Ukraine-Krise: Aktuelles Geschehen am Freitag

Foto: epa/dpa
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Selenskyj: Russland stiftet mit Pipelines nur Unruhe

KIEW: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland vorgeworfen, seine Gaspipelines zur Erpressung zu nutzen. Als Beispiel verwies er am Freitagabend auf die Ankündigung des russischen Gaskonzerns Gazprom, die Belieferung Deutschlands über die Leitung Nord Stream 1 Ende August für drei Tage einzustellen. Ohne FDP-Vize Wolfgang Kubicki zu nennen, sprach Selenskyj zugleich von «absurden Äußerungen» in Deutschland, Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen.

«Russland braucht diese Pipelines nur, um in Europa Probleme zu schaffen, nicht um mit Gas zu helfen», sagte er in Kiew. Je schneller sich die europäischen Staaten unabhängig von russischer Energie machten, desto eher würden sie ruhig durch die Winter kommen.

Kubicki hatte am Freitag gefordert, russisches Gas durch die fertige, aber brachliegende Leitung Nord Stream 2 zu beziehen. Dafür wurde er allseitig kritisiert, denn die Pipeline gilt als Moskauer Instrument, Deutschland abhängiger von Russland zu machen.

Der ukrainische Präsident sprach in seiner Videobotschaft die Bewohner der ständig unter russischem Beschuss liegenden Städte an. Selenskyj nannte Charkiw, Mykolajiw, die Städte im Donbass und den Gebieten Dnipropetrowsk und Saporischschja. Die Ukraine werde jeden dieser Angriffe vergelten, versprach er. Die Städte würden wieder aufgebaut. «Das Wort Ruinen wird man niemals auf die Ukraine, auf unsere Städte anwenden.»


USA schicken Drohnen und weitere Militärhilfe in die Ukraine

WASHINGTON: Die US-Regierung hat angekündigt, der von Russland angegriffenen Ukraine weitere Militärhilfe in Höhe von rund 775 Millionen US-Dollar (rund 772 Millionen Euro) bereitzustellen. Das geplante Hilfspaket soll unter anderem 15 Überwachungsdrohnen vom Typ ScanEagle, 40 minengeschützte Fahrzeuge und 16 Panzerhaubitzen umfassen, wie das US-Verteidigungsministerium am Freitag mitteilte. Damit erhöht sich die US-Militärhilfe für die Ukraine seit Beginn der Amtszeit von US-Präsident Joe Biden auf insgesamt 10,6 Milliarden US-Dollar (rund 10,56 Milliarden Euro).

Es ist nach Pentagon-Angaben das 19. Mal, dass das US-Verteidigungsministerium seit August 2021 Ausrüstung aus eigenen Beständen an die Ukraine liefert. «Wie Präsident Biden deutlich gemacht hat, werden wir die Ukraine bei der Verteidigung ihrer Demokratie so lange unterstützen, wie es nötig ist», hieß es in einer Mitteilung des Pentagons. Die USA würden auch weiterhin mit ihren Verbündeten zusammenarbeiten, um die ukrainischen Soldaten so auszustatten, damit sie den sich entwickelnden Anforderungen auf dem Schlachtfeld gerecht würden.


Russische Flugabwehr wieder über der Krim aktiv

SEWASTOPOL: Die russische Flugabwehr hat am Freitagabend erneut angeblich Drohnen über der annektierten Halbinsel Krim abgeschossen. Als Orte wurden Sewastopol, der Heimathafen der russischen Schwarzmeerflotte, und der Badeort Jewpatorija genannt. «Wie viele andere Einwohner haben ich Explosionen über dem Zentrum gehört», schrieb der Verwaltungschef von Sewastopol, Michail Raswoschajew, auf Telegram. «Vermutlich Drohnen. Die Ziele wurden vernichtet.»

Nicht verifizierte Videos in sozialen Netzwerken, die angeblich in Jewpatorija gefilmt wurden, zeigten Leuchtspuren von Flugabwehrfeuer über der Stadt. «Die Krim ist unter verlässlichem Schutz», erklärte Oleg Krjutschkow, ein Berater der Krim-Führung.

Auf ähnliche Weise waren am Abend zuvor angebliche Drohnen über der Stadt Kertsch und dem Militärflugplatz Belbek bei Sewastopol abgeschossen worden. Beobachter schlossen nicht aus, dass die Ukrainer damit vor möglichen Angriffen die russische Luftabwehr testen wollten. In der Nähe von Jewpatorija im Westen der Krim hatte es vergangene Woche verheerende Explosionen auf dem Fliegerhorst Saki gegeben, bei dem zahlreiche russische Kampfflugzeuge zerstört wurden.


Ukrainer spenden ihrer Armee bessere Satellitenbilder

KIEW: Dank einer Spendenkampagne bekommt die ukrainische Armee schnellen Zugriff auf hochgenaue Satellitenbilder. Die Kombination der Aufklärungsbilder mit modernen Waffen eröffne den Streitkräften neue Möglichkeiten im Kampf gegen Russland, schrieb Verteidigungsminister Olexij Resnikow am Freitag auf Facebook.

«Nehmen wir an, dass bald jede HIMARS, M270 oder MARS II sowie jede Waffe oder selbstfahrende Waffe mit hochpräzisen Projektilen in der Lage sein wird, den Feind effektiver zu zerstören.» Die genannten Waffensysteme sind Mehrfachraketenwerfer mit hoher Reichweite. Mit ihnen hat die Ukraine schon in den vergangenen Wochen russische Munitionsdepots weit hinter der Front bekämpft.

Laut Vertrag mit dem finnischen Anbieter ICEYE darf die ukrainische Regierung rund um die Uhr einen Radarsatelliten nutzen, der auch bei Nacht oder Wolken Bilder liefert. Das Geld stammt aus einer Spendenkampagne in der Ukraine, die der Fernsehmoderator Serhij Prytula gestartet hatte. Bislang kamen nach Medienberichten etwa 600 Millionen Griwna (16,2 Millionen Euro) zusammen, mit denen eigentlich türkische Bayraktar-Kampfdrohnen gekauft werden sollten. Als deren Hersteller die Drohnen spendete, wurde stattdessen die Satelliten-Nutzung gekauft.


Putin und Macron befürworten Inspektion von ukrainischem AKW

MOSKAU/PARIS: Russlands Präsident Wladimir Putin und sein französischer Kollege Emmanuel Macron haben sich für eine Inspektion des von Russland besetzten südukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja durch internationale Experten ausgesprochen. In einem Telefonat hätten die beiden Staatschefs bekräftigt, dass Vertreter der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) die Lage vor Ort bewerten sollten, teilte der Kreml am Freitag mit.

Russland sichere die «erforderliche Mithilfe» zu, hieß es. Der Élyséepalast teilte darüber hinaus mit, Macron habe «seine Besorgnis über die Risiken, die die Situation im Kraftwerk Saporischschja für die nukleare Sicherheit und Sicherung darstellt», betont.

Die russische und die ukrainische Führung machen sich seit Tagen gegenseitig für den Beschuss des größten Atomkraftwerks in Europa verantwortlich. Russland lehnt zudem internationale Forderungen ab, die eigenen Truppen von dem AKW-Gelände abzuziehen, das diese im Zuge des seit rund einem halben Jahr andauernden Kriegs gegen die Ukraine erobert haben. Mit Blick auf einen Besuch internationaler Atom-Experten hatte es zuletzt Uneinigkeiten zu den Anreisemodalitäten gegeben.

Putin und Macron sprachen laut Kreml auch über die geplante Aufklärungsmission nach Oleniwka im von Russland eroberten Teil der Ostukraine, wo Ende Juli rund 50 ukrainische Kriegsgefangene in einem Lager getötet worden waren. Auch hier betonte Moskau, kooperationsbereit zu sein. Von den Vereinten Nationen hieß es allerdings zuletzt, dass an den nötigen Zusicherungen, die einen sicheren Zugang gewährleisteten, noch gearbeitet werden müsse. Für den Angriff auf Oleniwka geben sich Moskau und Kiew ebenfalls gegenseitig die Schuld.


Moskau warnt erneut vor Katastrophe um Atomkraftwerk Saporischschja

TASCHKENT: Moskau hat erneut vor einer Katastrophe um das von russischen Truppen besetzte ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja gewarnt. Das ukrainische Militär beschieße das AKW mit von den USA gelieferten Waffen, sagte der Sekretär des russischen nationalen Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew, der Agentur Interfax zufolge am Freitag in der usbekischen Hauptstadt Taschkent. «Wenn es zu einer Katastrophe kommt, dann werden die Folgen in allen Ecken der Welt zu spüren sein. Die Verantwortung dafür werden Washington, London und ihre Handlanger tragen», sagte er auf einer Sitzung der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO).

Die russische und die ukrainische Führung machen sich seit Tagen gegenseitig verantwortlich für den Beschuss des größten Atomkraftwerks in Europa. Sie warnen immer wieder auch vor der Gefahr einer Nuklearkatastrophe. Russland lehnt internationale Forderungen ab, das AKW zu entmilitarisieren - offiziell mit der Begründung, dass die Regierung in Kiew wegen des Krieges nicht für die Sicherheit der Atomanlagen sorgen könne.

Die Kriegsparteien hatten auch vor möglichen Provokationen um das AKW für Freitag gewarnt. Es gab aber zunächst keine neuen Meldungen über den Beschuss der Kraftwerksanlagen. Die Lage um das AKW ist gespannt. Geplant ist, dass sich Experten der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) bald ein Bild von der Lage im Kraftwerk machen. Ein Termin steht allerdings nicht fest. Russlands Vertreter bei den internationalen Organisationen in Wien, der Diplomat Michail Uljanow, meinte am Freitag, dass es womöglich Anfang September zu der IAEA-Reise in die Ukraine kommen könnte.

Der Westen bereite sich auf einen offenen militärischen Konflikt mit Russland vor, behauptete Patruschew in Taschkent. Dabei wird im Westen immer wieder betont, zwar Waffen an die Ukraine zu liefern, sich aber nicht in einen Krieg mit Russland hineinziehen zu lassen. Patruschew warf dem Westen vor, in der Ukraine nach dem Sturz des moskaufreundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch 2014 ein «Marionetten-Regime» für eine gegen Russland gerichtete Politik errichtet zu haben. Kremlchef Wladimir Putin hatte am 24. Februar den russischen Einmarsch in die Ukraine befohlen - auch mit der Begründung, in der Ukraine neue Machtverhältnisse anzustreben.


Prorussische Separatisten: Weitere Orte im Donezker Gebiet erobert

DONEZK: Gemeinsam mit russischen Truppen haben prorussische Separatisten eigenen Angaben zufolge im ostukrainischen Gebiet Donezk weitere Ortschaften besetzt. Die Siedlungen Sajzewe und Datscha nördlich der Stadt Horliwka seien erobert worden, teilten die Separatisten am Freitag auf Telegram mit. Damit seien in Donezk bislang insgesamt 270 Siedlungen unter russische Kontrolle gebracht worden, hieß es. Unabhängig überprüfbar war das zunächst nicht. Der ukrainische Generalstab hatte sich zuletzt am Mittwoch zu Sajzewe geäußert und betont, alle russischen Angriffsversuche dort seien «abgewürgt» worden.

Nach der Eroberung des benachbarten Gebiets Luhansk Anfang Juli konzentrieren sich Russlands Truppen in der Ostukraine seit Wochen auf Donezk. Experten zufolge kommen sie dabei allerdings eher schleppend voran.

Laut ukrainischem Generalstabsbericht vom Freitag nahmen russische Truppen nördlich von Slowjansk ihre Vorstöße in Richtung Barwinkowe wieder auf. Gekämpft wurde demnach ebenso östlich und südöstlich der Nachbarstädte Bachmut und Soledar sowie nördlich der Großstadt Donezk.


USA geben acht gebrauchte Militärhubschrauber an Tschechien ab

PRAG: Die USA geben acht gebrauchte Militärhubschrauber an den Nato-Partner Tschechien ab. Das habe sie bereits im April bei ihrem Besuch in Washington vereinbart, sagte die tschechische Verteidigungsministerin Jana Cernochova am Donnerstagabend im öffentlich-rechtlichen Fernsehen CT. Die US-Botschaft in Prag bestätigte ihre Angaben später beim Kurznachrichtendienst Twitter. Demnach handelt es sich um sechs Kampfhubschrauber vom Typ Bell AH-1Z Viper sowie zwei Mehrzweckhubschrauber vom Typ Bell UH-1Y Venom. Für die Kosten der Modernisierung und den Transport muss Tschechien indes selbst aufkommen.

Die Regierung in Prag hatte bereits früher den Kauf von zwölf neuen Hubschraubern dieser US-Baureihen für umgerechnet rund 592 Millionen Euro beschlossen. Die ersten Maschinen sollen bereits im kommenden Jahr eintreffen. Sie ersetzen unter anderem ältere Hubschrauber sowjetischer Konstruktion des Typs Mil Mi-24, die Tschechien Medienberichten zufolge inzwischen an die Ukraine abgegeben hat. Offiziell äußert sich die Regierung in Prag nicht zu Details der Rüstungslieferungen an das von Russland angegriffene osteuropäische Land.


Schwere Angriffe auf Charkiw : Zahl der Toten steigt auf 21

CHARKIW: Rund einen Tag nach schweren russischen Raketenangriffen auf die ostukrainische Metropole Charkiw ist die Zahl der Toten Angaben aus Kiew zufolge auf 21 gestiegen. Zugleich seien neun weitere Menschen aus den Trümmern eines Wohnheimes gerettet worden, teilte der ukrainische Zivilschutzdienst am Freitag bei Telegram mit. In der Nacht zum Donnerstag war Charkiw von massiven Angriffen erschüttert worden, zwei Wohnheime und das Kulturhaus der Eisenbahn wurden dabei zerstört.

Neben den vielen Toten sollen auch mehrere Dutzend Menschen verletzt worden sein. Russlands Verteidigungsministerium bestätigte am Freitag lediglich Angriffe auf Ortschaften außerhalb Charkiws, die nur militärischen Zielen gegolten hätten.

Kiew berichtete unterdessen auch von fünf toten und zehn verletzten Zivilisten im weiter unter ukrainischer Kontrolle stehenden Teil des Nachbargebiets Donezk. Im von Russland kontrollierten Teil wiederum sollen örtlichen Medien zufolge fünf Zivilisten getötet und weitere 23 verletzt worden sein. Die Angaben beider Seiten lassen sich oft nicht unabhängig überprüfen.

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