Ukraine-Krise: Aktuelles Geschehen am Donnerstag

Foto: epa/dpa
Foto: epa/dpa

Putin erkennt Gebiete Cherson und Saporischschja als unabhängig an

MOSKAU: Der russische Präsident Wladimir Putin hat in einem weiteren völkerrechtswidrigen Akt die besetzten ukrainischen Gebiete Cherson und Saporischschja als unabhängige Staaten anerkannt. Die entsprechenden Dekrete des Kremlchefs wurden in der Nacht zum Freitag (Ortszeit) in Moskau veröffentlicht. Die Dekrete gelten gemäß dem international kritisierten Vorgehen Moskaus als Voraussetzung dafür, dass die Regionen an diesem Freitag ihre Aufnahme in die Russische Föderation beantragen können. In Scheinreferenden hatten die Gebiete zuvor über einen Beitritt zu Russland abstimmen lassen.

Am 21. Februar hatte Putin bereits die Unabhängigkeit der ukrainischen Regionen Luhansk und Donezk, die sich «Volksrepubliken» nennen, anerkannt. Alle vier Gebiete beantragen den Beitritt zu Russland, den Putin an diesem Freitag bei einem Festakt im Kreml formalisieren will. Die Annexionen werden international nicht anerkannt, sie gelten als Bruch des Völkerrechts, den die Ukraine nicht hinnehmen will.

Die ukrainische Führung hat vom Westen weitere schwere Waffen gefordert, um ihre Gebiete zu befreien. Putin hatte bereits betont, dass die Regionen künftig unter dem Schutz der Atommacht Russland stünden. Ein Angriff auf die Territorien werde wie eine Attacke gegen Russland gewertet. Das Land werde alle verfügbaren Mittel einsetzen, um sich zu verteidigen, hatte Putin gesagt.

Russlands Vorgehen wird international als Verbrechen gegen die territoriale Unversehrtheit der Ukraine angesehen. Kein Staat erkennt das an.


Ukrainischer Präsident fordert Russen zum Kampf auf: Stoppt Putin

KIEW: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die russische Bevölkerung aufgefordert, sich gegen Kremlchef Wladimir Putin aufzulehnen und den Krieg zu stoppen. «Um das zu beenden, muss man diesen Einen in Russland stoppen, der Krieg mehr will als das Leben», sagte Selenskyj in einer am Donnerstag in Kiew veröffentlichten Videobotschaft. Nur ein einziger Mensch in Russland wolle den Krieg, meinte er mit Blick auf Putin. Dieser will am Freitag die Annexion der ukrainischen Regionen Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja gegen internationalen Protest durchziehen.

In einem fast zeitgleich veröffentlichten weiteren Video wandte sich Selenskyj auch besonders an die Vielvölkerregion Kaukasus in Russland. Er forderte die Menschen auf, um ihre Freiheit zu kämpfen und sich nicht in den Krieg in der Ukraine schicken zu lassen. Vor allem in der russischen Teilrepublik Dagestan hatte es zuletzt gewaltsame Proteste gegen die von Putin angeordnete Teilmobilmachung gegeben. Beklagt wird dort, dass vor allem Angehörige ethnischer Minderheiten zum Kriegseinsatz geschickt werden.

Selenskyj sagte, Putin «spuckt» auf Menschenleben. Russland bringe Tod, Folter, Vergewaltigung und Verderben. «Das kann man noch stoppen.» Dafür müssten die Bürger aufstehen und «kämpfen». Er lobte den breiten Widerstand gegen die Teilmobilmachung, mit der Moskau versuche, das Scheitern der russischen Armee zu überdecken. Die Menschen in Russland müssten aber für ihre Freiheit kämpfen, mahnte der ukrainische Präsident. «Kämpft, um nicht zu sterben!»

Selenskyj betonte, dass schon jetzt 58.000 Russen in der Ukraine getötet worden seien. Russland bestätigt diese Zahl nicht. Selenskyj sagte weiter, Putin werde neue «Wellen der Mobilisierung» veranlassen, um den Krieg fortzusetzen. Viele Russen aber würden in den Kampf geschickt ohne Plakette oder Dokumente, damit sie als Tote nicht identifiziert werden könnten. Selenskyj riet den Einberufenen in seiner eindringlichen Videobotschaft auch, sich ihre Namen auf die Haut tätowieren zu lassen, damit die Ukraine die Leichen später den Angehörigen in Russland übergeben könne.


Sanktionsverstöße: US-Justiz klagt russischen Milliardär Deripaska an

WASHINGTON: Der russische Milliardär Oleg Deripaska ist in den USA wegen des Versuchs angeklagt worden, gegen ihn verhängte Sanktionen zu umgehen. In Deripaskas Auftrag hätten Helferinnen versucht, eine Reise seiner Freundin in die USA organisieren, geht aus der am Donnerstag veröffentlichten Klageschrift des US-Justizministeriums hervor. Ziel sei gewesen, dass auch ein zweites Kind des Paares in den USA geboren wird und damit automatisch die amerikanische Staatsbürgerschaft bekommt. Bei einer Verurteilung könnten Deripaska - der sich nicht in den USA aufhielt - laut Justizministerium bis zu 20 Jahre Haft drohen.

Gegen Deripaska, einen der reichsten russischen Oligarchen, wurden bereits im April 2018 US-Sanktionen verhängt. Ab diesem Moment durften keine amerikanischen Unternehmen und Bürger Geschäfte mit ihm machen - und schon die Geburt des ersten Kindes im Jahr 2020 war damit aus US-Sicht widerrechtlich organisiert worden.

Damals klappte die Reise von Deripaskas Freundin zur Geburt mit anschließendem monatelangen Aufenthalt in Los Angeles ohne Probleme. Beim neuen Versuch Anfang Juni dieses Jahres verweigerten ihr US-Grenzbeamte jedoch die Einreise. Der Klageschrift zufolge nannte sie dabei als Vater ihrer beiden Kinder zunächst einen «Alec Deribasko» und bezeichnete Deripaska als einen Bekannten. Konfrontiert mit einem Foto Deripaskas habe sie eingeräumt, dass er wie der Vater ihrer Kinder aussehe. Neben Deripaska wurden auch seine Freundin sowie zwei Helferinnen angeklagt.

In Russland wird seit Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine massiv Stimmung gegen den Westen gemacht, wo Sanktionen gegen viele russische Oligarchen und Unternehmen verhängt wurden.


Scheinreferenden: Erdogan fordert von Putin Abbau von Spannungen

ISTANBUL: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Ukraine zum Abbau von Spannungen aufgefordert. Solche Schritte erwarte man von Moskau besonders mit Blick auf die Frage des Beitritts einiger ukrainischer Regionen zu Russland, sagte Erdogan dem türkischen Kommunikationsministerium zufolge am Donnerstag im Gespräch mit Putin. Erdogan hatte zuvor bereits das Abhalten der Scheinreferenden in russisch besetzten Gebieten in der Ukraine kritisiert. Die Türkei ist Mitglied der Nato und pflegt mit der Ukraine gute Beziehungen - aber auch mit Russland.

Die Scheinreferenden über einen Beitritt besetzter Regionen in der Süd- und Ostukraine zu Russland werden weltweit nicht anerkannt. Der Grund dafür ist, dass sie unter Verletzung ukrainischer und internationaler Gesetze sowie ohne demokratische Mindeststandards abgehalten wurden.


UN-Generalsekretär: Annexionen dürfen nicht akzeptiert werden

NEW YORK: UN-Generalsekretär António Guterres hat die angekündigte Annexion von ukrainischen Gebieten durch Russland scharf verurteilt und als rechtlich wertlos beschrieben. «Sie ist nicht mit dem internationalen Recht vereinbar. Sie stellt sich gegen alles, wofür die internationale Gemeinschaft stehen soll», sagte Guterres am Donnerstag in New York. Die Ankündigung des Kremls stelle eine gefährliche Eskalation dar, habe «keinen Platz in der modernen Welt» und dürfe nicht akzeptiert werden.

Guterres hatte eine mögliche Annexion der russisch besetzten Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson bereits zuvor als Verletzung des Völkerrechts bezeichnet.


Umfrage zu Mobilmachung: Fast jeder zweite Russe verspürt «Entsetzen»

MOSKAU: Fast jeder zweite Russe hat einer Umfrage zufolge ängstlich und erschrocken auf die von Kremlchef Wladimir Putin angeordnete Teilmobilmachung reagiert. Insgesamt 47 Prozent der Befragten beschrieben ihre Gefühlslage nach Putins Rede vor gut einer Woche mit «Angst, Furcht, Entsetzen», wie aus am Donnerstag veröffentlichten Ergebnissen des unabhängigen Meinungsforschungsinstituts Lewada hervorgeht. 23 Prozent gaben dagegen an, «stolz auf Russland» zu sein.

Die Umfragen des unabhängigen Lewada-Instituts werden auch von westlichen Experten geschätzt - als vergleichsweise authentisch und nach anerkannten sozialwissenschaftlichen Prinzipien umgesetzt.

Der Anteil derjenigen, die erklärten, Russlands Ende Februar begonnenen Krieg gegen die Ukraine zu unterstützen, sank unterdessen auf 72 Prozent und damit auf den bislang tiefsten Wert. Kurz nach Kriegsbeginn hatte er bei 80 Prozent gelegen. Die Lewada-Soziologen hatten allerdings schon damals darauf hingewiesen, dass viele Russen nicht mit Enthusiasmus, sondern mit Angst auf die vom Kreml als «militärische Spezial-Operation» bezeichneten Kämpfe blickten.

Experten geben zudem zu bedenken, dass Menschen in Russland aus Angst vor Repressionen auch in anonymen Umfragen möglicherweise nicht immer ehrlich ihre Meinung äußern. Putins Ankündigung, in den kommenden Wochen und Monaten 300.000 Reservisten an die Front in die Ukraine zu schicken, hat in Russland in den vergangenen Tagen die größten Proteste seit Kriegsbeginn und eine große Fluchtwelle ausgelöst.


Russischer Waffenkonzern Kalaschnikow spricht von Rekordjahr

ISCHEWSK: Die russische Waffenschmiede Kalaschnikow spricht nach sieben Monaten Krieg in der Ukraine schon jetzt von einem 20-Jahres-«Rekord» beim Absatz seines legendären Sturmgewehrs. Der Verkauf der Kalaschnikows sei um 40 Prozent gesteigert worden, teilte Konzern-Präsident Alan Luschnikow am Donnerstag in der Stadt Ischewsk mit. Er nannte keine absoluten Verkaufszahlen für die am weitesten verbreitete Waffe der Welt.

Priorität habe im Auftrag des russischen Verteidigungsministeriums die eigene Armee, betonte Luschnikow. «Die Sicherung der Verteidigungsfähigkeit des Landes besonders unter den gegenwärtigen Bedingungen ist die Aufgabe, auf deren Erfüllung alle Abteilungen des Unternehmens ohne Ausnahme ausgerichtet sind.» Die Kalaschnikows werden auch im Krieg in der Ukraine eingesetzt.

Der Zuwachs im Verkauf ist Luschnikows Angaben zufolge aber auch auf den Export zurückzuführen. Schon im September habe der die Gesamtausfuhren des vergangenen Jahres übertroffen. «Unsere Produktionskapazitäten sind in diesem Jahr ziemlich intensiv ausgelastet», meinte er. Nach früheren Angaben erhält etwa Indien 70.000 Kalaschnikows des Typs AK-103. Der russische Rüstungsexportkonzern Rosoboronexport hatte mitgeteilt, inzwischen mehr als 100.000 Kalaschnikow-Sturmgewehre verschiedener Modelle jährlich ins Ausland zu verkaufen.

Der Automat Kalaschnikow (AK) ist das am meisten verbreitete - und oft auch ohne russische Lizenz nachgebaute - Sturmgewehr der Welt. Im August vorigen Jahres hatte der Kalaschnikow-Konzern mitgeteilt, mit dem russischen Verteidigungsministerium einen Vertrag über Hunderttausende neue Sturmgewehre des Typs AK-12 unterzeichnet zu haben. Die Erneuerung der Ausstattung der Armee sei auf Jahre angelegt, hieß es.


Selenskyj ruft den Nationalen Sicherheitsrat ein

KIEW: Mit Blick auf die geplante russische Annexion von Teilen der Ost- und Südukraine kommt an diesem Freitag in der Ukraine der Nationale Sicherheitsrat zusammen. «Präsident Wolodymyr Selenskyj beruft für morgen dringend eine Sitzung des Rates für nationale Sicherheit und Verteidigung der Ukraine ein», teilte Präsidentensprecher Serhij Nykyforow am Donnerstag bei Facebook mit.

Die Tagesordnung und andere Einzelheiten würden später mitgeteilt, hieß es. Der Sicherheitsrat ist ein Gremium unter Vorsitz des ukrainischen Präsidenten. Zu ihm gehören unter anderem die Chefs von Armee und Geheimdiensten, Verteidigungs- und Innenminister und andere Regierungsmitglieder.

In den russisch kontrollierten Teilen der vier Gebiete Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson wurden bis zum vergangenen Dienstag Scheinreferenden abgehalten. Am Donnerstag dann teilte der Kreml mit, dass am Freitag in Moskau Papiere unterzeichnet werden sollen, um die Gebiete zu annektieren. Russland, das seit Ende Februar offen Krieg gegen die Ukraine führt, hatte sich bereits im Jahr 2014 die ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim einverleibt.


20 Frauen bei Anti-Kriegs-Protest festgenommen

KYSYL: Bei erneuten Protesten gegen die von Kremlchef Wladimir Putin angeordnete Teilmobilmachung sind in Russland mehrere Frauen festgenommen worden. Die Bürgerrechtsorganisation OVD-Info veröffentlichte am Donnerstag Videos, auf denen etwa zu sehen ist, wie eine Demonstrantin in der sibirischen Region Tuwa von Polizisten grob über den Boden zu einem Gefangenentransporter geschleift wird. Regionalen Medien zufolge wurden in der Heimatregion von Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu insgesamt rund 20 Frauen festgenommen.

Auch eine Mutter, die mit ihrem wenige Monate alten Baby gekommen war, soll festgesetzt worden sein. Putin hatte die Mobilmachung von Reservisten vor rund einer Woche angeordnet, um sie an die Front in die Ukraine zu schicken. Landesweit hat das Panik und heftige Proteste in der Bevölkerung ausgelöst. Vor allem Frauen stellen sich vielerorts schützend vor ihre Ehemänner, Brüder und Söhne. Insgesamt wurden den Bürgerrechtlern zufolge seit Beginn der Mobilmachung schon deutlich mehr als 2000 Menschen bei Protesten festgenommen.


Ukraine und Russland tauschen erneut Gefangene aus

KIEW: Nach einem kürzlichen großen Austausch haben die Ukraine und Russland erneut Gefangene ausgetauscht. «Wir haben sechs unserer Leute zurückgeholt - vier Marineinfanteristen und zwei Zivilisten», schrieb der Chef des Präsidentenbüros, Andrij Jermak, am Donnerstag beim Nachrichtendienst Telegram. Unter den Soldaten seien zwei Offiziere. Den veröffentlichten Bildern zufolge fand der Austausch im nordukrainischen Gebiet Tschernihiw an der Grenze zu Belarus (Weißrussland) statt. Wie viele Gefangene die russische Seite erhielt, wurde nicht mitgeteilt.

Russland ist am 24. Februar in die Ukraine einmarschiert. Vor einer Woche hatten beide Seiten mit internationaler Vermittlung im bisher größten Austausch seit Kriegsbeginn insgesamt über 270 Gefangene ausgetauscht.


Tschechien erhält mehr als 100 Millionen Euro an US-Militärhilfe

PRAG/WASHINGTON: Tschechien erhält von den USA Militärhilfe in Höhe von umgerechnet mehr als 100 Millionen Euro. «Dieses Geschenk verstehen wir als Ausdruck der Anerkennung dafür, wie Tschechien seit dem Beginn des Konflikts der Ukraine geholfen hat», teilte Verteidigungsministerin Jana Cernochova am Donnerstag in Prag mit. Tschechien ist seit 1999 Mitglied des Nato-Verteidigungsbündnisses.

Wie die US-Botschaft in Tschechien bestätigte, stammen 100 Millionen US-Dollar aus einem «Foreign Military Financing» genannten Finanzprogramm. Mit den Geldern dürfen nur US-amerikanische Rüstungsgüter gekauft werden. Weitere Mittel in Höhe von umgerechnet mehr als sechs Millionen Euro werden für die Ausrüstung eines Cyberschutz-Zentrums bereitgestellt.

Die US-Geschäftsträgerin in Tschechien, Christina Agor, dankte dem Land für seine «ungeheure Führungsrolle» bei der Unterstützung Kiews. Tschechien hat der Ukraine nach eigenen Angaben Waffen und Munition im Wert von mehr als 160 Millionen Euro geliefert. Nach Medienberichten waren darunter unter anderem Panzer, Kampfhubschrauber und Radhaubitzen. Offiziell äußert sich die liberalkonservative Regierung nicht zu Einzelheiten.


Finnland schließt Grenze für russische Touristen

HELSINKI: Finnland schließt seine Grenze für russische Touristen. Deutlich verschärfte Visa-Regeln für Reisende aus Russland treten um Mitternacht in der Nacht zum Freitag in Kraft, wie der finnische Außenminister Pekka Haavisto am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Helsinki ankündigte. Die Ereignisse rund um die Lecks in den Nord-Stream-Gasleitungen in der Ostsee und die Scheinreferenden in der Ukraine hätten den Beschluss der Regierung beschleunigt, sagte Haavisto.

Es handelt sich nach Angaben des finnischen Rundfunksenders Yle nicht um einen kompletten Einreisestopp. Ausnahmen sollen gelten, damit Russen weiterhin nach Finnland kommen können, etwa um enge Familienmitglieder zu treffen, zu arbeiten oder sich medizinisch versorgen zu lassen. Der große Unterschied werde nun aber sein, dass Russen nicht mehr zu touristischen Zwecken nach Finnland - und von dort weiter in andere Schengenländer - reisen können. Nach Informationen der finnischen Nachrichtenagentur STT zufolge dürfte dies die Anzahl der ankommenden Russen an der Grenze um 30 bis 50 Prozent verringern.

Finnland hat eine rund 1340 Kilometer lange Grenze zu Russland und damit die mit Abstand längste aller EU-Länder. Russlands andere EU-Nachbarn Estland, Lettland, Litauen und Polen hatten die Einreise für Menschen aus dem Riesenreich schon am 19. September beschränkt. Seitdem dürfen russische Staatsbürger mit einem Schengenvisum für touristische Aufenthalte, Geschäftsreisen, Sport- und Kulturveranstaltungen nicht mehr in die Länder einreisen. Die Visa-Frage war seit dem Sommer auch in Finnland intensiv diskutiert worden. Das nördlichste EU-Land hatte bereits bestimmte Maßnahmen eingeführt, um es Russen zu erschweren, Visa zu erhalten.

Estlands Außenminister Urmas Reinsalu begrüßte Finnlands Entscheidung. Sie sei in enger Zusammenarbeit mit Estland, Lettland, Litauen und Polen entstanden und trage zur Sicherheit der gesamten Region bei.


Putin will Annexion ukrainischer Gebiete am Freitag verkünden

MOSKAU: Nach den völkerrechtswidrigen Scheinreferenden will Russlands Präsident Wladimir Putin die Annexion mehrerer ukrainischer Gebiete bereits an diesem Freitag offiziell machen.

«Im Großen Kremlpalast findet um 15.00 Uhr (14.00 Uhr MESZ) eine Zeremonie zur Unterzeichnung von Abkommen über den Beitritt neuer Gebiete in die Russische Föderation statt», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Donnerstag laut Agentur Interfax. International wird der Schritt nicht anerkannt.


Papst berichtet von Hilfe bei Gefangenenaustausch in Ukraine

ROM: Papst Franziskus hat nach eigenen Angaben bei den Bemühungen um einen Gefangenenaustausch in der Ukraine mitgeholfen. Das Oberhaupt der katholischen Kirche erzählte davon bei einem Treffen mit Jesuiten in der vorvergangenen Woche in Kasachstan, dessen Wortlaut die Jesuiten-Zeitschrift «La Civiltà Cattolica» nun veröffentlichte. Franziskus führte dabei nicht konkret aus, wann er geholfen hatte und ob sein Einsatz letztlich erfolgreich war.

Der 85-Jährige, sagte den Geistlichen des Jesuitenordens, dem er selbst auch angehört, dass ihn immer wieder Menschen und Offizielle aus der Ukraine besuchen und vom Krieg berichten. «Es kam auch ein Militäroberer, der sich um Gefangenenaustausche kümmert», erzählte der Papst. «Sie brachten mir eine Liste mit mehr als 300 Gefangenen. Sie baten mich, etwas zu tun, um einen Austausch zu ermöglichen. Ich rief sofort den russischen Botschafter an, um zu fragen, ob man etwas tun könne, ob ein Gefangenenaustausch beschleunigt werden könne.»

Ende Juni hatten die ukrainischen und die russischen Streitkräfte knapp 300 Kriegsgefangene ausgetauscht. Das wurde damals als größter Austausch von Gefangenen nach Kriegsausbruch im Februar bezeichnet. Ob der Papst in jene Aktion einbezogen war, das war zunächst unklar.

Das private Treffen von Franziskus mit den Jesuiten fand am 15. September in der kasachischen Hauptstadt Nur-Sultan statt, wo der Papst zuvor an einem Treffen internationaler Religionsführer teilgenommen hatte. Dabei wiederholte er, dass er den Konflikt nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine als «Dritten Weltkrieg» werte.


Flucht vor Kriegsdienst - Russland erschwert Ausreise nach Kasachstan

MOSKAU: Angesichts der Massenflucht von russischen Kriegsdienstverweigerern in das zentralasiatische Nachbarland Kasachstan wollen russische Behörden wehrpflichtige Männer jetzt an der Grenze herausfiltern. In den nächsten Tagen werde ein vorübergehendes Mobilisierungszentrum am Grenzübergang Karausek im russischen Gebiet Astrachan eröffnet, teilte die Gebietsverwaltung nach Angaben der Staatsagentur Tass am Donnerstag mit. An der Grenze habe sich eine kilometerlange Schlange aus Männern im wehrpflichtigen Alter gebildet, hieß es weiter.

Am Grenzübergang würden die Pässe der Ausreisenden künftig mit den Einberufungslisten abgeglichen. Wer unter die Mobilmachungskriterien falle und keinen offiziellen Aufschub oder eine Ausreisegenehmigung vom Militär habe, dürfe nicht ausreisen.

Karausek ist den Angaben zufolge der Hauptgrenzübergang für den Autoverkehr von Russland in die Ex-Sowjetrepublik Kasachstan. Die kasachische Migrationsbehörde hatte am Dienstag mitgeteilt, dass seit der vom russischen Präsidenten Wladimir Putin am 21. September ausgerufenen Teilmobilmachung von Reservisten fast 100.000 russische Staatsbürger nach Kasachstan eingereist seien.

Auch die Ausreise von Russland in das im Süden angrenzende Georgien ist inzwischen erschwert. Die an Georgien grenzende russische Teilrepublik Nordossetien im Kaukasus hat bereits am Mittwoch Einreisebeschränkungen angekündigt.


Litauens Ex-Staatschef: Kriegsdienstverweigerer könnten Waffe sein

VILNIUS: Litauens früheres Staatsoberhaupt Vytautas Landsbergis hat davor gewarnt, dass Russen, die vor der Mobilmachung ins Ausland fliehen, möglicherweise zur Destabilisierung ihrer Gastländer eingesetzt werden könnten. «Jetzt fliehen sie an einen sichereren Ort, aber die Frage ist, ob diese Massenflucht nicht auch geplant und eine weitere hässliche Waffe ist», sagte er am Donnerstag im Radio. Demnach könnte der Kreml «sie für einige Referenden, Abstimmungen verwenden, um Onkel Putin um Hilfe zu bitten», sagte der 89-Jährige, der nach Litauens wiedererlangten Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1990 an der Spitze des baltischen EU-Landes stand.

Seit der vom russischen Präsidenten Wladimir Putin ausgerufenen Teilmobilmachung versuchen viele russische Männer, sich dem Kriegsdienst in der Ukraine zu entziehen. Zu Zehntausenden fliehen sie ins Ausland, etwa nach Kasachstan oder Georgien.

Innerhalb der EU gibt es bislang keine gemeinsame Linie über den Umgang mit russischen Kriegsdienstverweigerern, die ihre Heimat verlassen wollen. Während Deutschland auf eine einheitliche Position dringt, lehnt Litauen etwa die Aufnahme dieser Menschen strikt ab. «Die Russen sollten bleiben und kämpfen. Gegen Putin», schrieb Außenminister Gabrielius Landsbergis auf Twitter. Er ist der Enkel von Vytautas Landsbergis.


Ukraine erinnert an Massaker von Babyn Jar im Zweiten Weltkrieg

KIEW: In der Ukraine ist an das von deutschen Truppen verübte Massaker an den Kiewer Juden in Babyn Jar im Jahr 1941 erinnert worden. «Es schien so, als ob diese Schrecken für immer in der Vergangenheit blieben», schrieb Regierungschef Denys Schmyhal am Donnerstag im Nachrichtendienst Telegram.

Doch Erschießungen und Massengräber in der Ukraine wiederholten sich nach 81 Jahren, schrieb er mit Blick auf den seit mehr als sieben Monaten andauernden russischen Angriffskrieg gegen sein Land. «Diejenigen, die den Völkermord 1941 anrichteten und diejenigen, die den Völkermord 2022 verüben, sind diesselben Verbrecher, deren Weg nur zu einem internationalen Tribunal führt», so der 46-Jährige.

Am 29. und 30. September 1941 wurden in der Schlucht von Babyn Jar am damaligen Stadtrand von Kiew mehr als 33.000 jüdische Kiewer von den deutschen Besatzern erschossen und verscharrt. Es gilt als das größte Einzelmassaker im Rahmen des «Holocausts durch Kugeln». Bis zur Befreiung der Stadt im November 1943 wurden Schätzungen zufolge bis zu 200.000 Menschen allein in Babyn Jar ermordet.

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine vom 24. Februar haben die Vereinten Nationen knapp 6000 getötete Zivilisten registriert. Die Organisation geht dabei jedoch ähnlich wie die Ukraine von höheren Opferzahlen aus. Kiew wirft Moskau Völkermordabsichten vor.


London: Flucht vor Mobilmachung führt zu «Brain-Drain» in Russland

LONDON: Die Flucht Zehntausender russischer Männer wegen der Teilmobilmachung hat nach britischer Einschätzung zu einem enormen intellektuellen Aderlass für Russland geführt. «Unter denjenigen, die versuchen, Russland zu verlassen, sind die Bessergestellten und Gutausgebildeten überrepräsentiert», teilte das Verteidigungsministerium in London am Donnerstag unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit. Wenn man auch die Einberufenen berücksichtige, dürften die binnenwirtschaftlichen Auswirkungen enorm sein, hieß es weiter. Die Behörde verwies auf die geringere Verfügbarkeit von Arbeitskräften und einen rasanten «Brain-Drain», also einem Verlust von Fachkräften etwa in den Technikbranchen.

«In den sieben Tagen, seit Präsident (Wladimir) Putin die «Teilmobilmachung» angekündigt hat, hat ein beträchtlicher Exodus von Russen begonnen, die der Einberufung entgehen wollen», hieß es in London weiter. Zwar seien genaue Zahlen unklar. Aber vermutlich übertreffe die Zahl der Ausgereisten die Stärke der Invasionsarmee, mit der Russland im Februar die Ukraine angegriffen hatte. Schätzungen zufolge hatte Moskau vor dem Aufmarsch etwa 150.000 Soldaten an der Grenze zum Nachbarland aufmarschieren lassen.

Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor.


Alternative Nobelpreisträgerin: Putin eines Tages vor Gericht

STOCKHOLM: Die ukrainische Menschenrechtsaktivistin Olexandra Matwijtschuk geht davon aus, dass der russische Präsident Wladimir Putin eines Tages wegen Kriegsverbrechen vor Gericht stehen wird. «Ich habe keinen Zweifel daran, dass er das wird», sagte sie am Donnerstag in einem Online-Gespräch mit Journalisten, nachdem ihr und anderen Preisträgern der Right Livelihood Award zugesprochen worden war. Dies möge zum jetzigen Zeitpunkt zwar naiv klingen. «Viele autoritäre Führer der Welt denken, dass sie unantastbar sind. Aber die Geschichte hat gezeigt, dass autoritäre Regime zusammengebrochen sind und ihre Führer früher oder später in Gerichtsprozessen erschienen sind.»

Der seit 1980 in Stockholm verliehene Right Livelihood Award wird oft auch als Alternativer Nobelpreis bezeichnet, hat mit den eigentlichen Nobelpreisen aber nichts zu tun. Die Right-Livelihood-Stiftung ehrt damit alljährlich mutige Persönlichkeiten und Organisationen, die sich für Menschenrechte, Umwelt und Frieden einsetzen. Matwijtschuk und das Center for Civil Liberties (CCL), deren Vorsitzende sie ist, werden für den Aufbau nachhaltiger demokratischer Institutionen in der Ukraine gewürdigt und auch dafür, Wege zu öffnen, damit Kriegsverbrechen strafrechtlich verfolgt werden können.

Matwijtschuk sagte zugeschaltet aus Kiew, in den vergangenen sieben Monaten russischer Aggressionen habe man 19.000 Vorfälle von Kriegsverbrechen dokumentiert, darunter Folter und Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser. Sie wolle daran erinnern, dass Putin den Krieg nicht erst im Februar 2022, sondern bereits im Februar 2014 als Reaktion auf den Zusammenbruch der damaligen autoritären ukrainischen Führung von Viktor Janukowitsch begonnen habe. «Putin hat keine Angst vor der Idee der Nato, Putin hat Angst vor der Idee der Freiheit», sagte sie. Er habe den Krieg begonnen, um die Ukraine auf ihrem Weg der demokratischen Transformation zu stoppen.

Ãœberzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder
Beat Sigrist 30.09.22 15:30
Wann wird endlich
dieser Diktator und Kriegstreiber und grösster Massenmörder im Jahr 2022 - Putin gestoppt? Er greift ein unschuldiges Nachbarland an, tötet tausende von Zivilisten, Frauen und Kinder. Wann merkt endlich der Rest der Politiker in Russland, dass Ihr Diktator vermutlich nicht mehr über einen gesunden Menschenverstand verfügt? Sogar eigene Bürger in seinem Land, welche grosse Firmen und Macht besitzen, lässt er wöchentlich von seinem Geheimdienst ermorden. Und dies nur, weil diese gegen diesen barbarischen und sinnlosen Krieg sind, welcher täglich in einem gegenseitigen Atomkrieg enden könnte. Russland würde innert 12 Minuten auf der Weltkarte ausgelöscht, wie auch viele Länder in Europa. Und dies nur, weil ein durchgeknallter Diktator seinen Verstand verloren hat und nicht vom eigenen Volk in Russland entsorgt wurde! Ich hoffe die USA oder Nato oder Israel wird diesen Atomschlag hoffentlich noch vermeiden können und Putin vor ein internationales Gericht stellen, bevor der grosse Knall passiert.