Ukraine-Krise: Aktuelles Geschehen am Dienstag

Foto: epa/dpa
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Moskaus Militär meldet Abwehr von Raketenangriff auf die Krim

SEWASTOPOL: Das russische Militär hat nach eigenen Angaben einen Raketenangriff auf die Krim abgewehrt. Eine ukrainische Antischiffsrakete vom Typ «Neptun» vor der Küste der Halbinsel sei von der Flugabwehr entdeckt und vernichtet worden, teilte das russische Verteidigungsministerium am Dienstag mit. In der Hafenstadt Sewastopol wurden derweil Schäden durch herabfallende Trümmer einer Drohne gemeldet.

Laut Michail Raswoschajew, dem von Moskau eingesetzten Gouverneur Sewastopols, wurde das Haus eines Wohnhauses durch herabfallende Teile beschädigt. «Niemand wurde verletzt, aber durch den Absturz der Drohnenteile sind in einigen Wohnungen die Fensterscheiben kaputt gegangen», schrieb Raswoschajew auf seinem Telegram-Kanal. Der am Abend ausgerufene Luftalarm wurde inzwischen aufgehoben.

Die seit 2014 von Russland annektierte Krim ist seit Wochen Ziel verstärkter ukrainischer Angriffe. Speziell die Hafenstadt Sewastopol, die als Basis des russischen Schwarzmeerflotte dient, wurde mehrfach attackiert. Dabei wurden unter anderem ein Landungsschiff, ein U-Boot und das Hauptquartier der Schwarzmeerflotte schwer beschädigt. Ziel der Attacken ist es, die Einsatzfähigkeit der Flotte zu schmälern. Diese spielt eine wichtige Rolle in Russlands Angriffskrieg. So schießen die russischen Marineschiffe regelmäßig mit Raketen auch auf zivile Ziele in der Ukraine.


Deutscher Botschafter würdigt Moskaus Rolle bei Wiedervereinigung

MOSKAU: Deutschlands Botschafter in Russland, Alexander Graf Lambsdorff, hat die Rolle Moskaus bei der deutschen Wiedervereinigung betont. «Ohne unsere Partner in den USA, in Frankreich und Großbritannien, aber damals eben auch in der Sowjetunion, würde es den deutschen Nationalfeiertag gar nicht geben», sagte Lambsdorff am Dienstag bei seiner Festansprache in der Botschaft vor Diplomaten, Wirtschaftsvertretern und Journalisten. Die aktuelle Politik Moskaus hingegen kritisierte Lambsdorff.

Der Fall der Berliner Mauer sei auch eine Folge des «starken Freiheitsdrangs der Völker Mittel- und Osteuropas» gewesen, erinnerte der Botschafter. Nach dieser «Freiheit, Frieden, Sicherheit und nationaler Souveränität» strebe jetzt auch die Ukraine. Russland hingegen trage mit seinem Krieg Gewalt in das Nachbarland. Die Gewalt richte sich dabei auch nach innen, gegen Kritiker und Andersdenkende im eigenen Land, sagte Lambsdorff. Zugleich gab er sich optimistisch, dass die diplomatische Arbeit auf Dauer zu einer Wende in Russlands Politik führen werde. «Ich bin überzeugt: Die Gewalt wird nicht das letzte Wort haben», sagte Lambsdorff.

Lambsdorff ist seit August Botschafter in Russland. Die Beziehungen zwischen Berlin und Moskau gelten seit dem Ausbruch des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine als gespannt. Deutschland hat darauf wie andere westliche Staaten mit Sanktionen gegen Russland und finanzieller und militärischer Hilfe für die Ukraine reagiert. Nach der gegenseitigen Ausweisung von Diplomaten ist die deutsche Botschaft in Moskau dünn besetzt.


«Frankfurter Rundschau» zu Krieg gegen die Ukraine

Der Regierung von WolodymyrSelenskyj ist es zwar gelungen, das Getreideabkommen mit Polen auf den Weg zu bringen.

Und auch die Einigkeit der EU-Chefdiplomaten beim Treffen in Kiew dürfte die ukrainische Führungsriege bestärkt haben. Gleichzeitig trübt der Wahlsieg des russlandfreundlichen Linkspopulisten Robert Fico in der Slowakei und der Haushaltsstreit in den USA die Stimmung in Kiew. Denn die Solidarität der westlichen Verbündeten wirkt nicht mehr so entschlossen wie zuvor. Noch ist es nicht dramatisch. US-Präsident Joe Biden hat zugesichert, dass Washington wie versprochen der Ukraine weiter beistehen werde. Dennoch wird das die Führungsriege in Kiew besorgen. Es wird aber nichts an Selenskyis Strategie ändern. Kiew wird sich weiter gegen die russischen Invasoren wehren. Das gilt auch, wenn die Verbündeten weniger Geld und Waffen schicken. Sollte die Solidarität also dramatisch nachlassen, wäre das eine Niederlage für Washington und Brüssel und ein Sieg Wladimir Putins.


Biden spricht mit führenden Vertretern von G7, Nato, EU

WASHINGTON: US-Präsident Joe Biden hat eine Reihe der wichtigsten Vertreter von Verbündeten und Partnern zusammengerufen, um weitere Unterstützung für die Ukraine zu koordinieren. Bei einer Telefonkonferenz mit Biden am Dienstag nahmen nach Angaben aus Washington Bundeskanzler Olaf Scholz, EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg teil. Zugeschaltet waren demnach auch EU-Ratspräsident Charles Michel sowie die Staats- und Regierungschefs aus Großbritannien, Kanada, Italien, Japan, Polen, Rumänien und die französische Außenministerin.

Biden habe in der Runde auch über den Haushaltsstreit in den USA und die Entwicklungen vom Wochenende gesprochen, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby. Der Kongress hatte am Samstag einen Übergangshaushalt verabschiedet, der keine weiteren Ukraine-Hilfen vorsieht. Mit dem Kompromiss wurde ein drohender Stillstand der Regierung im letzten Moment abgewendet. Biden habe in dem Gespräch deutlich gemacht, dass er zuversichtlich sei, dass die USA ihre Zusagen für die Ukraine einhalten könnten und es dafür weiterhin überparteiliche Unterstützung geben werde.

Kirby betonte aber auch, dass der US-Kongress nun handeln müsse, damit die Unterstützung aus den Vereinigten Staaten nicht aufhöre. Biden erwarte, dass der Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, sein «öffentliches Versprechen» einhalte, die notwendige Unterstützung für die Ukraine zu sichern. Das Telefonat mit den führenden Vertretern von G7, Nato und EU habe bewiesen, dass die Welt genau hinschaue, was in den USA passiere.

Von der Leyen teilte nach den Beratungen über den Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) mit, es sei ein «gutes Gespräch» der führenden Vertreter von EU, G7, Nato und dem «Bukarest 9»-Format gewesen. Von EU-Seite seien neue Finanzhilfen in Höhe von 50 Milliarden Euro für Reformen und Investitionen vorgeschlagen worden. Bis März 2024 wolle man eine Million Schuss Munition an die Ukraine liefern. Die EU wolle außerdem dabei unterstützen, durch Russland verübte Verbrechen aufzuklären. Stoltenberg schrieb auf X: «Während Russland seinen brutalen Krieg fortsetzt, sind wir alle verpflichtet, die #Ukraine zu unterstützen, solange es nötig ist.»


Selenskyj begutachtet bei Frontbesuch Leopard-Panzer

KUPJANSK: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nach offiziellen Angaben bei einem Truppenbesuch im Frontabschnitt Kupjansk auch den Panzer Leopard 2 in Augenschein genommen. Auf einem am Dienstag auf seinem Telegram-Kanal veröffentlichten Video ist Selenskyj bei der Auszeichnung von Soldaten vor dem Hintergrund eines solchen Kampfpanzers zu sehen.

«Ein Westwagen ist ein Westwagen», lobte einer der Soldaten im Gespräch mit Selenskyj den aus deutscher Produktion stammenden Panzer. Neben den Leopard-Panzern habe Selenskyj sich auch Schützenpanzer des Typs CV-90 angesehen. Beide seien in den Kämpfen im Nordosten der Ukraine am Frontabschnitt Kupjansk im Einsatz, hieß es in der Beschriftung des Videos. Die vom Westen seit diesem Frühjahr gelieferten Panzer sollten der Ukraine helfen, besetzte Gebiete zurückzuerobern.

Die Stadt Kupjansk hat die Ukraine dabei schon im vergangenen Herbst im Zuge ihrer Gegenoffensive im Gebiet Charkiw befreit. Konnte das Kiewer Militär nach der anschließenden Überquerung des Flusses Oskil zunächst noch weiteres Gelände teilweise bis in das Gebiet Luhansk hinein zurückerobern, so ist die Initiative in dem Frontabschnitt inzwischen wieder bei den russischen Streitkräften.


Russlands Verteidigungsminister sieht Ukraine «deutlich geschwächt»

MOSKAU: Die russischen Streitkräfte haben nach Auffassung von Moskaus Verteidigungsminister Sergej Schoigu das «Kampfpotenzial» der ukrainischen Gegenoffensive «deutlich geschwächt». Dem Gegner seien empfindliche Schläge zugefügt worden, sagte Schoigu am Dienstag bei einer Sitzung der Militärführung in Moskau. Überprüfbar waren seine Angaben nicht.

Der Minister sagte auch, dass die jüngsten ukrainische Angriffe im Raum Bachmut und Soledar im Gebiet Donezk erfolgreich abgewehrt worden seien. Gescheitert seien auch ukrainische Versuche, die russischen Verteidigungslinien bei Robotyne und Werbowe im Gebiet Saporischschja zu durchbrechen, sagte er. Schoigu widersprach damit ukrainischen Angaben, nach denen es dort erfolgreiche Vorstöße gegeben habe.

Der Verteidigungsminister betonte zudem, dass Russland ausreichend Freiwillige und Vertragssoldaten habe, um die Aufgaben im Krieg gegen die Ukraine zu erfüllen. Ihre Zahl liege inzwischen bei 335.000 Menschen. Allein im September hätten mehr als 50.000 Bürger einen Vertrag für den Kriegsdienst unterschrieben. Schoigu bekräftigte, dass eine neue Mobilmachung deshalb nicht nötig sei.

Bei der von Protesten überschatteten Teilmobilmachung im vergangenen Jahr hatten Hunderttausende Russen aus Angst, zum Krieg eingezogen zu werden, das Land verlassen. Inzwischen melden sich viele Russen auch aus Mangel an Alternativen, Geld zu verdienen, freiwillig zum vergleichsweise gut bezahlten Einsatz im Krieg. Aktuell werden in Russland zudem 130.000 Wehrpflichtige eingezogen, die aber während der Ausbildung nicht im Krieg eingesetzt werden sollen. Sie können sich nach dem Grundwehrdienst freiwillig zum Kriegsdienst melden.


Slowakei-Wahl: Drittplatzierter hält sich alle Optionen offen

BRATISLAVA: Nach der Parlamentswahl in der Slowakei halten sich die drittplatzierten liberalen Sozialdemokraten als mögliche Königsmacher alle Optionen offen. Der Vorsitzende der Partei Hlas-SD, Peter Pellegrini, betonte am Dienstag nach einem Treffen mit Präsidentin Zuzana Caputova, er werde zuerst mit dem linken Wahlsieger Robert Fico sprechen, schließe aber auch Gespräche mit dem anderen Teil des politischen Spektrums nicht aus. «Wir werden die Verhandlungen verantwortungsvoll führen, sodass eine Regierung entsteht», versprach der Ex-Ministerpräsident.

Fico hatte mit seiner Partei Smer-SSD (Richtung Slowakische Sozialdemokratie) die Wahlen zum Nationalrat am Samstag mit 22,9 Prozent der Stimmen gewonnen. Er war bereits von 2006 bis 2010 und 2012 bis 2018 Regierungschef. Auf dem zweiten Platz landete die liberale Progressive Slowakei mit 18 Prozent, gefolgt von Pellegrinis Hlas-SD (Stimme Sozialdemokratie) mit 14,7 Prozent.

Fico warf derweil in einem Facebook-Video dem Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE), Stefan Löfven, «Erpressung» vor. Der schwedische Ex-Ministerpräsident habe mit einem Ausschlussverfahren gegen die Smer-Partei gedroht, falls Fico an seiner Haltung zum Ukraine-Krieg festhalte. Das sei «undemokratisch» und «autoritär», wetterte Fico. Er forderte sofortige Friedensverhandlungen mit Russland. Vor kurzem hatte er angekündigt, der Ukraine «nicht eine Patrone» mehr zu schicken.


Ukrainische Flugabwehr schießt Dutzende russische Drohnen ab

KIEW: Die ukrainische Flugabwehr hat nach eigenen Angaben bei neuen massiven russischen Luftangriffen 29 Drohnen und eine Rakete vom Typ Iskander abgeschossen. Bei den Angriffen in der Nacht seien nur zwei sogenannte Kamikaze-Drohnen vom iranischen Typ Shahed-136/131 nicht abgeschossen worden, teilten die Luftstreitkräfte des Landes am Dienstag mit. Details nannten sie nicht. Angegriffen hätten die Russen diesmal östliche und südliche Regionen des Landes im Raum Dnipropetrowsk und Mykolajiw, hieß es.

Im Gebiet Dnipropetrowsk seien zwei Gebäude eines Unternehmens durch Raketentrümmer beschädigt worden, teilte die Behörden dort mit. Zu Verletzten gab es keine Angaben. Die ukrainischen Behörden meldeten erneut auch Artilleriebeschuss von russischer Seite.

In Russland warf der Gouverneur des Gebietes Brjansk, Alexander Bogomas, den ukrainischen Streitkräften vor, das Dorf Klimowo mit Streumunition beschossen zu haben. Es seien mehrere Wohnhäuser beschädigt worden, teilte er am Dienstagmorgen in seinem Kanal im Nachrichtendienst Telegram mit. Verletzt worden sei nach ersten Erkenntnissen niemand.

Russland überzieht die Ukraine seit Beginn seines Angriffskrieges am 24. Februar 2022 immer wieder mit Luftangriffen. Die ukrainische Flugabwehr ist nach den Lieferungen westlicher Luftverteidigungssysteme in der Lage, den Großteil der Drohnen und Raketen abzuschießen. Das Land hat den Westen aufgerufen, noch mehr Flugabwehrsysteme zu liefern, um die Städte und Regionen noch besser schützen zu können.


«De Standaard»: Unterstützer der Ukraine noch in der Mehrheit

BRÜSSEL: Die belgische Zeitung «De Standaard» kommentiert am Dienstag den Kriegsverlauf in der Ukraine:

«Dass die Solidarität mit der Ukraine erodiert, ist unvermeidlich. Selenskyjs militärischer Fortschritt bemisst sich derzeit in Millimetern und kostet viele Menschenleben sowie Milliarden von Dollars. Der Krieg scheint im Moment aussichtslos zu sein und niemand mag vorhersagen, wie lange sich der Konflikt noch hinschleppen wird.

Bedeutet dies, dass Selenskyj bereits in finanzielle Bedrängnis gerät und ihm keine andere Wahl bleibt, als Friedensgespräche anzustreben? Das nicht. Joe Biden ist noch anderthalb Jahre lang Präsident der USA und garantiert, dass er die Ukraine weiterhin unvermindert unterstützen wird. Auch in den EU-Mitgliedstaaten und in Großbritannien sind die Unterstützer der Ukraine immer noch deutlich in der Mehrheit. (...)

Die ukrainischen Soldaten haben viele Kilometer offenes Gelände vor sich, voll mit Antipersonenminen, Schützengräben, Panzerabwehrgeschützen und Betonhindernissen. Um diese ohne allzu viele Verluste und zerstörte Panzer zu überwinden, braucht man Zeit und Geduld. Zeit und Geduld sind nun die wertvollsten Elemente an der Front. Wer damit unbedacht umgeht, wird den Krieg verlieren.»


London: Brandmarkung als «Auslandsagent» verfängt in Russland

LONDON: Russland hat nach britischer Einschätzung mit seiner Taktik Erfolg, Kritiker, Medien und Nichtregierungsorganisationen (NGO) als «ausländische Agenten» zu brandmarken. «Mit den Maßnahmen wird der Informationsraum innerhalb Russlands erheblich eingeschränkt», teilte das britische Verteidigungsministerium am Dienstag mit. «Dadurch wird es immer schwieriger, einen Standpunkt zu vertreten, der von der offiziellen Linie abweicht, einschließlich abweichender Meinungen zum Krieg.»

In der Bevölkerung verfange die Taktik, hieß es in London unter Berufung auf eine kürzlich veröffentlichte Umfrage des staatlichen russischen Meinungsforschungsinstituts WZIOM weiter. Demnach seien 61 Prozent der Befragten der Meinung gewesen, dass sie «ausländische Agenten» für «Verräter» halten, die Lügen über Russland verbreiten. «Die Behörden nutzen die Bezeichnung «ausländischer Agent» erfolgreich als Mittel, um die öffentliche Meinung auf Linie der antiwestlichen und kriegsfreundlichen Narrative des Staates zu bringen», betonte das britische Ministerium.

Wer in Russland als «ausländischer Agent» gelistet ist, muss mit zahlreichen Nachteilen rechnen. Die Organisationen, Medien und Personen in dem Register unterliegen einer verstärkten Aufsicht über ihre Finanzen. Die Einstufung soll Misstrauen gegen sie schüren und ihre Arbeit in Russland erschweren. NGO beklagen, dass sich Russen abwenden - aus Angst, der Zusammenarbeit mit «ausländischen Agenten» bezichtigt zu werden.

Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine im Februar 2022 täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Moskau wirft London Desinformation vor.

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