partner immer wieder dazu aufgerufen, präventiv Sanktionen zu verhängen, um Russland zu einem Abzug der damals bereits in der Grenzregion zur Ukraine stationierten Truppen zu zwingen, sagte Nykyforow der Onlinezeitung Liga.net. «Und hier kann man schon sagen, dass unsere Partner «uns nicht hören wollten»», sagte er.


Von der Leyen zu Gesprächen über EU-Beitrittsantrag in Kiew

KIEW: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist am Samstag zu Gesprächen über den EU-Beitrittsantrag der Ukraine in Kiew eingetroffen.

Die deutsche Spitzenpolitikerin wollte mit Präsident Wolodymyr Selenskyj unter anderem noch offene Punkte des Aufnahmegesuchs erörtern. Die EU-Kommission wird voraussichtlich kommenden Freitag ihre Einschätzung dazu veröffentlichen, ob der Ukraine der Status als Kandidat für einen EU-Beitritt gewährt werden sollte.


Ukrainischer Generalstab: Kämpfe um Sjewjerodonezk halten an

KIEW: Die Kämpfe um die Großstadt Sjewjerodonezk in der Ostukraine halten nach Angaben des ukrainischen Militärs weiter an. Die russische Armee habe die zivile Infrastruktur in der Stadt sowie im benachbarten Lyssytschansk und drei weiteren Orten beschossen, teilte der Generalstab der ukrainischen Armee am Samstag per Facebook mit. Die ukrainischen Soldaten seien dabei, sich Angriffen der Russen in Sjewjerodonezk zu widersetzen. In dem Vorort Metelkino sei ein Angriff erfolgreich abgewehrt worden, die russische Armee habe sich zurückgezogen, hieß es in dem Lagebericht. In einem weiteren Vorort hielten die Kämpfe an. Unabhängig sind die Angaben nicht zu überprüfen.

Die strategisch wichtige Industriestadt Sjewjerodonezk ist die letzte Großstadt im Gebiet Luhansk, die sich noch nicht vollständig unter russischer und prorussischer Kontrolle befindet. Gekämpft wird um sie bereits seit Wochen.


Agentur: Mehr als 800.000 Neurussen in vergangenen Jahren im Donbass

MOSKAU: In den ostukrainischen Separatistengebieten haben laut russischer Nachrichtenagentur Tass in den vergangenen drei Jahren mehr als 800.000 Menschen die russische Staatsbürgerschaft auf vereinfachtem Weg erhalten. Nur knapp ein Prozent der Anträge von Bewohnern der selbst ernannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk sei abgelehnt worden, meldete Tass am Samstag unter Berufung auf das Innenministerium in Moskau. Kremlchef Wladimir Putin hatte im April 2019 ein Dekret erlassen, dem zufolge Ukrainer im Donbass leichter russische Staatsbürger werden können.

Die vielen Neurussen dienen dem Kreml Kritikern zufolge als Instrument, um seinen Einfluss in der Ostukraine auszuweiten. Auch Gebiete, die Russlands Truppen seit Kriegsbeginn Ende Februar dieses Jahres besetzt haben, sollen auf diesem Weg enger an Moskau gebunden werden. So wurde etwa am Samstag in den Regionen Cherson und Saporischschja Angaben der von Russland eingesetzten Verwaltungen zufolge mit dem Verteilen von Pässen begonnen. Auch der russische Rubel soll dort als Zahlungsmittel eingeführt werden.

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