Ukraine-Krise: Aktuelles Geschehen am Freitag

Foto: epa/dpa Fotomontage
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Kiew: Russisches Militär macht Druck auf neue Frontlinie

KIEW: Zuletzt musste das ukrainische Militär die zur Festung ausgebaute Stadt Awdijiwka räumen. Nun bröckelt auch die Frontlinie dahinter.

Russland hält nach Angaben des ukrainischen Militärs den Druck vor allem westlich und südwestlich der Industriestadt Donezk hoch. Im Raum Awdijiwka seien 20 Attacken abgewehrt worden, im Raum Nowopawliwka habe das russische Militär 25 Mal versucht, die Verteidigungslinien zu durchbrechen, teilte der ukrainische Generalstab am Freitagabend in seinem Lagebericht mit. Erst vor wenigen Wochen musste Kiew den seit Monaten umkämpften Festungsraum um Awdijiwka räumen. Nun gerät die nächste Verteidigungslinie dahinter unter Druck.

So berichtet der Generalstab von Angriffen auf die Ortschaften Berdytschi, Orliwka und Tonenke, wo sich das ukrainische Militär nach dem Rückzug aus Awdijiwka eingraben wollte.

Weiter südlich geraten nach der russischen Eroberung von Marjinka die ukrainischen Verteidiger in den Siedlungen Krasnohoriwka, Heorhijiwka und Nowomychajliwka in Bedrängnis. Die Ukraine wehrt seit inzwischen mehr als zwei Jahren den russischen Angriffskrieg ab. Zuletzt ist das Land dabei aufgrund der erlahmenden westlichen Waffenhilfe in die Defensive geraten und musste weitere Gebietsverluste hinnehmen.


Selenskyj dankt Niederlanden für neue Rüstungshilfen

CHARKIW: Der niederländische Premier Rutte besucht das von Russen zerstörte Charkiw. Der ukrainische Präsident Selenskyj bedankt sich für neue Waffen.

Nach dem Besuch des niederländischen Regierungschefs Mark Rutte hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj für die Bereitstellung weiterer Rüstungshilfe gedankt. «Heute gibt es ein neues Paket an militärischer Hilfe von den Niederlanden für unsere Soldaten», sagte Selenskyj am Freitag in seiner täglichen Videobotschaft. Er bezifferte die Waffenlieferungen auf einen Wert von zwei Milliarden Euro im laufenden Jahr. Die Videoaufnahme machte der ukrainische Präsident in der von Russlands Angriffskrieg schwer zerstörten Millionenstadt Charkiw.

Dabei betonte Selenskyj einmal mehr die Bedeutung der Flugabwehr für den Schutz des Landes. Die Niederlande helfe mit ihrer Beteiligung an der Koalition der Staaten, die Kiew F-16-Kampfjets liefere, dabei, den Himmel über der Ukraine zu sichern, sagte er. Das Rüstungspaket war Teil eines Sicherheitsabkommens, das Rutte und Selenskyj in Charkiw unterzeichneten. Für die Ukraine ist es das siebte Abkommen dieser Art mit einem westlichen Staat.

Für März versprach Selenskyj seinen Landsleuten weitere Rüstungspakete und neue Sicherheitsabkommen mit anderen Staaten. Details dazu nannte er nicht. Die Ukraine ist in ihrem nunmehr gut zwei Jahre währenden Abwehrkampf gegen die russische Invasion massiv auf westliche Unterstützung angewiesen.


Özdemir für enge Agrar-Kooperation mit Polen

WARSCHAU: Deutschland will mit der neuen Regierung in Warschau auch in Agrarfragen stärker zusammenarbeiten. Minister Özdemir spricht außerdem über ein Thema, bei dem in Polen angespannte Stimmung herrscht.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir strebt eine enge Kooperation mit Polen und Frankreich bei der künftigen Ausrichtung der europäischen Agrarpolitik an. Er wolle die Zusammenarbeit mit beiden Nachbarländern im «Weimarer Dreieck» so schnell wie möglich reaktivieren, sagte der Grünen-Politiker nach einem Gespräch mit seinem neuen polnischen Amtskollegen Czeslaw Siekierski am Freitagabend in Warschau. Es gehe etwa um Entbürokratisierung für die Bauern sowie um die Frage, wie man die EU so erweitere, «dass die Interessen unserer einheimischen Landwirte dabei angemessen berücksichtigt werden».

Özdemir warb angesichts von Bauernprotesten in Polen gegen Einfuhren von Agrarprodukten aus der Ukraine für eine Lösungssuche im Dialog. Ziel müsse sein, alles zu vermeiden, was dem Narrativ des russischen Präsidenten Wladimir Putin helfe. «Die Ukraine ist angewiesen darauf, dass sie ihre Agrarprodukte exportiert.» Die Aufgabe bestehe darin, dafür zu sorgen, dass sie vor allem im globalen Süden landeten, wo sie benötigt würden. Özdemir wies darauf hin, dass ukrainische Transporte über den Landweg nur noch 13 Prozent der Gesamtmenge ausmachten, während der Großteil über das Schwarze Meer ausgeschifft werden könne.

In Polen protestieren seit Wochen Landwirte gegen die EU-Agrarpolitik und die Einfuhr von Produkten aus der Ukraine. Sie wollen verhindern, dass billigeres ukrainisches Getreide auf ihren Markt gelangt. Nach dem russischen Angriff vor zwei Jahren hatte Brüssel alle Importzölle für Agrarprodukte aus der Ukraine ausgesetzt, um dem Land zu helfen.


Ministerium prüft, ob Kommunikation der Luftwaffe abgehört wurde

BERLIN/MOSKAU: Das deutsche Verteidigungsministerium prüft nach Vorwürfen aus Moskau, ob die Kommunikation im Bereich der Luftwaffe abgehört wurde. «Das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) hat alle erforderlichen Maßnahmen eingeleitet», teilte eine Sprecherin des Ministeriums auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur am Freitag mit. Zuvor hatten russische Medien über ein möglicherweise abgehörtes Gespräch berichtet. Darin sollen Offiziere der Bundeswehr zu hören sein, wie sie über theoretische Möglichkeiten eines Einsatzes deutscher Taurus-Raketen diskutieren.

Das russische Außenministerium forderte nach dem angeblich abgehörten Gespräch von ranghohen Bundeswehroffizieren eine Erklärung der Bundesregierung. «Versuche, um Antworten herumzukommen, werden als Schuldeingeständnis gewertet», schrieb Moskaus Außenamtssprecherin Maria Sacharowa auf ihrem Telegram-Kanal. Zugleich veröffentlichte Margarita Simonjan, die Chefin des russischen Staatssenders RT, einen Audiomitschnitt des rund 30-minütigen Gesprächs. Wie Simonjan an die Aufnahmen gekommen ist, sagte sie nicht.

In dem Mitschnitt soll es unter anderem um die Frage gehen, ob Taurus-Raketen technisch theoretisch in der Lage wären, die von Russland gebaute Brücke zur Halbinsel Krim zu zerstören. Ein weiterer Punkt im Gespräch ist demnach, ob die Ukraine den Beschuss ohne Bundeswehrbeteiligung bewerkstelligen könnte. Allerdings ist in dem Mitschnitt auch zu hören, dass es auf politischer Ebene kein grünes Licht für den Einsatz gibt.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat mehrfach betont, dass er gegen die Lieferung von Taurus-Raketen an die Ukraine ist. Er begründete dies mit der Gefahr, dass Deutschland in den von Russland begonnenen Angriffskrieg hineingezogen werden könnte.


Macron: Aussage zu Bodentruppen durchdacht

PARIS: Seine Aussagen zur Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine sorgten für Aufruhr. Einen Rückzieher macht Frankreichs Präsident Macron deswegen aber nicht.

Trotz deutlicher Kritik hält Frankreichs Präsident Emmanuel Macron an seinen Überlegungen zu Bodentruppen in der Ukraine fest. «Jedes Wort, das ich zu diesem Thema, sage, ist abgewogen, durchdacht und besonnen», sagte er bei der Eröffnung des Olympischen Dorfes in Paris dem Sender BFMTV. Weiter wollte er sich am Donnerstag dazu nicht äußern, da es nicht der Ort für «geopolitische Kommentare» sei.

Macron bezeichnete jüngst nach einer Ukraine-Hilfskonferenz den Einsatz von Bodentruppen in der von Russland angegriffenen Ukraine durch sein Land als nicht ausgeschlossen. Bei dem Treffen mit mehr als 20 Staats- und Regierungschefs, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), habe es zwar keine Einigkeit dazu gegeben, aber im künftigen Kriegsverlauf könne nichts ausgeschlossen werden, sagte Macron am Montagabend in Paris. Scholz wies den Vorstoß Macrons für eine mögliche Entsendung von Bodentruppen aus Nato-Staaten in die Ukraine zurück.


Paris wirft Moskau Anheizen von Bettwanzen-Hysterie in Frankreich vor

PARIS: Frankreichs Europaminister Jean-Noël Barrot hat Russland vorgeworfen, die große Aufregung um die Verbreitung von Bettwanzen in Frankreich im vergangenen Sommer mit angeheizt zu haben. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs hätten russischen Destabilisierungsversuche in Frankreich zugenommen. Sie hätten das Ziel, die öffentliche Unterstützung für die Ukraine zu untergraben, sagte der Minister am Freitag dem Sender TF1.

«Einige Beispiele: die Kontroverse um Bettwanzen, die in den sozialen Netzwerken von Konten, die nachweislich russisch inspiriert oder russischer Herkunft sind, künstlich verstärkt wurde, wobei sogar ein falscher Zusammenhang zwischen der Ankunft ukrainischer Flüchtlinge und der Verbreitung von Bettwanzen hergestellt wurde», sagte Barrot. «Das wurde sehr stark von Konten verstärkt, die mit dem Kreml verbunden sind.»

Im vergangenen Sommer war in Frankreich eine Hysterie um Bettwanzen ausgebrochen. Aus Zügen, Kinos und anderen Orten meldeten Menschen verstärkt vermeintliche oder tatsächliche Bettwanzen - oft begleitet von entsprechenden Fotos der Parasiten. Die Aufregung rief selbst die landesweite Politik auf den Plan, die Bettwanzen wurden zum Thema im Parlament. Nach Behördenangaben nahm die Verbreitung von Bettwanzen in den letzten Jahren tatsächlich zu. Zwischen 2017 und 2022 waren demnach geschätzte elf Prozent aller französischen Haushalte von Bettwanzen betroffen.

Als weiteres Beispiel eines russischen Destabilisierungsversuchs nannte der Minister das Besprühen von Pariser Gebäuden mit Davidsternen kurz nach dem Start des Gaza-Kriegs, wovon Fotos über die sozialen Netzwerke verbreitet wurden. Mitte Februar vereinbarte Frankreich mit Deutschland und Polen ein gemeinsames Vorgehen gegen russische Trollkampagnen und Cyberattacken. Die drei Länder seien Opfer der gleichen russischen Destabilisierungsstrategie geworden und wollten sich gemeinsam wehren, hieß es.


London: Russische Rüstungsindustrie hat Produktion stark erhöht

LONDON: Russland hat seine Rüstungsproduktion für den Angriffskrieg gegen die Ukraine nach britischer Einschätzung massiv erhöht. «Obwohl die Verteidigungsindustrie nicht in der Lage ist, den Anforderungen der russischen Operationen gegen die Ukraine vollständig gerecht zu werden, ist sie mit ziemlicher Sicherheit das gesamte Jahr 2024 über in der Lage, einen Materialvorteil gegenüber der Ukraine zu erzielen», teilte das britische Verteidigungsministerium am Freitag mit.

Die Produktionsleistung sei 2023 stark gestiegen, hieß es in London weiter. Dies sei gelungen, indem die Zahl der Beschäftigten auf 3,5 Millionen erhöht worden, Schichten ausgeweitet, bestehende Produktionslinien ausgebaut sowie ungenutzte Produktionskapazitäten wieder in Betrieb genommen worden seien. Bei einem Großteil handele es sich nicht um neue, sondern um sanierte oder modernisierte Waffen und Fahrzeuge, etwa bei den Kampfpanzern.

Die Produktion von Artilleriemunition sei 2023 deutlich gestiegen und werde auch in diesem Jahr weiter hochgefahren. «Allerdings dürfte die Munitionsproduktion aufgrund von Kapazitätsengpässen in den nächsten zwölf Monaten ihren Höhepunkt erreichen.»

Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine vor gut zwei Jahren täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Moskau wirft London Desinformation vor.

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