Ukraine-Krise: Aktuelles Geschehen am Freitag

Foto: epa/dpa
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Blinken: Putins Krieg ist Fallstudie für strategisches Versagen

HELSINKI: US-Außenminister Antony Blinken hat dem russischen Präsidenten Wladimir Putin völliges strategisches Versagen beim Angriffskrieg gegen die Ukraine vorgeworfen. Es stehe außer Frage, dass Russland heute in militärischer, wirtschaftlicher und geopolitischer Hinsicht deutlich schlechter dastehe als vor dem Einmarsch in die Ukraine, sagte Blinken am Freitag in einer Rede im Rathaus der finnischen Hauptstadt Helsinki. Putin habe Russlands Macht und Einfluss damit auf Jahre hin erheblich geschwächt. Russland sei heute isolierter auf der Weltbühne als jemals zuvor.

Blinken war in dieser Woche erst nach Schweden, dann nach Norwegen und weiter nach Finnland gereist, wo er am Freitag die scheidende Regierungschefin Sanna Marin und Außenminister Pekka Haavisto traf.

In seiner Rede betonte er, dass Putin zwei Jahrzehnte dafür verwendet habe, das russische Militär zu einer modernen Streitkraft zu machen. Der Kreml habe dabei oft behauptet, das zweitstärkste Militär der Welt zu haben, und viele hätten dies geglaubt. Heute betrachteten viele das russische Militär als das zweitstärkste - in der Ukraine. Von der Ausrüstung über die Führung und Strategie bis hin zur Moral sei Russlands Vorgehen «eine Fallstudie im Versagen», sagte Blinken. Darüber hinaus sei die russische Wirtschaft heute ein Schatten ihrer selbst und nur ein Bruchstück davon, was sie hätte werden können, hätte Putin statt in Waffen und Krieg besser in Technologien und Innovationen investiert.


China fordert Ende der Waffenlieferungen im Ukraine-Krieg

PEKING: China fordert ein Ende der Waffenlieferungen ins Kampfgebiet in der Ukraine. Nach der Rückkehr von seinen Gesprächen zur Lösung des Konflikts sagte der chinesische Sonderbeauftragte Li Hui am Freitag in Peking, weder Russland noch die Ukraine hätten nach seinem Eindruck die Tür für Verhandlungen zugeschlagen. «Wir sollten aufhören, Waffen ins Schlachtfeld zu schicken, ansonsten werden wir nur das Risiko einer Eskalation der Spannungen erhöhen», zitierte ihn das chinesische Staatsfernsehen. Es müsse einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen geben.

Den russischen Angriff auf die Ukraine verurteilte Li Hui allerdings weiter nicht. Der Sonderbotschafter warnte vor den Auswirkungen des Krieges auf die nukleare Sicherheit, Nahrungsmittelversorgung und humanitäre Fragen. Li Hui hatte seit Mitte Mai Deutschland, Russland, die Ukraine, Polen, Frankreich und EU-Vertreter in Brüssel besucht, um über den Konflikt zu reden. Während seiner diplomatischen Mission wenig Erfolgsaussichten eingeräumt werden, dienten seine Gespräche auch dazu, Kritik an Chinas Unterstützung für Russland abzuwehren.

Seit der Invasion vor mehr als einem Jahr gibt China dem russischen Präsidenten Wladimir Putin politisch Rückendeckung und stellt die USA und die Nato als die Hauptverantwortlichen des Konfliktes dar. Auch kritisiert die Führung in Peking die Waffenlieferungen der westlichen Staaten an die Ukraine, die aus ihrer Sicht «Öl ins Feuer» gießen.


Gouverneur: Zwei Frauen in russischer Grenzregion getötet

BELGOROD: In der an die Ukraine grenzenden russischen Region Belgorod sind Angaben des Gouverneurs zufolge zwei Frauen durch Beschuss getötet worden. Die beiden seien am Freitag in ihrem Auto unweit der Stadt Schebekino unterwegs gewesen, als Splitter von Geschützen ihr Fahrzeug trafen, schrieb Wjatscheslaw Gladkow auf Telegram. Zwei Männer seien schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht worden. Gladkow machte für die Angriffe die ukrainische Armee verantwortlich. Unabhängig überprüfen ließ sich das zunächst nicht. Angriffe mit Drohnen und Explosionen hatten zuvor auch die Regionen Kursk, Brjansk, Smolensk und Kaluga gemeldet.

Immer wieder bekennen sich zu solchen Anschlägen auch zwei paramilitärische russische Freiwilligenbataillone. Die Gruppierungen namens «Russischer Freiwilligenkorps» und «Legion Freiheit Russlands» kämpfen zwar aktuell aufseiten der Ukraine, bestehen aber aus russischen Nationalisten.

Russland, das vor mehr als 15 Monaten einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine begonnen hat, beklagte in den vergangenen Wochen zunehmenden Beschuss des eigenen Staatsgebiets. Opferzahlen und Schäden stehen dabei allerdings in keinem Verhältnis zu den Kriegsfolgen in der Ukraine, wo seit Beginn der russischen Invasion Tausende Zivilisten getötet wurden.


«Sme»: Macrons Haltung zu Ukraine und EU ist widersprüchlich

BRATISLAVA: Die liberale slowakische Tageszeitung «Sme» hinterfragt am Freitag die außenpolitische Strategie des französischen Präsidenten Emmanuel Macron:

«Macrons geopolitisches Konzept hebt sich vom allgemeinen Konsens ab. Einerseits äußert er sich jetzt eindeutig proukrainisch, andererseits war er der einzige westliche Führer, der auch nach Russlands Überfall auf die Ukraine noch mit (Wladimir) Putin telefonierte. Und kein anderer EU-Politiker sagte, Russland solle nicht so besiegt werden, dass es sich erniedrigt fühle. Seine nunmehrige Feststellung, die Antwort auf Russlands Aggression habe die Stärke der Nato bewiesen, widerspricht vollkommen seinen vor gar nicht so langer Zeit abgegebenen Äußerungen über den «klinischen Hirntod der Nato».

Wenn es um die Ukraine geht, hat sich Macron dem einvernehmlichen Ziel angeschlossen, dass deren Platz in der EU sei. Und das, obwohl gerade Frankreich jegliche EU-Erweiterung - auch um die Länder des Westbalkans - stets an die Bedingung einer vorherigen Reform der grundlegenden EU-Verträge knüpft. (...) Sein Einfluss zeigt sich an der sogenannten Europäischen Politischen Gemeinschaft EPG, die soeben in Moldau zusammentraf. Sie ist sein Kind und wird als Möglichkeit einer Zusammenarbeit zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern der EU positiv gesehen. Aber es gibt auch Spekulationen, die EPG habe Macron vor allem als zweitrangigen Ersatz für jene Länder vorbereitet, die Frankreich nicht in die EU hinein lässt.»


London: Russland in Dilemma wegen Angriffen auf russisches Gebiet

LONDON: Die russische Militärführung steckt nach Ansicht britischer Geheimdienstexperten in einem Dilemma wegen der wiederholten Angriffe «proukrainischer Partisanen» auf russisches Territorium. Moskau müsse sich entscheiden, ob es die Verteidigung der eigenen Grenzregion verstärke oder die Stellungen in den besetzten Gebieten der Ukraine, hieß es in dem täglichen Geheimdienstbericht des Verteidigungsministeriums in London am Freitag.

Ein erneuter Angriff durch «Partisanen» in der Region Belgorod nahe der Grenze zur Ukraine sei am Donnerstag zwar rascher eingedämmt worden als zuvor, doch habe Russland eigenen Angaben zufolge dafür auf den vollen Umfang militärischer Feuerkraft auf seinem eigenen Staatsgebiet zurückgegriffen. Dazu gehörten demnach auch Kampfhubschrauber und schwere Raketenwerfer. Moskau macht die Ukraine für die Angriffe verantwortlich, Kiew weist das jedoch zurück.

Das Verteidigungsministerium in London veröffentlicht seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Moskau wirft London eine Desinformationskampagne vor.


Kiew erneut mit Dutzenden Drohnen und Marschflugkörpern angegriffen

KIEW: Russland hat seine Angriffswelle auf die ukrainische Hauptstadt Kiew fortgesetzt. In der Nacht zum Freitag habe die russische Armee insgesamt 15 Marschflugkörper und 18 Kampfdrohnen auf Kiew abgefeuert, teilte das ukrainische Militär am Morgen mit. Alle Flugkörper seien von der ukrainischen Luftverteidigung abgefangen worden.

Auch der Chef der Kiewer Militärverwaltung, Serhij Popko, sprach von insgesamt rund 30 feindlichen Objekte, die zerstört worden seien. Über mögliche Opfer, etwa durch herabfallende Trümmerteile, war zunächst nichts bekannt.

Russland, das seit mehr als 15 Monaten einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt, beschießt Kiew derzeit besonders heftig. Im Mai etwa waren innerhalb eines Monats so viele Raketen, Marschflugkörper und Drohnen auf Kiew abgefeuert wie noch nie seit Kriegsbeginn. Bei einem der jüngsten Angriffe in der Nacht zum Donnerstag wurden auch mehrere Menschen getötet, darunter ein Kind.


Kölner Museum Ludwig zeigt Ukrainische Moderne

KÖLN: Das Kölner Museum Ludwig zeigt von diesem Samstag an (3.6.) bis 24. September eine große Ausstellung über ukrainische Kunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Zu sehen sind etwa 80 Gemälde und Papierarbeiten, die zwischen 1900 und 1930 entstanden. Die Ausstellung war in ähnlicher Form bereits in Madrid zu sehen und wandert von Köln aus weiter nach Brüssel, Wien und London. Sie umfasst zahlreiche Leihgaben aus dem Nationalen Kunstmuseum der Ukraine in Kiew, ergänzt durch Werke aus den Beständen des Museums Ludwig und aus Privatsammlungen. In der Ausstellung geht es auch um die politisch brisante Frage, inwieweit die Russische Avantgarde eigentlich als Ukrainische Moderne betrachtet werden müsste.

Erweitert wird die Ausstellung durch einen Beitrag der 1987 in Charkiw geborenen Künstlerin Daria Koltsova. Sie präsentiert eine monumentale Glasinstallation, die der Frage nachgeht, wie das kulturelle Erbe der Ukraine angesichts des russischen Angriffskriegs geschützt werden kann.

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