Von der Leyen: Kräfte bündeln für verschleppte ukrainische Kinder
BRÜSSEL: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will internationale Kräfte bündeln, um die von Russland verschleppten ukrainischen Kinder zu finden. «Wir wollen gemeinsam internationalen Druck ausüben, um alle erdenklichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Aufenthaltsort der Kinder zu ermitteln», sagte von der Leyen am Donnerstag beim EU-Gipfel in Brüssel. Sie möchte dafür unter anderem mit UN-Organisationen zusammenarbeiten und eine Konferenz organisieren.
Man wisse von 16.200 deportierten Kindern, von denen bislang nur 300 zurückgekehrt seien. Von der Leyen sprach von einer «grausamen Erinnerung an die dunkelsten Zeiten unserer Geschichte» und bezeichnete die Verschleppung der Kinder als Kriegsverbrechen. Der Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin sei daher völlig gerechtfertigt.
Der Internationale Strafgerichtshof mit Sitz in Den Haag hatte vergangene Woche Haftbefehl gegen Putin wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine erlassen. Die Ermittler machen den Kremlchef für die Verschleppung von Kindern aus besetzten ukrainischen Gebieten nach Russland verantwortlich. Moskau wiederum behauptet, die Kinder vor Kampfhandlungen in Sicherheit gebracht zu haben.
Selenskyj: Leben kehrt in zerstörte Dörfer zurück
KIEW: Nach einem Besuch in der von ukrainischen Truppen im Herbst weitgehend zurückeroberten Region Cherson im Süden der Ukraine hat Präsident Wolodymyr Selenskyj ein positives Fazit gezogen. «In einigen Orten wurden mehr als 90 Prozent der Gebäude zerstört», sagte Selenskyj am Donnerstag in seiner allabendlichen Videoansprache. «Aber selbst in solche Dörfer kehren die Menschen zurück, und das ist ein Beweis dafür, dass das Leben immer noch gewinnt.» Die Ukraine werde ihr Möglichstes tun, «um unsere Territorien wieder aufzubauen».
Selbst auf den Feldern um Cherson kehre das Leben zurück. «Es ist eine Freude zu sehen, wie die von russischen Minen und Granaten geräumten Felder in der Region Cherson bebaut und wieder zum Leben erweckt werden», sagte Selenskyj. Allerdings gebe es noch genügend Felder, die mit Minen verseucht seien. «Es gibt noch genug Arbeit für unsere Pioniere und Pyrotechniker.» Doch er sei zuversichtlich, betonte Selenskyj, dass diese Gebiete von allen tödlichen Hinterlassenschaften Russlands befreit würden. «Die ganze Ukraine wird leben.»
In diesem Zusammenhang richtete Selenskyj einen besonderen Dank an Finnland. Die Regierung in Helsinki hatte am Donnerstag beschlossen, der Ukraine drei Leopard-Minenräumpanzer zu übergeben.
Selenskyj will Friedensplan-Gipfel in europäischer Hauptstadt
BRÜSSEL: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat ein Gipfeltreffen zu seinem Friedensplan in einer europäischen Hauptstadt vorgeschlagen. «Würde das nicht zu Europas globaler Stärke beitragen? Ich bin sicher, das würde es», sagte Selenskyj am Donnerstag beim EU-Gipfel in Brüssel, zu dem er per Video zugeschaltet war.
Selenskyj hatte im November beim G20-Gipfel auf Bali auch per Videoansprache einen Zehn-Punkte-Plan mit Bedingungen für einen Frieden mit Russland vorgestellt. Dazu zählen ein vollständiger Abzug russischer Truppen von ukrainischem Territorium und Reparationszahlungen. Im Dezember schlug Selenskyj ein Gipfeltreffen dazu vor, nun konkretisiert er diese Idee.
Er wäre auch bereit, den Gipfel «in naher Zukunft» in Kiew auszurichten, sagte Selenskyj. «Aber wir sind uns sehr bewusst, dass unter den derzeitigen Umständen leider viele Staats- und Regierungschefs nicht in die Ukraine kommen können», sagte er. Deswegen bitte er um die Hilfe der Europäer, diesen Gipfel zu veranstalten.
EU will Druck auf Russland erhöhen
BRÜSSEL: Die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten haben der Ukraine versprochen, härter gegen Russland vorzugehen. Die Europäische Union sei entschlossen, den kollektiven Druck auf Russland zu erhöhen, hieß es in einer am Donnerstag beim EU-Gipfel verabschiedeten Erklärung. Dies schließe auch mögliche weitere Sanktionen und Arbeiten an der bereits existierenden Preisobergrenze für russische Erdölerzeugnisse ein.
Zuletzt hatten unter anderem Länder wie Polen und Litauen eine Absenkung der Preisobergrenze gefordert, um Russlands Einnahmen aus Ölexporten noch weiter zu beschneiden.
Zugleich sagten Bundeskanzler Olaf Scholz und seine Kollegen der Ukraine auch weitere politische, wirtschaftliche, militärische, finanzielle und humanitäre Hilfe zu - solange dies nötig ist. Geplant wird zum Beispiel, in den kommenden zwölf Monaten eine Million neue Artilleriegeschosse zu liefern. Sie sollen Engpässe verhindern und den Ukrainern neue Offensiven gegen die Angreifer aus Russland ermöglichen. Wenn die Ukraine darum bittet, sollen zudem weitere Raketen geliefert werden.
Der in der vergangenen Woche ausgestellte internationale Haftbefehl gegen den russischen Staatschefs Wladimir Putin wird in der Gipfelerklärung lediglich «zur Kenntnis genommen». Als Grund für die zurückhaltende Formulierung gilt insbesondere die Haltung Ungarns. Die als vergleichsweise russlandfreundlich geltende Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban hatte vor dem Gipfel erklärt, sie wolle nicht, dass die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs in irgendeiner Weise kommentiert werde.
Baerbock will für EU-Annäherung werben
TIFLIS: Außenministerin Annalena Baerbock will an diesem Freitag in der Südkaukasusrepublik Georgien angesichts von Einflussversuchen Russlands für die weitere Annäherung an die Europäische Union (EU) werben. Zunächst ist ein Treffen mit ihrem Amtskollegen Ilia Dartschiaschwili geplant. Anschließend will die Grünen-Politikerin Ministerpräsident Irakli Garibaschwili sowie Staatspräsidentin Salome Surabischwili treffen. Zudem steht ein Besuch der EU-Beobachtermission EUMM an der Verwaltungsgrenze Georgiens zu dem abtrünnigen Gebiet Südossetien auf dem Programm.
Die EU hatte die Ukraine und deren kleinen Nachbarrepublik Moldau im Juni 2022 im Zusammenhang mit dem russischen Angriff auf die Ukraine zu Beitrittskandidaten gemacht. Georgien wurde dieser Status in Aussicht gestellt, sobald bestimmte Reformen erfüllt sind. Vor gut zwei Wochen hatte das Parlament in Tiflis nach Massenprotesten Gesetzespläne zur Einstufung ausländischer Medien und Organisationen als «Agenten» zurückgezogen, die an russische Vorbilder erinnerten.
Georgien mit seinen etwa 3,7 Millionen Einwohnern steht auch viele Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion unter dem Einfluss seines großen Nachbarn Russland. Moskau führte 2008 Krieg gegen das kleine Land am Schwarzen Meer. Bis heute unterstützt Russland die abgespaltenen georgischen Gebiete Südossetien und Abchasien und hat in der Region eigene Truppen stationiert. Die relativ russlandfreundliche Regierungspartei Georgischer Traum hat die meisten Sitze im Parlament. Größte Oppositionspartei ist die Vereinigte Nationale Bewegung des früheren Präsidenten Michail Saakaschwili, der wegen Korruptionsvorwürfen inhaftiert ist.
Seit Kriegsbeginn über 2000 Ukrainer auf Europas Kliniken verteilt
BRÜSSEL: Seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor über einem Jahr sind mehr als 2000 ukrainische Patienten in europäische Krankenhäuser gebracht worden. Die Verletzten und Kranken werden im Rahmen des EU-Katastrophenschutzverfahrens auf Kliniken in 20 europäischen Länder verteilt, wie die EU-Kommission am Donnerstag mitteilte.
«Ich bin dankbar für die EU-weite Solidarität bei der Aufnahme dieser schutzbedürftigen Patienten in Not», sagte der für das Krisenmanagement zuständige EU-Kommissar Janez Lenarcic. Dadurch werde der enorme Druck auf das ukrainische Gesundheitssystem verringert.
Die polnische Stadt Rzeszow nahe der Grenze zur Ukraine dient nach Angaben der Kommission bei der Verteilung der Kranken und Verletzten als Drehkreuz. Dort erhielten die ukrainischen Patienten rund um die Uhr Krankenpflege bevor sie weiter in Krankenhäuser in ganz Europa gebracht würden.
Auto von Estlands Außenminister fängt Feuer bei Kiew-Besuch
TALLINN: Schrecksekunde beim Besuch von Estlands Außenminister Urmas Reinsalu in der Ukraine: Bei einer Fahrt durch die Innenstadt von Kiew hat das gepanzerte Fahrzeug, das ihn und den estnischen Botschafter Kaimo Kuusk beförderte, plötzlich Feuer gefangen. «Ich saß dort mit Kaimo Kuusk auf dem Rücksitz, und auf einmal sagte Kaimo, dass irgendetwas rieche. Und dann brachen plötzlich hinter uns Flammen aus», berichtete Reinsalu auf der Regierungspressekonferenz am Donnerstag in Tallinn.
Nur mit Mühe habe das Personal von außen die Türen öffnen können, auch die Heckklappe sei blockiert gewesen. «Zum Glück gingen die hinteren Türen schließlich auf, denn das Auto hätte sich in wenigen Sekunden in eine Gaskammer verwandelt», sagte der estnische Außenminister. Verletzt wurde bei dem Vorfall am Dienstagabend in Kiew niemand. Zur möglichen Ursache des Brandes machte Reinsalu keine Angaben.
Von dem gepanzerten Fahrzeug, das dem Botschafter des baltischen EU- und Nato-Landes von der estnischen Polizei- und Grenzschutzbehörde zur Verfügung gestellt worden war, sei nur noch ein Wrack übrig. Es müsse nun geprüft werden, ob es die Ukrainer vielleicht noch in irgendeiner Weise nutzen können, sagte Reinsalu. Kuusk dagegen soll einen neuen Dienstwagen erhalten.
Slowakei übergibt Ukraine die ersten vier MiG-29
BRATISLAVA: Die Slowakei hat der Ukraine die ersten vier ihrer insgesamt 13 versprochenen Kampfflugzeuge des sowjetischen Typs MiG-29 übergeben. Das gab Verteidigungsminister Jaroslav Nad am Donnerstag in sozialen Netzen bekannt. Seine Sprecherin bestätigte der Deutschen Presse-Agentur die Information.
Die Beförderung der Flugzeuge aus der Slowakei in die Ukraine sei durch ukrainische Piloten in Zusammenarbeit mit der slowakischen Luftwaffe erfolgt, erklärte Minister Nad und fügte hinzu: «Ich danke allen beteiligten Einheiten für die phantastische Arbeit. Die Slowakei steht auf der richtigen Seite und mit dieser Geste haben wir uns in Großbuchstaben in die moderne Weltgeschichte eingetragen, wenn es um rechtzeitige Hilfe und aufrichtige Solidarität geht.»
Die restlichen neun MiG-29 will die Slowakei «im Laufe der nächsten Wochen» an die Ukraine übergeben, wie das Verteidigungsministerium der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Den Termin werde man nicht im Voraus ankündigen. Wenn die Übergabe erfolgreich gelaufen sei, werde man dies aber sogleich bekannt geben. Drei der insgesamt 13 Maschinen sind nicht einsatzfähig und daher nur zum Ausschlachten für Ersatzteile gedacht. Zusätzlich zu den Flugzeugen will die Slowakei auch verschiedene weitere Ersatzteile, einen Teil des Luftabwehr-Systems Kub sowie Munition liefern.
Die seit einer Mitte Dezember verlorenen Misstrauensabstimmung nur mehr kommissarisch amtierende Minderheitsregierung in Bratislava beschloss die Übergabe der 13 Flugzeuge am vergangenen Freitag ohne das Parlament zu befragen. Die Oppositionsparteien kritisierten dies als verfassungswidrig. Verteidigungsminister Nad rechtfertigte die Vorgehensweise jedoch: Statt eines Gesetzes, für den die Zustimmung des Parlaments nötig wäre, habe man einen bilateralen Vertrag mit der ukrainischen Regierung abgeschlossen. Dies dürfe das Kabinett auch ohne Parlament. Teile der Opposition drohten dennoch mit einer Strafanzeige und einer Klage beim Verfassungsgericht.
Kein schneller Ausbau russischer Luftverteidigung
WASHINGTON: Internationale Militärexperten halten Russlands Pläne zum Ausbau ihres Luftverteidigungssystems für unrealistisch. Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu hatte am Mittwoch erklärt, dass die Stadt Moskau die Modernisierung ihres Raketenabwehrsystems dieses Jahr abschließen werde und in den kommenden Monaten spezielle Luftverteidigungstruppen gebildet werden sollten. Nach Einschätzung des Instituts für Kriegsstudien (ISW) ist es jedoch unwahrscheinlich, dass das russische Militär solche Kräfte innerhalb mehrerer Jahre - geschweige denn bis Ende 2023 - aufbringen könne.
Im Bericht der US-Denkfabrik vom Mittwoch (Ortszeit) hieß es, die russische Verteidigungsindustrie habe in der Vergangenheit einen mehrjährigen Verzug bei der Entwicklung fortschrittlicher Luftverteidigungssysteme erlebt, und das bereits bevor strenge Sanktionen und eine verschärfte Ressourcenknappheit infolge der russischen Invasion in die Ukraine einsetzten.
Seine Luftstreitkräften könnte Russland demnach trotzdem langfristig ausbauen - als Teil einer größeren Anstrengung zur Wiederherstellung eines großen konventionellen Militärs. Die Experten der US-Denkfabrik gingen davon aus, dass die Bildung neuer Luftverteidigungseinheiten die russische Kampfkraft in der Ukraine nicht mehr in diesem Jahr verstärken werden. Schoigus Ankündigungen seien mehr als Beschwichtigung ans eigene Volk zu verstehen, dass Russland sein Militär beständig weiterentwickele und immer noch eine Militärmacht auf Weltklasseniveau sei, um dem Eindruck des Versagens der russischen Armee in der Ukraine etwas entgegenzusetzen.
Scholz: Ukraine wird so lange wie nötig unterstützt
BRÜSSEL: Zum Auftakt des EU-Gipfels hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Geschlossenheit der Europäischen Union bei der Unterstützung der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russischen Angreifer beschworen. «Das ist etwas, das (der russische Präsident Wladimir) Putin niemals im Blick hatte, dass die Unterstützung für die Ukraine so geschlossen funktioniert und auch so lange», sagte der SPD-Politiker am Donnerstag in Brüssel. «Und wir sind auch vorbereitet darauf, die Ukraine so lange zu unterstützen, wie das tatsächlich notwendig sein wird.»
Bei ihrem Gipfeltreffen wollten die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Staaten darüber beraten, wie die militärische und wirtschaftliche Unterstützung der Ukraine weiter ausgebaut werden kann. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sollte per Video zugeschaltet werden.
In einem Entwurf für die Abschlusserklärung des Treffens heißt es: «Die Europäische Union steht fest und uneingeschränkt an der Seite der Ukraine und wird der Ukraine und ihrer Bevölkerung weiterhin starke politische, wirtschaftliche, militärische, finanzielle und humanitäre Hilfe leisten - solange dies nötig ist.»
Tschechien senkt Hilfsgelder für Ukraine-Flüchtlinge
PRAG: Tschechien senkt die finanzielle Unterstützung für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Präsident Petr Pavel unterzeichnete am Donnerstag eine zuvor vom Parlament beschlossene Gesetzesnovelle. Die Änderungen treten im Juli in Kraft. Während der ersten fünf Monate orientiert sich die Unterstützung wie bisher am Lebensminimum von umgerechnet 205 Euro für einen Erwachsenen, anschließend aber nur noch am sogenannten Existenzminium von umgerechnet rund 130 Euro.
Für Kinder werden Zuschläge berechnet. In Härtefällen wie bei Alleinerziehenden und Schwerbehinderten sind höhere Zahlungen möglich. Die kostenlose Unterbringung in Notunterkünften soll künftig im Regelfall auf 150 Tage begrenzt werden. Die liberalkonservative Regierung unter Ministerpräsident Petr Fiala verspricht sich von der Verschärfung, dass noch mehr Flüchtlinge eine Arbeit aufnehmen. Tschechien hatte laut Eurostat im Januar mit 2,2 Prozent die niedrigste Arbeitslosenquote in der EU.
Seit dem Beginn der russischen Invasion vor mehr als einem Jahr haben knapp 500.000 Ukrainer vorübergehenden Schutz in Tschechien erhalten, wie das Innenministerium in Prag mitteilte. Davon halten sich Schätzungen zufolge noch rund 300.000 in dem EU- und Nato-Mitgliedstaat auf. Tschechien hat etwa 10,5 Millionen Einwohner.
Luxemburgs Bettel genervt von Verbrenner-Debatte beim EU-Gipfel
BRÜSSEL: Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel hat sich beim EU-Gipfel genervt von der Debatte über das Aus neuer Verbrenner-Autos gezeigt. Man könne über alles reden, aber das Thema stehe eigentlich nicht auf der Agenda, sagte Bettel am Donnerstag am Rande des Treffens in Brüssel. «Es ist ja kein Wunschkonzert, wenn wir nach Brüssel kommen.» Bettel betonte, dass jede Institution bei ihren Kompetenzen bleiben solle und der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs nicht für alles zuständig sein sollte. «Wir geben Impulse.» Zudem gebe es spezifische Ministerräte, in denen solche Themen besprochen werden könnten.
Der andauernde Streit über das geplante Aus neuer Autos mit Verbrennungsmotor in der EU überschattete am Donnerstag den Beginn eines zweitägigen EU-Gipfels in Brüssel. Eigentlich hatten sich Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten bereits darauf geeinigt, dass ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen in der EU zugelassen werden dürfen. Die Bundesregierung stellte Anfang März jedoch Nachforderungen und verhinderte so die endgültige Bestätigung des Deals durch die EU-Staaten.
Vor allem die FDP dringt darauf, dass auch nach 2035 noch Neuwagen mit Verbrenner zugelassen werden dürfen, die klimaneutrale E-Fuels tanken. Darunter versteht man mit Ökostrom erzeugte künstliche Kraftstoffe. Das Bundesverkehrsministerium und die EU-Kommission arbeiten an einer Lösung. Offiziell standen am Donnerstag die weitere Unterstützung für die Ukraine, ein Austausch mit UN-Generalsekretär António Guterres sowie Beratungen über die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft auf der Tagesordnung von Kanzler Olaf Scholz und seinen Kollegen.
Ein perfekter Sturm: UN-Generalsekretär richtet Appell an EU
BRÜSSEL: Angesichts der dramatischen Lage in ärmeren Ländern hat UN-Generalsekretär António Guterres die Europäische Union zum Handeln aufgefordert. «Dies ist wirklich ein entscheidender Moment», sagte der Portugiese am Donnerstag am Rande eines Treffens mit den Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Die Vereinten Nationen zählten darauf, dass die EU nun die notwendigen Veränderungen anführe. So sei zum Beispiel das internationale Finanzsystem den derzeitigen Herausforderungen nicht gewachsen.
Zur aktuellen Lage erklärte Guterres, eine Kombination mehrerer Faktoren führe zu mehr Hunger, mehr Armut, weniger Bildung und weniger Gesundheitsversorgung in vielen Teilen der Welt. «In vielen Entwicklungsländern haben wir es mit einem perfekten Sturm zu tun», sagte er.
Guterres war am Donnerstag als Gast zum ersten regulären EU-Gipfel dieses Jahres eingeladen. Bei ihm sollte es unter anderen auch um den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft gehen.
Medwedew will 1500 Panzer bauen - und droht mit Raketen auf Berlin
MOSKAU: Russland will in diesem Jahr 1500 Panzer für den Krieg gegen die Ukraine produzieren. «Der militärisch-industrielle Komplex ist heiß gelaufen», sagte der Vizechef des Nationalen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview. Die Mehrheit der Rüstungsbetriebe arbeite im Drei-Schichten-System. Der Westen versuche zwar, Russland von wichtigen Bauteilen abzuschneiden und behaupte, dem Land würden die Artilleriegeschosse, Panzer und Raketen ausgehen. «Dabei stellen wir allein 1500 Panzer in diesem Jahr her», sagte der Ex-Präsident.
Noch im Februar hatte Medwedew, der im Sicherheitsrat auch für die Rüstungsindustrie zuständig ist, beim Besuch einer Fabrik von Bau und Modernisierung Tausender Panzer gesprochen. Experten bezweifeln, dass sein Land solche Mengen herstellen kann. Medwedew sagte nun auch, dass Russland zwar eigene Drohnen produziere. Es fehle bislang aber an großen Kampfdrohnen, für die es bald eine eigene Produktion geben werde.
Das Interview veröffentlichte Medwedew selbst in seinem Kanal im Nachrichtendienst Telegram. Darin sprach er auch davon, dass eine mögliche Festnahme von Kremlchef Wladimir Putin in Deutschland auf Grundlage des Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag einer «Kriegserklärung» gegen Russland gleichkäme. Russland würde in dem Fall Raketen auf den Bundestag und das Kanzleramt abfeuern, drohte der Ex-Präsident. Moskau erkennt den Gerichtshof in Den Haag nicht an.
Medwedew betonte zudem, dass Russland westlichen Waffen ebenbürtige oder bessere Rüstungsgüter habe. «Das Wichtigste ist jetzt, das alles in den notwendigen Mengen herzustellen, und dafür müssen noch neue Produktionen gestartet werden.» Vor allem aber gewährleisteten die strategischen Atomwaffen Russlands Schutz. «Wenn es das nicht gäbe, hätten sie uns schon in Stücke zerrissen.»
London: Russische Truppen drängen Ukrainer vor Kreminna zurück
LONDON: Im Osten der Ukraine haben russische Truppen bei schweren Kämpfen nahe der russisch besetzten Stadt Kreminna nach britischer Einschätzung die ukrainischen Truppen zurückgedrängt. «Russland hat teilweise die Kontrolle über die unmittelbaren Zugänge nach Kreminna zurückerlangt, die Anfang des Jahres einer unmittelbaren ukrainischen Bedrohung ausgesetzt war», berichtete das Verteidigungsministerium am Donnerstag in London unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse. «An einigen Stellen hat Russland Geländegewinne von mehreren Kilometern gemacht.»
Nun wollten die russischen Truppen vermutlich eine «Sicherheitszone» westlich ihrer vorbereiteten Verteidigungsstellungen errichten, hieß es weiter. Dabei würden sie vermutlich den Fluss Oskil als natürliches Hindernis einbeziehen und zudem versuchen, den Logistikknotenpunkt Kupjansk zurückzuerobern. Grundsätzlich verfolge Russland in der Ostukraine aber weiterhin einen defensiven Ansatz. «Kommandeure fürchten vermutlich, dass diese einer der Frontabschnitte sein könnte, an dem die Ukraine eine Großoffensive versuchen könnte.»
Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Moskau wirft London eine Desinformationskampagne vor.
Stoltenberg: Waffenlieferungen an die Ukraine noch lange nötig
LONDON: Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat den Westen darauf eingeschworen, die Ukraine noch lange mit Waffen für den Kampf gegen die russische Invasion ausrüsten zu müssen. Der russische Präsident Wladimir Putin habe keine unmittelbare Pläne für einen Frieden in der Ukraine, sagte er der britischen Zeitung «Guardian» (Donnerstag). «Präsident Putin plant nicht für den Frieden, er plant für mehr Krieg.» Deshalb müsse sich der Westen darauf einstellen, Kiew noch lange Zeit mit Waffen zu versorgen.
Russland steigere für seinen «Zermürbungskrieg» die militärische Industrieproduktion und reiche «autoritären Regimen wie dem Iran oder Nordkorea» die Hand, um mehr Waffen zu bekommen, sagte Stoltenberg. Die heftigen Kämpfe um Bachmut in der Ostukraine zeigten, dass Russland bereit sei, «Tausende und Abertausende von Soldaten einzusetzen und für minimale Gewinne viele Opfer in Kauf zu nehmen».
Infolgedessen müssten die USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und andere westliche Staaten darauf vorbereitet sein, die Ukraine über einen langen Zeitraum mit Waffen, Munition und Ersatzteilen zu unterstützen. «Der Bedarf wird weiterhin bestehen, denn dies ist ein Zermürbungskrieg; es geht um die industrielle Kapazität, um die Unterstützung aufrechtzuerhalten.»
Stoltenberg sagte, mit der vom Westen bereitgestellten Ausrüstung würden die Ukrainer in die Lage versetzt, «Territorium zurückzuerobern und mehr und mehr Land zu befreien», das Russland nach der Invasion im Februar 2022 erobert hatte. Ziel sei es, «die Ukrainer in die Lage zu versetzen, eine Offensive zu starten und Territorium zurückzuerobern».