Ukraine-Krise: Aktuelles Geschehen am Freitag

Foto: epa/dpa
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Selenskyj-Berater: Bisher etwa 10.000 ukrainische Soldaten getötet

KIEW: Etwa 10.000 Soldaten der ukrainischen Armee sind nach Angaben eines Beraters von Präsident Wolodymyr Selenskyj seit der russischen Invasion im Februar getötet worden. Die Zahl fiel am Freitag in einem der regelmäßigen Youtube-Videointerviews des Präsidenten-Vertrauen Olexij Arestowytsch mit dem russischen Oppositionellen Mark Feygin.

Diese Woche hatte Verteidigungsminister Olexij Resnikow gesagt, dass aktuell täglich bis zu 100 ukrainische Soldaten getötet würden. Arestowytsch sagte darüber hinaus, dass auf ukrainischer Seite auch zu Beginn des Krieges rund 100 Militärangehörige pro Tag gestorben seien. Auf Feygins Frage, ob man also von rund 10.000 getöteten Soldaten insgesamt ausgehen könne, antwortete er: «Ja, so in etwa».

Weder von der Ukraine, noch von Russland gab es bisher erschöpfende Angaben zu den Verlusten in dem am 24. Februar begonnenen Krieg. Laut Arestowytsch werden dauerhaft mehr russische als ukrainische Soldaten getötet. Am Freitag seien die Angriffe der ukrainische Artillerie mit westlicher Munition besonders effizient gewesen, sagte er und nannte die Schätzung von rund 600 getöteten russischen Soldaten.

Mit Blick darauf appellierte der Selenskyj-Berater an den Westen, viel schneller Waffen und Munition zu liefern. Die ukrainische Regierung sei zwar für die bisherige Hilfe sehr dankbar, ohne die man vermutlich bereits hinter den Dnepr-Fluss zurückgedrängt worden wäre. Er verstehe aber die Langsamkeit bei den Lieferungen nicht. Um die russische Aggression zurückzuschlagen, brauche die Ukraine unter anderem schnell mehr Artillerie-Feuerkraft, betonte Arestowytch. Wie von Militärexperten erwartet spielt die Artillerie in der umkämpften Ost-Ukraine eine größere Rolle als beim zurückgeschlagenen russischen Vormarsch zur Hauptstadt Kiew.


Russland scheitert vorerst mit Wahl in UN-Wirtschafts- und Sozialrat

NEW YORK: Angesichts des Ukraine-Kriegs haben eine Reihe von Staaten Russlands sicher geglaubte Wahl in den Wirtschafts- und Sozialrat (Ecosoc) der Vereinten Nationen zunächst verhindert. In fünf Wahlgängen verfehlte Russland am Freitag in New York die nötige Zweidrittel-Mehrheit - anders als 17 weitere Länder. Zugleich trat Nordmazedonien in der Entscheidung um den letzten noch freien Platz überraschend zu Kampfabstimmungen gegen Russland an.

Diplomatenangaben zufolge gibt es ein konzertiertes Vorgehen vor allem westlicher Staaten unter Führung der USA. Damit solle die Missbilligung von Moskaus Angriffskrieg in der Ukraine zum Ausdruck gebracht werden, hieß es.

Der Ecosoc-Rat besteht aus 54 Staaten, die jeweils für drei Jahre gewählt werden - im Unterschied beispielsweise zum UN-Sicherheitsrat, wo Russland einen Ständigen Sitz hat. Jedes Jahr werden 18 der Mitglieder ausgetauscht. Dieses Jahr war eigentlich nicht mit Gegenkandidaturen gerechnet worden. Die UN-Regularien sehen nun vor, solange Abstimmungen durchzuführen, bis ein Land eine Zweidrittel-Mehrheit bekommt. Das könnte sich bis nächste Woche hinziehen.


Russland händigt in ukrainischem Gebiet russische Pässe aus

MOSKAU: Russland setzt seine Versuche fort, besetzte ukrainische Gebiete enger an sich zu binden. In den von russischen Truppen kontrollierten Teilen der Region Saporischschja sollen von Samstag an russische Pässe ausgehändigt werden. Die Empfänger würden danach als vollwertige Bürger Russlands betrachtet, sagte ein Mitglied der Besatzungsbehörden, Wladimir Rogow, am Freitag dem Fernsehsender Rossija-24. Rogow zufolge haben in dem Gebiet mehr als 70.000 Menschen Anträge gestellt.

Präsident Wladimir Putin hatte im Mai das Verfahren für den Erhalt russischer Pässe vereinfacht. Russland verteilt sie auch in anderen besetzen Gebieten und führt dort auch den Rubel als Zahlungsmittel ein. Ukrainische Behörden werfen den Besatzern vor, Menschen in die russische Staatsbürgerschaft zu drängen und befürchten eine Annexion der besetzten Gebiete.


Russland verlässt Welttourismusorganisation

MOSKAU: Russland hat sich aus der Welttourismusorganisation (UNWTO) verabschiedet. Eine entsprechende Anordnung der Regierung wurde am Freitag in Moskau veröffentlicht. Russlands Mitgliedschaft in der Sonderorganisation der Vereinten Nationen war bereits Ende April wegen des Angriffskriegs in der Ukraine von der UN-Generalversammlung suspendiert worden. Kurz zuvor hatte Moskau schon den Rückzug aus der UNWTO angekündigt. Begründet wurde dies mit einer «Politisierung» der Organisation.

Der UNWTO mit Sitz in Madrid gehören mehr als 150 Staaten an. Erklärtes Ziel ist die Entwicklung eines verantwortlichen, nachhaltigen und allgemein zugänglichen Tourismus. Dabei soll besonderes Augenmerk auf die Interessen von Entwicklungsländern gelegt werden.


Estland bestellt wegen Putin-Äußerungen Botschafter ein

TALLINN: Estland hat aus Protest gegen Äußerungen von Kremlchef Wladimir Putin zur Geschichte des baltischen Landes den russischen Botschafter einbestellt. Der russische Präsident hatte in einer Rede eine Anspielung auf die Eroberung der Stadt Narva im 18. Jahrhundert gemacht. Das estnische Außenministerium in Tallinn sprach am Freitag von «völlig inakzeptablen» Äußerungen.

Putin hatte am Donnerstag den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit dem Großen Nordischen Krieg unter Zar Peter I. verglichen und von einer Rückholaktion russischer Erde gesprochen. Peter I. habe das Gebiet um die heutige Millionenstadt St. Petersburg nicht von den Schweden erobert, sondern zurückgewonnen. Gleiches gelte in ähnlicher Weise auch für Narva, das direkt an der Grenze zur Russland liegt.

Mit knapp 60.000 Einwohnern ist Narva drittgrößte Stadt des EU- und Nato-Mitglieds Estland. Viele Einwohner haben russische Wurzeln.


Bolsonaro wehrt sich gegen Kritik an Abholzung im Amazonasgebiet

LOS ANGELES: Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro hat Kritik an der Abholzung des Regenwalds im Amazonasgebiet zurückgewiesen. «Wir sind eines der Länder, das seine Umwelt und seine Wälder am meisten schützt», sagte der rechtspopulistische Staatschef am Freitag beim Gipfel der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in Los Angeles. «84 Prozent des Amazonasgebiets sind intakt. Dort haben wir die größte Artenvielfalt der Welt.» Kein anderes Land habe solch umfassende Umweltgesetze. Der weitaus größte Teil des Amazonaswaldes liegt in Brasilien.

Umweltschützer kritisieren Bolsonaro dafür, nicht genug gegen die Abholzung zu unternehmen. Sie werfen ihm vor, ein gesellschaftliches Klima geschaffen zu haben, in dem sich Bauern auch zur illegalen Landnahme ermutigt fühlen. Zudem hat er Umwelt- und Kontrollbehörden geschwächt. In seiner Amtszeit nahm die Abholzung deutlich zu. Der Präsident sieht im Amazonasgebiet vor allem ungenutztes wirtschaftliches Potenzial. Er will noch mehr Flächen für Landwirtschaft, Bergbau und Energiegewinnung erschließen.

Angesichts einer drohenden Lebensmittelknappheit aufgrund des Ukraine-Kriegs betonte Bolsonaro die Bedeutung seines Landes für die Produktion von Nahrungsmitteln. «Wir ernähren eine Milliarde Menschen. Ohne unsere Landwirtschaft würde die Hälfte der Menschheit hungern», sagte er beim Amerika-Gipfel. «Nur 27 Prozent unserer Fläche werden für Viehzucht und Landwirtschaft genutzt. Wir brauchen das Amazonasgebiet nicht, um unsere Agrarindustrie voranzutreiben.»


Obama: Unterstützung für Ukraine muss stark und langanhaltend sein

KOPENHAGEN: Der frühere US-Präsident Barack Obama hat zu einer langanhaltenden Unterstützung für die Ukraine aufgerufen. Man erlebe einen Krieg, der an die dunkelste Geschichte Europas erinnere, aber auch einen heldenhaften Widerstand des ukrainischen Volkes gegen die russische Aggression, sagte er am Freitag auf dem Kopenhagener Demokratie-Gipfel der von Ex-Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen gegründeten Stiftung Alliance of Democracies.

Wegen des Mutes der Ukrainer und der Solidarität der Welt schaffe es Russlands Präsident Wladimir Putin nicht, seine Ziele in der Ukraine und darüber hinaus zu erreichen, sagte Obama. Der Krieg sei jedoch weit von einem Ende entfernt, die Geschehnisse schwer vorherzusagen. «Unsere Unterstützung für die Ukraine muss stark, standhaft und nachhaltig bleiben, bis dieser Konflikt gelöst ist.»

Zugleich wies Obama in seiner Rede in der dänischen Hauptstadt darauf hin, dass es viele weitere Konflikte auf der Erde gebe. «Putins Gesetzlosigkeit geschieht nicht isoliert. Auf allen Kontinenten erleben wir einen demokratischen Rückfall.» Auf allen Kontinenten verschärften Autokraten die Unterdrückung, sie nähmen Minderheiten ins Visier und missachteten das Völkerrecht. Genauso verstörend sei es, dass populistische Töne auch in Demokratien Anführer nach oben gespült hätten, die dann nach Amtsantritt versuchten, demokratische Institutionen systematisch zu untergraben.

Die Frage sei, wie man darauf reagiere. Mit Selbstzufriedenheit sei es nicht getan. «Wenn wir wollen, dass die Demokratie gedeiht, dann müssen wir für sie kämpfen. Wir werden sie pflegen müssen. Wir werden ihren Wert wieder und wieder demonstrieren müssen.» Man müsse auch auf die Mängel der eigenen Demokratien schauen, um zu zeigen, was Demokratie in einer sich schnell ändernden Welt sein könne und müsse.


Slowakei repariert und modernisiert ukrainische Militärtechnik

BRATISLAVA: Die ukrainische Armee kann beschädigte Militärtechnik künftig in einer grenznahen Rüstungsfirma in der Ostslowakei reparieren lassen. Wie der slowakische Verteidigungsminister Jaroslav Nad bei einem Betriebsbesuch am Freitag der Nachrichtenagentur TASR sagte, werden die Rüstungsgüter in der Staatsfirma in Moldava nad Bodvou nicht nur repariert, sondern auch modernisiert. Grundlage dafür sei ein zwischen beiden Ländern abgeschlossener Geschäftsvertrag, erklärte Nad. Er machte keine weiteren Angaben, für welche Art von Militärtechnik die Vereinbarung gilt.

Bekannt ist die Staatsfirma Konstrukta-Defence vor allem für die von ihr produzierte Panzerhaubitze Zuzana 2, die demnächst auch an die Ukraine geliefert werden soll. Die Service- und Reparaturabteilung des Unternehmens sei vor allem auf Reparaturen von Artillerie- und Raketentechnik spezialisiert, erläuterte ihr Generaldirektor Alexander Gursky der TASR. Das Angebot, beschädigte ukrainische Militärtechnik in der Slowakei zu erneuern, hatte Verteidigungsminister Nad dem Nachbarland schon kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs unterbreitet.

Am Mittwoch hatte Nad in einer Zwischenbilanz auf der Homepage seines Ministeriums mitgeteilt, dass die Slowakei der Ukraine seit Kriegsausbruch bereits Waffenhilfe im Wert von 154 Millionen Euro gewährt habe. Nachdem das Nato-Land der Ukraine unter anderem sein einziges Raketenabwehrsystem geschenkt hat, ist derzeit die Übergabe von Kampfflugzeugen des sowjetischen Typs MiG-29 in Vorbereitung.


Osteuropas Nato-Länder: Russland künftig klar als Bedrohung benennen

BUKAREST: Angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine sind die osteuropäischen Nato-Staaten dafür, dass das westliche Militärbündnis in seinem neuen strategischen Konzept Russland klar als Bedrohung benennt. Man wünsche sich einen entsprechenden Beschluss beim nächsten Nato-Gipfeltreffen in Madrid Ende Juni, wie das Rumäniens Staatspräsident Klaus Iohannis am Freitag bei einem Gipfeltreffen der neun östlichen Nato-Staaten in Rumäniens Hauptstadt Bukarest sagte. Die Staaten begrüßen überdies den geplanten Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands. Dies würde die Abschreckunsgwirkung sowie die Ostflanke der Allianz stärken, sagte Iohannis weiter.

Zudem wünschen sich die neun Staaten, dass die Nato die Kampfgruppen im Osten des Bündnisgebiets verstärkt, wie Iohannis' polnischer Kollege Andrzej Duda sagte. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg wurde zu der Sitzung per Video zugeschaltet, da er aus gesundeitlichen Gründen seine ursprünglich geplante Teilnahme abgesagt hat.

Iohannis und Duda waren Gastgeber des Treffens der osteuropäischen Nato-Staaten im so genannten «Format Bukarest 9» (B9), das auf Initiative Polens und Rumäniens gegründet wurde und seit 2015 regelmäßig tagt. Ziel dieser Gruppe ist es, bei den Nato-Gipfeln gegenüber den westlichen Staaten gemeinsame Positionen zu vertreten. Zu B9 gehören neben den beiden Initiatoren Bulgarien, Ungarn, Tschechien, die Slowakei und die drei Balten-Staaten.


Prorussische Separatisten: Chemiefabrik in Sjewjerodonezk umzingelt

SJEWJERODONEZK: Die Chemiefabrik Azot in der schwer umkämpften ostukrainischen Stadt Sjewjerodonezk ist Angaben prorussischer Separatisten zufolge vollständig umzingelt. «Eine kleine Gruppe ukrainischer Formationen auf dem Territorium des Azot-Chemiewerks kann die Fabrik nicht mehr verlassen. Alle Fluchtwege sind für sie abgeschnitten», schrieb der Botschafter der selbst ernannten Volksrepublik Luhansk in Moskau, Rodion Miroschnik, am Freitag im sozialen Netzwerk Telegram.

Miroschnik räumte die Möglichkeit ein, dass sich auf dem belagerten Azot-Gelände weiter auch Zivilisten aufhalten könnten. Die ukrainische Seite hatte zuletzt von mehreren Hundert Menschen gesprochen, die die Fabrikkeller als Luftschutzbunker nutzten und nun festsäßen. Mehr als 90 Prozent des Luhansker Gebiets, in dem Sjewjerodonezk liegt, ist von Russland nach über drei Monaten Krieg bereits besetzt.

Die Kämpfe rund um die Chemiefabrik Azot wecken Erinnerungen an die Belagerung des Stahlwerks Azovstal in der südukrainischen Hafenstadt Mariupol. Mitte Mai ergaben sich dort die letzten rund 2400 ukrainischen Verteidiger, die sich zuvor wochenlang in den riesigen Bunkeranlagen des Werks verschanzt hatten. Sie sind nun in russischer Gefangenschaft. Viele weitere ukrainische Kämpfer überlebten die wochenlange Belagerung nicht: Nach der Eroberung von Azovstal meldete Russlands Militär Ende Mai den Fund von mehr als 150 Leichen.


Scholz legt EU-Kandidat Serbien Korrektur des Russland-Kurses nahe

PRISTINA: Wenige Stunden vor seinem Serbien-Besuch hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dem EU-Beitrittskandidaten eine Abkehr von seinem bislang engen Verhältnis zu Russland nahe gelegt. «Wer Mitglied der Europäischen Union werden will, muss das gesamte Regime, das damit verbunden ist, für sich akzeptieren», sagte er am Freitag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem kosovarischen Ministerpräsidenten Albin Kurti in Pristina. Dazu würde auch eine gemeinsame Politik gegenüber anderen Ländern gehören und somit auch jene Sanktionen, die die EU gegen Moskau wegen dessen Angriffskriegs in der Ukraine verhängt hat.

«Man nimmt es gewissermaßen mit, wenn man beitritt», führte Scholz weiter aus. Darüber solle sich auch niemand, der sich gegenwärtig im Beitrittsprozess befindet, Illusionen machen. «Es ist wichtig zu wissen: Der Weg nach Europa ist der Weg nach Europa.»

Serbien verhandelt seit 2014 um einen Beitritt zur EU. Wegen der mangelnden Reformbereitschaft der Regierung in Belgrad machen die Verhandlugen kaum Fortschritte. Zugleich pflegt Serbien ein enges Verhältnis zu Russland und China. Die EU-Sanktionen gegen Russland möchte das Balkanland derzeit nicht übernehmen, weil es dadurch seine wirtschaftlichen Interessen gefährdet sieht. Unter anderen bezieht das Land fast seinen gesamten Gasbedarf aus Russland.


Scholz: «Zeichen der Hoffnung» für EU-Perspektive des Balkans geben

PRISTINA: In der Diskussion über einen EU-Beitritt der Staaten des westlichen Balkans hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für ein optimistisches Signal an die Länder ausgesprochen. Scholz verwies am Freitag in Kosovos Hauptstadt Pristina auf die lange Dauer seit der Zusage einer solchen Perspektive vor rund zehn Jahren und die großen damaligen Hoffnungen. «Deshalb ist es ganz wichtig, ein neues Zeichen der Hoffnung und Zuversicht zu setzen», sagte Scholz nach einem Gespräch mit dem kosovarischen Ministerpräsidenten Albin Kurti. Es solle ein Zeichen sein, dass die Beitrittsperspektive ernsthaft gewollt sei und sie eine «realistische Chance» habe, wenn sich alle bemühten, die Voraussetzungen zu schaffen, sagte Scholz.

Mit Blick auf Serbien, dass trotz des Angriffs auf die Ukraine freundschaftliche Beziehungen zu Russland unterhält, betonte Scholz: «Wer Mitglied der Europäischen Union werden will, muss das gesamte Regime, das damit verbunden ist, für sich akzeptieren.» Die von der EU verhängten Sanktionen gegen Russland zählten dazu. Am Nachmittag wurde Scholz in Serbien erwartet.

Erwartet wurde, dass bei Scholz in Belgrad die Frage im Vordergrund steht, auf welcher Seite Serbien im Ukraine-Krieg stehe. Das Land will zwar Mitglied der EU werden, Sanktionen gegen Russland kommen für Serbien aber nicht in Frage.


Papst empfängt EU-Kommissionschefin von der Leyen zu Privataudienz

ROM: Papst Franziskus hat EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen zu einer Privataudienz im Vatikan empfangen. Die Politikerin und das Oberhaupt der katholischen Kirche sprachen nach Angaben des Heiligen Stuhls am Freitagvormittag rund 20 Minuten miteinander. Danach traf von der Leyen demnach noch Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin - die Nummer Zwei hinter Franziskus - und Erzbischof Paul Richard Gallagher, das ist quasi der vatikanische Außenminister.

In den Gesprächen ging es um ein Ende des Krieges in der Ukraine und um die Konsequenzen für die Nahrungsmittelversorgung wegen des anhaltenden Konfliktes, wie der Heilige Stuhl mitteilte. «Wir stehen an der Seite derjenigen, die durch die Zerstörung in der Ukraine leiden», schrieb von der Leyen im Anschluss auf Twitter. «Dieser Krieg muss enden und Frieden zurück nach Europa gebracht werden.»

Papst Franziskus schenkte der 63-Jährigen unter anderem seine diesjährige Friedensbotschaft, die Deutsche brachte unter anderem ein Buch über die Architekturschule Bauhaus mit. Von der Leyen eröffnete während ihres Rom-Besuchs am Donnerstag bereits ein Festival zum «Neuen Europäischen Bauhaus», traf Italiens Staatschef Sergio Mattarella und Roms Bürgermeister Roberto Gualtieri.


Steigende Energiepreise: Briten geben immer mehr Reptilien ab

TONBRIDGE: Wegen der steigenden Energiepreise in Großbritannien geben immer mehr Reptilien-Besitzer ihre Tiere ab. In den ersten drei Monaten dieses Jahres seien bereits mehr Reptilien zur Betreuung überlassen worden als im Gesamtjahr 2021, sagte der Chef des National Centre for Reptile Welfare (NCRW), Chris Newman, der BBC. «Finanzen sind offensichtlich das größte Problem. Die Leute haben Angst, dass sie es sich nicht mehr leisten können, die Tiere mit Wärme zu versorgen und zu füttern», sagte Newman. Eine NCRW-Studie habe ergeben, dass 80 Prozent derjenigen, die ihre Tiere abgeben, aus «wirtschaftlichen Gründen» handelten.

In Großbritannien sind die Energiekosten in der Grundversorgung zum 1. April um 54 Prozent gestiegen. Die Erhöhung war bereits vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine beschlossen worden - im Herbst wird eine weitere drastische Erhöhung erwartet.

Viele Reptilien müssen durchgehend mit energieintensiven Wärmelampen bestrahlt werden. Vor allem die Haltungskosten für Bartagamen sind sehr hoch. Hier habe es einen erheblichen Anstieg gegeben, hieß es vom NRCW mit Sitz im südostenglischen Tonbridge. In Mittelengland registrierte die Organisation Proteus Reptile Trust ebenfalls deutlich mehr abgegebene Haustiere sowie Tiere, die in Pappschachteln und außerhalb von Zoofachgeschäften abgestellt wurden. Die Tierschutzorganisation RSPCA befürchtet angesichts der steigenden Energiekosten, dass sich die Lage noch verschlimmert.


Russlands Militär beschießt Flughafen und Panzerfabrik in Ostukraine

MOSKAU: Die russischen Streitkräfte haben eigenen Angaben zufolge in der Nacht einen Flughafen und eine Panzerfabrik im Osten der Ukraine angegriffen. «Auf dem Flughafen Dnipro wurde mit hochpräzisen Boden-Luft-Raketen Luftfahrtechnik der ukrainischen Streitkräfte vernichtet, im Raum Charkiw Produktionskapazitäten zur Reparatur von Waffentechnik», sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Freitag.

An der Front seien zudem durch die russischen Luft-, Raketen- und Artillerieeinschläge insgesamt mehr als 500 ukrainische Soldaten getötet sowie 13 Panzerwagen, 9 Artilleriegeschütze, 6 Raketenwerfer und 16 Militärfahrzeuge außer Gefecht gesetzt und 16 Munitionsdepots vernichtet worden. Zudem berichtete Konaschenkow über den Abschuss von zwei Kampfjets und fünf Drohnen. Unabhängig sind diese Angaben nicht zu überprüfen.


Gouverneur: Zum Tod verurteilte Briten waren reguläre Soldaten

LUHANSK/LONDON: Die beiden von prorussischen Separatisten zum Tode verurteilten Briten in der Ukraine sind nach ukrainischen Angaben reguläre Soldaten. «Alle Leute, die kommen, um auf der ukrainischen Seite zu kämpfen, unterzeichnen Dokumente der Streitkräfte, wodurch sie einen offiziellen Status erlangen», sagte der Gouverneur des Gebiets Luhansk, Serhij Hajdaj, am Freitag dem Sender BBC Radio 4. «Deshalb unterliegen sie der Genfer Konvention, wenn sie in Kriegsgefangenschaft geraten.» Sie dürften deshalb nicht zum Tode verurteilt werden, auch wenn sie keine Ukrainer sind, sagte Hajdaj. Die Männer waren am Donnerstag gemeinsam mit einem Marokkaner als Söldner zum Tode verurteilt worden.

Das UN-Menschenrechtsbüro in Genf sprach auch von Kriegsgefangenen, die Anspruch auf Schutz hätten. «Prozesse gegen Kriegsgefangene sind Kriegsverbrechen», sagte eine Sprecherin in Genf.

Der Gouverneur sagte, seines Wissens nach hätten die Anwälte der Männer bereits gegen das Urteil des international nicht anerkannten Gerichts Berufung eingelegt. «Was geschieht, geschieht nur auf politischen Druck aus Russland», sagte Hajdaj.

Die beiden Briten im Alter von 28 und 48 Jahren hatten sich nach wochenlangen Kämpfen in der südostukrainischen Hafenstadt Mariupol prorussischen Truppen ergeben. Sie lebten laut Medienberichten schon vor dem Krieg in der Ukraine und heirateten dort auch. Die britische Außenministerin Liz Truss sprach von einem «Scheinurteil ohne jegliche Legitimität». Sie wollte bei nächster Gelegenheit mit ihrem ukrainischen Kollegen Dmytro Kuleba das Vorgehen besprechen.


Selenskyj drängt auf Tempo in ukrainischem EU-Prozess

KOPENHAGEN: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die EU zu mehr Tempo bei einem Beitritt seines Landes gedrängt. Wenn eine Umfrage zeige, dass 71 Prozent der Europäer die Ukraine als Teil der europäischen Familie betrachteten, dann frage er sich, warum es immer noch skeptische Politiker gebe, die in der Hinsicht zögerten, sagte er am Freitag in einer Videobotschaft auf dem Kopenhagener Demokratie-Gipfel der von Ex-Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen gegründeten Stiftung Alliance of Democracies.

Dem ukrainischen Volk sei so lange gesagt worden, dass es in der Grauzone zwischen der Europäischen Union und Russland bleiben müsse, kritisierte Selenskyj. Diese Grauzone, die für Russland so verlockend sei, müsse beseitigt werden. Schon in den nächsten Wochen und Tagen müsse gehandelt werden. «Die Europäische Union kann einen historischen Schritt unternehmen, der beweist, dass Worte über die Zugehörigkeit des ukrainischen Volkes zur europäischen Familie nicht bloß leere Worte sind», sagte Selenskyj.

Kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hatte Selenskyj den Beitritt zur EU beantragt. Die EU-Kommission wird voraussichtlich am kommenden Freitag ihre Empfehlung abgeben, ob der Ukraine der EU-Kandidatenstatus gewährt werden sollte. Nach der Empfehlung will der EU-Gipfel am 23. und 24. Juni über den Antrag der Ukraine beraten. Eine Entscheidung, ob der Kandidatenstatus gewährt wird, muss einstimmig von den EU-Staaten getroffen werden. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte klar gemacht, dass es keine Abkürzungen für die Ukraine auf dem Weg in die EU geben dürfe.


Asselborn verlangt mehr Solidarität bei Aufnahme von Flüchtlingen

LUXEMBURG: Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn hat sich für mehr Solidarität und Verantwortung bei der Aufnahme von Asylsuchenden aus südlichen Ländern ausgesprochen. Wenn man Millionen Menschen aus der Ukraine in die EU aufnehmen könne, müsse man auch einige Tausend aufnehmen können, die aus dem Süden kommen, die eine andere Sprache sprechen und eine andere Religion haben, sagte Asselborn am Freitag vor Beratungen mit seinen EU-Amtskollegen. «Wenn wir das nicht hinbekommen, glaube ich, sind wir nicht glaubhaft in der Europäischen Union, weder nach außen noch nach innen.»

Asselborn sagte weiter, dass Menschen, die über das Mittelmeer nach Europa flüchteten, unter denselben Bedingungen litten, wie die Menschen in der Ukraine. «Ich hoffe aber, dass auch Länder aus dem Osten, die sehr geholfen haben bei den Ukrainern, dass sie auch wissen, dass sie einige Tausend aufnehmen könnten», sagte der Luxemburger.

Er sei jedoch zuversichtlich, dass man noch vor dem Ende der französischen Ratspräsidentschaft, Ende Juni, zu einer Lösung kommen könnte. Die EU-Innenminister beraten in Luxemburg unter anderem einen neuen Solidaritäts-Mechanismus, mit dem Griechenland, Zypern, Italien, Malta und Spanien entlastet werden sollen. Andere Staaten sollen freiwillig Menschen, die dort etwa per Boot ankommen, aufnehmen können.


Lauterbach: Bieten Ukraine Hilfspaket für Verletzten-Versorgung an

BERLIN: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will der Ukraine bei seinem Besuch in dem Land an diesem Freitag ein «Hilfspaket» für die Versorgung von Kriegsverletzten anbieten. «Hier ist so viel Elend durch diesen barbarischen Angriffskrieg entstanden», sagte der SPD-Politiker im ARD-«Morgenmagazin». Er sei mit einem Team von Chirurgen und Spezialisten unterwegs, «um zu helfen bei der Versorgung von Schwerstverletzten mit Brandwunden - da wollen wir ausbilden, da wollen wir das aufbauen».

Zudem ist nach Lauterbachs Angaben Hilfe bei der Versorgung von Menschen, die Gliedmaßen verloren haben, mit Prothesen geplant. Darüber hinaus geht es auch um telemedizinische Unterstützung bei schweren Eingriffen. Lauterbach erwähnte zudem eine Geberkonferenz an diesem Freitag im westukrainischen Lwiw (Lemberg), ohne Details zu nennen.

«Wir haben immer mehr Verletzte, auch immer mehr Schwerstverletzte, wir haben immer mehr verletzte Kinder - und gleichzeitig bricht die Versorgung ein Stück weit ein, weil selbst die medizinischen Einrichtungen bombardiert werden», sagte Lauterbach. Er war in der Sendung am Freitagmorgen aus Polen zugeschaltet.

Angesprochen darauf, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) seit Beginn des russischen Angriffskriegs bislang nicht in die Ukraine gereist ist, sagte Lauterbach: «Olaf Scholz will ja, genauso wie ich das selbst tue, reisen, wenn man etwas Konkretes anbieten kann. (...) Insofern reise ich auch in seinem Namen.» Der Gesundheitsminister verwies zudem auf den Ukraine-Besuch von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) ebenfalls an diesem Freitag. Dieser helfe bei der Ernährungsversorgung in dem Land. «Wir machen hier eine humanitäre Initiative im Namen der gesamten Bundesregierung, auch im Namen von Olaf Scholz.»


Russische Truppen rücken von Südosten auf Bachmut vor

KIEW: Bei anhaltend schweren Kämpfen im Donbass sind die russischen Truppen nach ukrainischen Angaben zuletzt auf den Verkehrsknotenpunkt Bachmut vorgerückt. Sie drohen damit, den Nachschub für das Verwaltungszentrum Sjewjerodonezk abzuschneiden. «Der Feind hat in Richtung Wosdwyschenka - Roty angegriffen, teilweise Erfolg gehabt und setzt sich an den eingenommenen Stellungen fest», teilte der ukrainische Generalstab am Freitag in seinem Lagebericht mit. Die Ortschaften befinden sich nur etwa zehn Kilometer südwestlich von Bachmut. Auch die Straße von Bachmut nach Sjewjerodonezk kann von dort mit schwerem Gerät beschossen werden.

Die Kämpfe um die einstige Großstadt Sjewjerodonezk verlaufen hingegen weiter ohne größere Veränderungen. Die russischen Truppen versuchten «weiter erfolglos» die volle Kontrolle über das Verwaltungszentrum der Region Luhansk im Osten der Ukraine zu gewinnen, teilte der Generalstab mit. Auch bei anderen Gefechten rund um die Stadt seien die Angreifer zurückgeworfen worden.

In Richtung Slowjansk, einem weiteren strategischen Hauptziel der russischen Militäroperation im Donbass, ist hingegen nach den schweren Kämpfen der Vortage vorläufig Ruhe eingekehrt. Aktive Kampfhandlungen hätten in der Nacht nicht stattgefunden, teilte der ukrainische Generalstab mit. Allerdings hätten die russischen Truppen nördlich der Stadt, im Raum Sloboschanske, bis zu 30 taktische Bataillone konzentriert.

Von anderen Frontabschnitten melden die Ukrainer vorwiegend Artilleriebeschuss ohne aktives Vorgehen der russischen Bodentruppen.

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