Ukraine-Krise: Aktuelles Geschehen am Donnerstag

Foto: epa/dpa
Foto: epa/dpa

OSZE-Staaten stoßen Untersuchung zu ukrainischen Kindern an

WIEN: Die Verschleppung ukrainischer Kinder im russischen Angriffskrieg soll im Rahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) untersucht werden. Eine Gruppe von 45 OSZE-Staaten setzte am Donnerstag in Absprache mit Kiew einen Prozess in Gang, um den Vorwürfen vor Ort nachzugehen.

Die ukrainische Regierung wirft Moskau vor, tausende Kinder illegal aus besetzten Gebieten der Ukraine nach Russland deportiert zu haben. Das Menschenrechtsbüro der OSZE hatte entsprechende Berichte im Dezember als glaubwürdig eingestuft. Moskau bestreitet Kriegsverbrechen und betont, die Kinder seien vor dem Krieg in Sicherheit gebracht worden.

Im Namen der 45 Staaten forderte Deutschlands OSZE-Botschafterin Gesa Bräutigam eine Expertenmission, die Fakten sammeln soll, um diese «nationalen, regionalen oder internationalen Gerichten oder Tribunalen» zur Verfügung zu stellen. Die Staaten lösten damit den sogenannten Moskau-Mechanismus der OSZE zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen aus.

Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag erließ Mitte März wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Laut dem Gericht ist er mutmaßlich für die Kinder-Deportationen verantwortlich.


US-Militär: Mehr als 7000 Ukrainer in vergangenen Monaten ausgebildet

WASHINGTON: Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine haben die USA nach eigenen Angaben mehr als 7000 Mitglieder der ukrainischen Streitkräfte ausgebildet. Das Training habe an verschiedenen Standorten im In- und Ausland stattgefunden, darunter in Deutschland, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Pat Ryder, am Donnerstag in Washington. Erst in den vergangenen Tagen hätten 65 Ukrainer im Bundesstaat Oklahoma ihre Ausbildung am Flugabwehrsystem Patriot abgeschlossen und seien nun wieder in Europa.

Das Patriot-System zählt zu den modernsten Flugabwehrsystemen der Welt. Damit können feindliche Flugzeuge, ballistische Raketen und Marschflugkörper bekämpft werden. Die USA und Deutschland hatten Kiew jeweils ein Patriot-System überlassen.

Auch an Standorten des US-Militärs in Deutschland wurden in den vergangenen Monaten ukrainische Soldaten trainiert. Ryder sagte, mit Stand Ende März hätten in Deutschland mehr als 4000 ukrainische Soldaten die Ausbildung an Bradley-Schützenpanzern und Radschützenpanzern des Typs Stryker abgeschlossen. Weitere kombinierte Waffentrainings liefen derzeit auf den Truppenübungsplätzen Grafenwöhhr und Hohenfels. Trainiert würden dabei 1200 ukrainische Soldaten. Auch die Schulung zur Wartung bestimmter Waffensysteme gehe weiter.

Ryder betonte, die Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte sei eine internationale Anstrengung. Derzeit würden mehr als 11.000 Ukrainer in 26 verschiedenen Ländern trainiert. Die USA und ihre Partner seien entschlossen, dies fortzusetzen und die Ukraine bei der Verteidigung ihres Landes zu unterstützen, solange dies nötig sei.


Selenskyj zieht Bilanz nach 400 Tagen Krieg

KIEW: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat am 400. Tag des Kriegs gegen Russland eine nüchterne, aber dennoch positive Bilanz gezogen. «400 Tage der Verteidigung gegen eine umfassende Aggression, dies ist ein kolossaler Weg, den wir zurückgelegt haben», sagte er am Donnerstag in seiner allabendlichen Videoansprache. Die Ukraine habe «die schlimmsten Tage» des russischen Angriffs im Februar des Vorjahres überstanden. «Wir haben auch diesen Winter überlebt», erinnerte er an die massiven russischen Luft- und Raketenangriffe gegen die Energie-Infrastruktur der Ukraine. «Hinter diesen Worten steckt eine gewaltige Anstrengung.»

Die Ukraine habe in den vergangenen Monaten mit der Rückeroberung großer Gebiete ihr Heldentum bewiesen, sagte Selenskyj. «Wir bereiten unsere nächsten Schritte, unsere neuen Aktionen vor, wir bereiten uns auf unseren baldigen Sieg vor.»

Selenskyj verwies darauf, dass die Erfolge der Ukraine auch mit Hilfe der westlichen Partner möglich wurden. «Heute, am 400. Tag des Widerstands, des umfassenden Widerstands, möchte ich allen in der Welt danken, die an der Seite der Ukraine stehen», sagte er und fuhr fort: «Die unsere Interpretation von Freiheit teilen, die unser Streben nach Gerechtigkeit unterstützten, die denselben festen Glauben haben wie wir, die Ukrainer, nämlich den Glauben, dass die Welt auf Regeln beruhen sollte, auf zivilisierten Regeln - auf den Regeln der Menschlichkeit, des Respekts und des Friedens.»


Mann erhält sieben Jahre Haft für Posts gegen Krieg in der Ukraine

MOSKAU: Ein Gericht in Moskau hat einen 63-Jährigen für zwei Anti-Kriegs-Posts in sozialen Netzwerken zu sieben Jahren Lagerhaft verurteilt. Er hatte im März des Vorjahres in zwei Kommentaren die Angriffe russischer Militärs gegen die ukrainische Hauptstadt Kiew und die Hafenstadt Mariupol verurteilt, berichtete am Donnerstag das russische Medium «Meduza», das aus Lettland arbeitet. Das Gericht habe ihn für schuldig befunden, «Fakes» über die russische Armee verbreitet zu haben.

«Während wir Kinder töten, singen wir im Ersten Kanal (des Fernsehens) Lieder; Wir, Russland, sind gottlos geworden - Herr, vergib uns», lautete ein Post des Mannes auf «WKontakt». In seinem zweiten Kommentar schrieb er «Russische Flieger bomben Kinder».

In seinem Schlusswort vor Gericht habe der Mann als Motiv für seine Kommentare angegeben, er schätze das Leben jedes Menschen. «Das Leben ist ein unbedingter Wert, der an erster Stelle stehen sollte, auch wenn das in unserem Land nicht so gesehen wird», wurde er von «Meduza» zitiert. «Ich bin so erzogen worden.»

Die russische Gesetzgebung sieht für jede beliebige Kritik an den Streitkräften oder der Kriegsführung in der benachbarten Ukraine harte Strafen vor.


Vorstandschef von Rheinmetall bei ukrainischem Präsidenten Selenskyj

KIEW: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Vorstandschef des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall, Armin Papperger, zu einem Gespräch empfangen. Dabei seien die aktuelle Zusammenarbeit und Perspektiven besprochen worden, teilte Selenskyj am Donnerstag im Nachrichtenkanal Telegram mit. Dem Staatschef zufolge soll die Partnerschaft vertieft werden, um den Bedarf der ukrainischen Streitkräfte zu decken.

Seit dem russischen Einmarsch vor über 13 Monaten hat die Ukraine vor allem Panzerfahrzeuge aus der Produktpalette von Rheinmetall erhalten. Papperger hatte zudem mehrfach von Plänen zur Errichtung einer Panzerfabrik in dem von westlicher Finanzhilfe abhängigen Land gesprochen.


Tochter malte Antikriegsbild: Vater nach Flucht verhaftet

MINSK/MOSKAU: Ein zu zwei Jahren Straflager verurteilter Vater, dessen Tochter ein Anti-Kriegs-Bild gemalt hat, ist auf seiner Flucht festgenommen worden. Der Mann sei in der Ex-Sowjetrepublik Belarus «auf Ersuchen der russischen Polizei» verhaftet worden, teilte das Innenministerium in Minsk am Donnerstag dem Portal RBK zufolge mit. Der 54-Jährige war am Mittwoch von einem russischen Gericht zu zwei Jahren Straflager verurteilt worden. Belarus dürfte als Russlands engster Verbündeter - beide Länder bilden einen Unionsstaat - den Mann ausliefern.

Offiziell drehen sich die Vorwürfe gegen den Mann um kritische Einträge in den sozialen Netzwerken. Laut Staatsanwalt hatte er dort die in der Ukraine kämpfenden russischen Truppen «wiederholt diskreditiert». Der Angeklagte bestritt die Vorwürfe und floh vor der Urteilsverkündung aus dem Hausarrest.

Für den alleinerziehenden Vater gibt es eine Welle der Solidarität in Russland. Sogar der Chef der Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, hatte gefordert, die derzeit im Heim untergebrachte Tochter und den Vater in Ruhe zu lassen. Es gebe durch die vielen russischen Kriegstoten in der Ukraine schon so viele Kinder, die ohne Vater aufwachsen müssten. Dagegen stellte Kremlsprecher Dmitri Peskow die erzieherischen Fähigkeiten des Mannes öffentlich infrage. Medien hingegen veröffentlichten einen Brief des Mädchens, das dem Vater Liebe bekundete und auf ein baldiges Zusammensein hoffte.

Den Fall ins Rollen gebracht hatte eine Zeichnung der Tochter. Als die Lehrerin die Kinder aufforderte, Bilder zur Unterstützung der russischen Streitkräfte in der Ukraine zu malen, zeichnete die damals Zwölfjährige eine russische und ukrainische Flagge, die sie mit den Slogans «Nein zum Krieg» und «Ruhm der Ukraine» versah. Die Schule rief die Polizei. Einen Tag später wurde der Vater auf die Polizeistation gebracht und eine Geldstrafe gegen ihn verhängt. Als im Winter auch kriegskritische Kommentare seiner Tochter im Internet auftauchten, durchsuchten die Behörden seine Wohnung und leiteten das Strafverfahren gegen ihn ein.


Polen will von EU-Kommission Lösung für ukrainische Getreideexporte

WARSCHAU: Polen will die EU-Kommission gemeinsam mit anderen mittelosteuropäischen Ländern auffordern, Mechanismen für den Weitertransport von ukrainischen Getreideexporten zu schaffen. «Wir können den Transport in afrikanische Länder unterstützen, aber wir müssen die Situation auf dem Markt in Polen im Auge behalten», sagte Regierungssprecher Piotr Müller am Donnerstag in Warschau.

In Polen wie auch in Bulgarien kommt es seit Tagen zu Protesten von Landwirten. Sie beklagen, dass günstige Getreideexporte aus der Ukraine zu Preiseinbrüchen geführt haben. Wenige Monate vor Beginn der Ernte gibt es zudem die Sorge, dass die Speicher mit ukrainischem Getreide gefüllt sind und diese die heimische Produktion nicht aufnehmen können.

Die Ukraine ist einer der weltweit größten Getreideexporteure. Nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hatten Polen und andere Länder in der Region angeboten, beim Transit des ukrainischen Getreides in Drittländer zu helfen, da Russland die traditionellen Handelsrouten blockierte. Doch mit dem Weitertransport hapert es.

Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki hatte bereits am Mittwoch eine Verringerung der Einfuhr ukrainischen Getreides gefordert. Das Schreiben an die EU-Kommission werde «alle möglichen Maßnahmen, einschließlich Quoten und Schutzzölle» fordern, um die Einfuhr ukrainischen Getreides nach Polen und andere Nachbarländer zu begrenzen.


Selenskyj erinnert an russischen Abzug aus Kiew vor einem Jahr

BUTSCHA/IRPIN: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat mit einem Video an den russischen Abzug aus dem Gebiet Kiew vor einem Jahr erinnert. «Ereignisse, die man sich im 21. Jahrhundert nicht vorstellen konnte, wurden in den Vororten von Kiew Butscha und Irpin zur Realität.», schrieb der 45-Jährige am Donnerstag im Nachrichtenkanal Telegram. Für viele Bewohner des Gebietes Kiew sei das vergangene Jahr zum schrecklichsten ihres Lebens geworden. Die aus dem Norden eindringenden russischen Truppen brachten «Tod und Zerstörung».

«Doch die Befreiung des Gebietes Kiew wurde zu einem Symbol dessen, dass die Ukraine in diesem Krieg gewinnen kann», so der Staatschef. In dem rückblickenden Video wurde die Zahl der zivilen Opfer um Kiew mit 1137 und allein in Butscha mit 461 angegeben. In der etwa zehn Kilometer von Kiew entfernten Kleinstadt Butscha wurde der Opfer mit einer Gedenkminute gedacht.

Russland ist vor gut 13 Monaten in die Ukraine einmarschiert und unternahm unter anderem einen Vorstoß auf die Hauptstadt Kiew. Ende März zogen sich die russischen Einheiten aus dem Gebiet Kiew zurück. Nach ihrem Abzug wurden auf einer Straße von Butscha liegende Leichen von teils gefesselten Zivilisten zu einem weltweiten Symbol für russische Kriegsverbrechen.


Starker Anstieg Schutzsuchender durch Ukraine-Krieg

WIESBADEN: Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat im vergangenen Jahr zu einem starken Anstieg der Schutzsuchenden in Deutschland geführt.

Wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag berichtete, stieg die Zahl der registrierten Schutzsuchenden gegenüber dem Vorjahr um 1,14 Millionen Personen. Dieser höchste Zuwachs innerhalb eines Berichtsjahres seit Beginn der Statistik im Jahr 2007 sei auf die Geflüchteten aus der Ukraine zurückzuführen: Rund 1,01 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer suchten im vergangenen Jahr Schutz in Deutschland.

Schutzsuchende sind Ausländerinnen und Ausländer, die sich nach Angaben des Ausländerzentralregisters (AZR) unter Berufung auf völkerrechtliche, humanitäre oder politische Gründe in Deutschland aufhalten. Ende 2022 waren in Deutschland rund 3,08 Millionen Menschen als Schutzsuchende erfasst.

Die meisten der registrierten Schutzsuchenden verfügten über einen humanitären Aufenthaltstitel und besaßen damit einen anerkannten Schutzstatus.


London: Russische Freiwilligenrekrutierung nur vorgeschoben

LONDON: Eine geplante Rekrutierungskampagne in Russland von Freiwilligen für den Krieg gegen die Ukraine ist nach britischer Einschätzung nur ein Deckmantel für neue Zwangseinziehungen. «Es besteht die realistische Möglichkeit, dass diese Unterscheidung in der Praxis verwischt und dass regionale Behörden versuchen werden, die ihnen zugewiesenen Einstellungsziele zu erreichen, indem sie Männer zum Beitritt zwingen», teilte das Verteidigungsministerium in London am Donnerstag unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit. Russischen Medien zufolge sollen 400.000 Freiwillige angeworben werden.

Das angebliche «Freiwilligenmodell» solle Unzufriedenheit im Land möglichst minimieren, so das britische Ministerium. «Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die Kampagne 400.000 echte Freiwillige anzieht.» Notwendig sei zudem nicht nur frisches Personal. «Russland benötigt mehr Munition und Rüstungsgüter, als es derzeit zur Verfügung hat», hieß es weiter.

Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Updates zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine Desinformationskampagne vor.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.