Ukraine-Krise: Aktuelles Geschehen am Dienstag

Foto: epa/dpa
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UN: Mindestens 10.000 Zivilisten getötet

GENF: In der Ukraine sind seit Russlands Einmarsch vor 21 Monaten laut Angaben der Vereinten Nationen mindestens 10.000 Zivilisten getötet worden - darunter mehr als 560 Kinder. Da viele Leichen noch nicht identifiziert seien, dürfte die tatsächliche Todeszahl jedoch in Wirklichkeit noch «erheblich höher» sein, teilte das Büro des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte in Genf am Dienstag mit. Zudem seien mithilfe der vor Ort stationierten UN-Beobachter bislang mehr als 18.500 verletzte Zivilisten registriert worden.

«10.000 getötete Zivilisten sind ein düsterer Meilenstein für die Ukraine», sagte die Leiterin der UN-Mission in der Ukraine, Danielle Bell, laut der Mitteilung. Russlands Angriffskrieg entwickele sich zu einem langwierigen Konflikt, «dessen hohe menschliche Verluste schwer zu begreifen sind». Viele Zivilisten würden weit weg von der Front durch russische Raketen getötet, fügte Bell hinzu - und betonte: «Kein Ort in der Ukraine ist völlig sicher.»


Wagner könnte Hisbollah oder Iran mit Waffen unterstützen

WASHINGTON: Die US-Regierung fürchtet, dass die russische Söldnertruppe Wagner die Hisbollah oder den Iran mit militärischer Ausrüstung für die Luftabwehr unterstützen könnte. Informationen der US-Regierung deuteten darauf hin, dass Wagner «auf Anweisung der russischen Regierung die Bereitstellung von Fähigkeiten zur Luftabwehr für die Hisbollah oder den Iran vorbereitet hat», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Dienstag in Washington. Die USA würden genau beobachten, ob Wagner tatsächlich militärische Ausrüstung liefere. Man sei bereit, die US-Sanktionen gegen Russland ausweiten, warnte Kirby.

Angesichts internationaler Sanktionen haben Russland und der Iran ihre Kooperation auf wirtschaftlichem und militärischem Gebiet ausgebaut. Die US-Regierung fürchtet, dass der Iran Russland künftig möglicherweise auch mit ballistischen Raketen für den Einsatz in der Ukraine beliefern könnte. Als Gegenleistung für diese Unterstützung habe Russland Teheran eine beispiellose Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich angeboten, sagte Kirby.

Die im Libanon agierende Schiitenmiliz Hisbollah hat Verbindungen zur islamistischen Hamas im Gazastreifen. Sie gilt als wichtigster nichtstaatlicher Verbündeter des Irans und zählt zur selbst ernannten «Widerstandsachse», einer Front von Milizen mit dem Ziel, Irans Erzfeind Israel zu bekämpfen. Seit Beginn des Gaza-Kriegs nach dem Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober kommt es an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon immer wieder zu Konfrontationen zwischen der israelischen Armee und der Hisbollah.


Iran könnte Russland mit ballistischen Raketen versorgen wollen

WASHINGTON: Die US-Regierung fürchtet, dass der Iran Russland künftig möglicherweise mit ballistischen Raketen für den Einsatz in der Ukraine beliefern könnte. Als Gegenleistung für diese Unterstützung habe Russland Teheran eine beispiellose Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich angeboten, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Dienstag in Washington. Bei einem Besuch im Iran in September seien Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu ballistische Raketen gezeigt worden, so Kirby weiter. «Wir sind daher besorgt, dass der Iran erwägt, Russland jetzt mit ballistischen Raketen für den Einsatz in der Ukraine zu versorgen.»

Ballistische Raketen sind in der Regel Boden-Boden-Raketen. Sie befördern je nach Bauart unterschiedliche Sprengköpfe - das können etwa konventionelle, biologische, chemische oder sogar atomare Sprengköpfe sein. Angesichts internationaler Sanktionen haben der Iran und Russland ihre Kooperation auf wirtschaftlichem und militärischem Gebiet ausgebaut. Die Islamische Republik unterstützt Moskau nach westlichen Erkenntnissen auch mit sogenannten Kamikaze-Drohnen im Angriffskrieg gegen die Ukraine. Teheran bestreitet dies.


Selenskyj: EU-Beitrittsverhandlungen wären Motivation für Ukraine

KIEW: Trotz verhaltener Signale aus Brüssel hofft die Ukraine weiter auf eine schnelle Entscheidung für den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen. «Wir erwarten keinerlei Geschenke, doch möchte ich, dass man dennoch beachtet, dass wir ein Land im Krieg sind», sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj am Dienstag in Kiew bei einer Pressekonferenz mit EU-Ratspräsident Charles Michel. Der Start von Beitrittsgesprächen wäre eine «motivierende und mobilisierende Entscheidung.» Kiew sei bereit, alle EU-Auflagen zu erfüllen.

Mit auf dem Podium war auch Maia Sandu, die Präsidentin der Republik Moldau, die ebenfalls auf einen baldigen Start von EU-Beitrittsverhandlungen für ihr Land hofft. Die Erweiterung der EU wäre eine Investition in die Sicherheit des Kontinents und ein klares Bekenntnis des Blocks zum Frieden, argumentierte Sandu. Sie fordere alle EU-Mitgliedstaaten auf, die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit Moldau und der Ukraine auf dem EU-Gipfel im nächsten Monat in Brüssel einstimmig zu unterstützen.

Anfang November hatte die EU-Kommission eine Empfehlung zur Aufnahme von EU-Beitrittsgesprächen mit den beiden benachbarten Ländern ausgesprochen. Im Zuge seines Besuchs in Kiew am Dienstag warnte EU-Ratspräsident Charles Michel allerdings davor, eine schnelle Entscheidung über den Start von Beitrittsverhandlungen als Selbstläufer zu sehen. Ein Teil der EU-Mitgliedstaaten habe deutlich gemacht, dass sie gerne genau nachdenken würden, bevor im Beitrittsprozess der nächste Schritt beschlossen werde, erklärte er.


Moskau nennt ukrainischen Brückenkopf am Dnipro gescheitert

MOSKAU: Die Kiewer Versuche zur Errichtung eines Brückenkopfs am russisch besetzten Ufer des Flusses Dnipro im Süden der Ukraine sind nach Angaben des russischen Militärs gescheitert. «Kein Versuch der ukrainischen Streitkräfte einer Landeoperation im Raum Cherson hatte Erfolg», sagte Verteidigungsminister Sergej Schoigu bei einer Sitzung ranghoher Militärs am Dienstag. Die russischen Truppen erlaubten ihren Gegnern keinen Raumgewinn und fügten ihnen «kolossale Verluste» zu, sagte der 68-Jährige. Er bezifferte die ukrainischen Verluste seit Monatsbeginn auf knapp 14.000 Soldaten.

Seit dem Sommer haben ukrainische Einheiten immer wieder über den Dnipro auf das russisch besetzte Südufer übergesetzt. Seit Wochen halten ukrainische Infanteristen dort trotz andauernder Kämpfe Positionen um die Ortschaft Krynky. Medienberichten zufolge gelingt Kiew dabei die Bereitstellung von Nachschub über den Fluss, allerdings bislang nicht die Lieferung von schwerem Gerät und Panzern, die für eine Ausweitung des Brückenkopfs nötig wären. Die potenzielle Gefahr, die von diesen Stellungen für die russischen Truppen in der Südukraine ausgehen, haben aber Militärblogger aus Moskau mehrfach thematisiert.

Die Angaben zu den Verlusten sind unabhängig nicht zu überprüfen. Beide Seiten nehmen für sich in Anspruch, der jeweils anderen Kriegspartei hohe personelle und materielle Schäden zuzufügen.


EU-Ratspräsident dämpft Hoffnungen zu Beitrittsgesprächen

KIEW: EU-Ratspräsident Charles Michel hat bei einem Besuch in der Ukraine davor gewarnt, eine schnelle Entscheidung über den Start von EU-Beitrittsverhandlungen mit dem Land als Selbstläufer zu sehen.

Ein Teil der EU-Mitgliedstaaten habe deutlich gemacht, dass sie gerne genau nachdenken würden, bevor im Beitrittsprozess der nächste Schritt beschlossen werde, erklärte der Belgier am Dienstag vor Journalisten. Man arbeite hart daran, bis zum EU-Gipfel im Dezember zu einer einheitlichen Position zu kommen. Die politischen Schwierigkeiten seien allerdings nicht zu unterschätzen - auch weil zugleich schwierige Haushaltsentscheidungen zu treffen seien.


Selenskyj warnt Militärführung vor politischen Ambitionen

KIEW: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Militärführung seines Landes vor einem Einstieg in die Politik gewarnt. «Wenn man den Krieg mit dem Gedanken führt, dass man morgen Politik oder Wahlen macht, dann verhält man sich in seinen Worten und an der Front wie ein Politiker und nicht wie ein Militär», sagte er in einem in der Nacht zum Dienstag veröffentlichten Interview für das britische Boulevardblatt «The Sun». Das wäre ein großer Fehler. In Kriegszeiten könne es auch keine Diskussion über Hierarchien geben, sagte Selenskyj. «Bei allem Respekt für General Saluschnyj und alle Kommandeure, die auf dem Schlachtfeld sind, gibt es ein absolutes Verständnis der Hierarchie und das ist es, und es kann nicht zwei, drei, vier, fünf geben», sagte der Staatschef.

Seit Monaten wird im politischen Kiew über einen Konflikt zwischen Armeechef Walerij Saluschnyj und Selenskyj spekuliert. Der General wird bereits als Konkurrent für Selenskyj bei Präsidentschaftswahlen gesehen. Reguläre Präsidentschaftswahlen müssten laut Verfassung am 31. März kommenden Jahres stattfinden.

Anfang November hatte der General in einem vielbeachteten Aufsatz im britischen Journal «Economist» vor einem Patt im Krieg mit Russland gewarnt. Selenskyj hatte dagegen den Stillstand verneint und die Erfolge der im Juni gestarteten Gegenoffensive betont. Die Ukraine wehrt seit knapp 21 Monaten eine russische Invasion ab.


EU-Ratspräsident zu Gesprächen mit Selenskyj in Kiew eingetroffen

KIEW: Wenige Stunden nach dem deutschen Verteidigungsminister Boris Pistorius ist am Dienstag auch EU-Ratspräsident Charles Michel zu politischen Gesprächen in der ukrainischen Hauptstadt Kiew eingetroffen. Auf dem Programm des Spitzenvertreters der EU stand unter anderem ein Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Bei ihm sollte es insbesondere um die EU-Beitrittsperspektive des von Russland angegriffenen Landes gehen.

Er wolle mit dem Besuch deutlich machen, dass die EU fest an der Seite der Ukraine stehe, sagte Michel bei seiner Ankunft in Kiew. Man sehe, dass die Ukraine trotz des Kriegs hart an der Umsetzung von Reformen für einen EU-Beitritt arbeite. Er sei überzeugt, dass die EU mit der Ukraine sicherer und stärker sein werde.

Sowohl Michel als auch Pistorius wollten mit ihren Besuchen auch den Beginn der als Euromaidan bezeichneten prowestlichen Demonstrationen für die Unterzeichnung eines Annäherungsabkommens mit der EU würdigen. Die dreimonatigen teils gewaltsamen Dauerproteste in der ukrainischen Hauptstadt Kiew begannen vor genau zehn Jahren und führten zum Sturz des damaligen russlandfreundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch.

Als Folge besetzte Russland die Schwarzmeer-Halbinsel Krim und annektierte diese wenig später. Anschließend unterstützte Moskau jahrelang ostukrainische Separatisten in den Gebieten Donezk und Luhansk und startete im Februar 2022 eine bis heute andauernde Invasion in die Ukraine.


London: Russen bereiten wohl Kampagne gegen Energieinfrastruktur vor

LONDON: Die russischen Streitkräfte bereiten sich nach Einschätzung britischer Geheimdienstexperten auf eine erneute Raketenkampagne gegen die ukrainische Energieinfrastruktur vor. Das geht aus dem täglichen Geheimdienstbericht des Verteidigungsministeriums in London zum Krieg in der Ukraine vom Dienstag hervor.

Demnach haben die Russen vor allem Kiew am vergangenen Wochenende verstärkt mit Kamikaze-Drohnen angegriffen - wohl um die Luftabwehr der Ukrainer zu schwächen. Seit beinahe zwei Monaten hielten sich die Russen zudem mit dem Abfeuern von Marschflugkörpern zurück, hieß es in London weiter. Nach Ansicht der Briten wollen sie damit wohl einen Bestand an Flugkörpern aufbauen, um die kritische Energieinfrastruktur in der Ukraine im Winter zu zerstören.

Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Moskau wirft London Desinformation vor.


«Briefe von Frauen aus der Ukraine an die freie Welt»

MÜNCHEN: Sie sind Unternehmerinnen, Studentinnen, Künstlerinnen, Sanitäterinnen und sogar eine Scharfschützin ist dabei: In aufwühlenden, sehr persönlichen Briefen berichten Frauen aus der Ukraine, wie der Krieg ihr Leben in den Grundfesten erschütterte. Viele von ihnen leben heute im westlichen Ausland, einige sind in ihre Heimat zurückgekehrt, obwohl der Krieg weitergeht. Wiederum andere haben die Ukraine überhaupt nie verlassen. Doch für alle ist der 24. Februar 2022, der Tag des Kriegsbeginns, unauslöschlich in ihr Gedächtnis eingebrannt.

In ergreifenden Berichten, wie sie dramatischer nicht sein könnten, erzählen sie von jenem Tag des Überfalls, den alle als einen existentiellen Schock erlebten. Von einem Moment auf den anderen wurden die Frauen aus ihrem Alltagsleben herausgerissen und mit einer neuen barbarbarischen Wirklichkeit konfrontiert. Besser als jedes politische Sachbuch schildern diese Briefe, was Krieg wirklich bedeutet. Vieles in ihnen macht jedoch auch Mut. So zieht sich durch die Berichte der meist jungen Frauen der feste Glaube, dass die Ukraine auch in Zukunft ein freies Land sein wird. Durch die beeindruckenden Porträtaufnahmen bekommen die Berichte einen sehr persönlichen Touch. Da die meisten Briefe aus dem Sommer 2022 stammen, wüsste man gerne, wie es den Frauen heute geht.


Verteidigungsminister Pistorius wieder in Kiew

KIEW: Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ist am Dienstag zu seinem zweiten Besuch in der ukrainischen Hauptstadt Kiew eingetroffen. «Ich bin wieder hier, um erstens weitere Unterstützung zuzusagen», sagte der Minister. Er wolle «aber auch unsere Solidarität, unsere tiefe Verbundenheit und Bewunderung für den mutigen, tapferen und verlustreichen Kampf, der hier geführt wird» ausdrücken. Auf dem Programm stand unter anderem ein Gespräch mit seinem ukrainischen Kollegen Rustem Umjerow. Am Montag war US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in Kiew gewesen.

Pistorius hatte im Februar erstmals Kiew besucht, knapp drei Wochen nach seiner Vereidigung als Verteidigungsminister. Damals hatte er der ukrainischen Führung die Lieferung von mehr als 100 Kampfpanzer des älteren Typs Leopard 1A5 versprochen. Sie sollen in Etappen geliefert werden bis spätestens zweites Quartal 2024.

Zu Beginn seines zweiten Besuchs ehrte Pistorius die Demonstranten, die während der proeuropäischen Maidan-Proteste vor zehn Jahren getötet worden waren. «Mutige Menschen aller Altersgruppen sind auf die Straße gegangen, für Freiheit, für Annäherung an Europa und haben dafür mit dem Leben bezahlt», sagte Pistorius. Er legte rote Rosen an einem provisorischen Denkmal für die Getöteten nieder. Die Demonstrationen hatten vor genau zehn Jahren am 21. November 2013 begonnen.

Die dreimonatigen Dauerproteste in Kiew führten schließlich zum Sturz des russlandfreundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Mehrere Dutzend Demonstranten und 17 Polizisten wurden erschossen. Als Folge besetzte Russland die Schwarzmeer-Halbinsel Krim und annektierte diese wenig später. Anschließend unterstützte Moskau jahrelang ostukrainische Separatisten in den Gebieten Donezk und Luhansk und startete im Februar 2022 eine bis heute andauernde Invasion der Ukraine.

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