Ukraine-Krise: Aktuelles Geschehen am Dienstag

Foto: epa/dpa
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Selenskyj vor UN: Russlands Aggression bedroht auch andere Staaten

NEW YORK: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland vor den Vereinten Nationen vorgeworfen, auch viele andere Staaten mit seiner Aggression zu bedrohen. «Es geht nicht nur um die Ukraine», sagte Selenskyj am Dienstag bei der UN-Generaldebatte in New York. «Wenn Hass als Waffe gegen eine Nation eingesetzt wird, dann hört es nie damit auf», mahnte er. «In jedem Jahrzehnt zettelt Russland einen neuen Krieg an.» Teile von Moldau und Georgien seien besetzt, Russland habe sich Belarus fast einverleibt, bedrohe Kasachstan, die baltischen Staaten - und die internationale Ordnung.

«Viele Sitze in der Halle der Generalversammlung könnten leer werden, wenn Russland mit seinem Verrat und seiner Aggression Erfolg hat.» Moskau nutze im Krieg gegen die Ukraine nicht nur militärische, sondern auch andere Waffen - «und diese Dinge werden nicht nur gegen unser Land eingesetzt, sondern auch gegen Ihres», sagte Selenskyj an die Adresse der UN-Mitgliedstaaten. «Russland setzt Lebensmittelpreise als Waffe ein», mahnte er. «Die Auswirkungen erstrecken sich von der Atlantikküste Afrikas bis nach Südostasien.» Ebenso nutze Moskau Energie als Waffe, um Regierungen anderer Länder zu schwächen.

«Terroristen haben kein Recht, Atomwaffen zu besitzen», mahnte Selenskyj mit Blick auf Russland und dessen Drohungen mit nuklearem Vernichtungspotenzial. «Aber wahrlich, nicht die Atombomben sind jetzt das Furchterregendste.»

Der ukrainische Präsident nahm zum ersten Mal seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen sein Land im Februar 2022 persönlich an der UN-Generaldebatte in New York teil. Im vergangenen Jahr hatte er sich per Videoansprache an die Vereinten Nationen gewandt.


Scholz ruft Russland erneut zum Truppenabzug auf

NEW YORK: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Russland am Rande der UN-Generaldebatte erneut aufgefordert, den Krieg gegen die Ukraine zu beenden. Er richte «furchtbare Zerstörungen» an, und deshalb sei es gerade bei den Vereinten Nationen wichtig klarzumachen, dass der Angriffskrieg unakzeptabel sei und Russland seine Truppen zurückziehen müsse, sagte Scholz am Dienstag am Rande der UN-Generaldebatte in New York.

Scholz will am Mittwoch den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in New York treffen. Am Dienstag hatte Deutschland bei einer internationalen Konferenz auf dem US-Stützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz der Ukraine weitere militärische Unterstützung im Wert von 400 Millionen Euro zugesagt. Die von der Ukraine gewünschten Taurus-Marschflugkörper waren aber noch nicht dabei. Dazu äußerte sich Scholz auf Nachfrage am Dienstag nicht.


US-Präsident Biden: Wenn Russland siegt, ist niemand mehr sicher

NEW YORK: US-Präsident Joe Biden hat die Weltgemeinschaft aufgerufen, der Ukraine zum eigenen Schutz vor künftigen Aggressionen beizustehen. «Die Welt muss der nackten Aggression heute entgegentreten, um andere potenzielle Aggressoren von morgen abzuschrecken», sagte Biden am Dienstag bei der Generaldebatte der Vereinten Nationen in New York. «Wenn wir zulassen, dass die Ukraine zerstückelt wird, ist dann die Unabhängigkeit irgendeiner Nation sicher? Die Antwort ist Nein.»

«Russland glaubt, dass die Welt müde wird und es ihm erlaubt, die Ukraine ohne Konsequenzen brutal zu behandeln», mahnte er. Wenn internationale Grundprinzipien aufgegeben würden, «um einen Aggressor zu beschwichtigen, kann sich dann irgendein Mitgliedstaat sicher fühlen, dass er geschützt ist?», sagte Biden an die Adresse der UN-Mitgliedsstaaten.

Deshalb stünden die Vereinigten Staaten, gemeinsam mit ihren Verbündeten und Partnern in der ganzen Welt an der Seite der Ukraine bei der Verteidigung ihrer Souveränität, ihrer territorialen Integrität und ihrer Freiheit. Biden mahnte: «Russland allein trägt die Verantwortung für diesen Krieg. Russland allein hat die Macht, diesen Krieg sofort zu beenden. Russland allein steht dem Frieden im Weg.»


US-Verteidigungsminister: Dringender Bedarf bei Luftverteidigung

WASHINGTON/RAMSTEIN: US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hat mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine den «dringenden Bedarf» an Investitionen in die Luftverteidigung hervorgehoben. Er habe die Verbündeten und Partner aufgefordert, der Ukraine so viel Munition für die Luftverteidigung wie möglich zu spenden, sagte Austin am Dienstag zum Abschluss einer Ukraine-Konferenz auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein. Dies sei wichtig, da die Ukraine auf einen weiteren Kriegswinter zusteuerte.

Er habe seine Kollegen auch aufgefordert, noch einmal ihre Bestände an 155-Millimeter-Munition und wichtigen Luftabwehrsystemen und Abfangjägern zu überprüfen, «um sicherzustellen, dass wir alle alles in unserer Macht Stehende tun, um die Ukraine auf den bevorstehenden Winter vorzubereiten». Zur fünften Konferenz dieser Art im pfälzischen Ramstein hatte Austin ranghohe Militärs und Verteidigungsminister aus etwa 50 Mitgliedsländern der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe eingeladen. Zu dieser Gruppe gehört auch Deutschland.


UN-Woche geht weiter: Selenskyj und Lawrow im Sicherheitsrat erwartet

NEW YORK: Am Rande der Generaldebatte der UN-Vollversammlung wird der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Mittwoch (ab 17.00 Uhr MESZ) im Mittelpunkt einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats stehen. Bei einem Treffen des 15-köpfigen Gremiums zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine könnte Selenskyj erstmals seit dem Einmarsch Russlands auf den russischen Außenminister Sergej Lawrow treffen.

Auch ein Treffen Selenskyjs mit Bundeskanzler Olaf Scholz war für Mittwoch geplant. Dabei könnte es um die ukrainische Forderung nach Marschflugkörpern vom Typ Taurus gehen. Scholz hat sich dazu bisher zurückhaltend geäußert. Selenskyjs erste Reise zum UN-Hauptquartier in New York seit Kriegsausbruch wird als Versuch gesehen, skeptische Länder von seinem Kurs zu überzeugen.

Außerdem soll im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York am Mittwoch die Generaldebatte der UN-Vollversammlung in ihren zweiten Tag gehen. Angekündigt ist unter anderem eine Rede der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Die UN-Woche war am Montag bereits mit einem hochrangig besetzten Gipfel zu den UN-Nachhaltigkeitszielen gestartet. Noch bis zum Dienstag, mit einer Pause am Sonntag und Montag, sollen bei der Generaldebatte mehr als 140 Staats- und Regierungschefs sprechen. Bei vielen Reden dürfte der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine eine wichtige Rolle spielen.


Ukraine will reparaturbedürftige Leopard-Panzer nicht haben

BERLIN/HAMBURG: Bei der Lieferung deutscher Leopard-Panzer an die Ukraine gibt es einem «Spiegel»-Bericht zufolge erhebliche Probleme. Nach Informationen des Magazins hat Kiew die Übernahme von zehn Panzern des Typs Leopard 1A5 verweigert, weil sie stark reparaturbedürftig seien. Experten vom Bundesverteidigungsministerium hätten mittlerweile festgestellt, dass die Panzer bei der Ausbildung von ukrainischen Soldaten in Deutschland so stark verschlissen worden seien, dass sie eine Instandsetzung benötigten.

Weiter heißt es, dass mehrere der bereits im Juli in die Ukraine überführten Leopard-1A5-Panzer dort wegen ähnlicher Probleme ausgefallen seien. Das Verteidigungsministerium wollte den Bericht auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur nicht kommentieren.

Die Panzer, die aus Industriebeständen stammen und von den Rüstungskonzernen instandgesetzt wurden, waren die ersten Tranchen einer geplanten Großlieferung. Im Februar hatte die Bundesregierung zugesagt, 100 Kampfpanzer des älteren Typs Leopard 1 an die Ukraine zu liefern. Die Bundeswehr hat ihre letzten Leopard 1 bereits vor 20 Jahren ausgemustert.


Tote und Verletzte durch neuen russischen Beschuss in der Ukraine

CHERSON: Russland hat am Dienstag den Beschuss ukrainischer Städte auch im Norden und Süden des Landes fortgesetzt, wobei mindestens vier Personen getötet wurden. In der südukrainischen Stadt Cherson traf russische Artillerie einen Trolleybus, wodurch nach Angaben lokaler Behörden ein Polizist getötet und zwei Zivilisten verletzt wurden. In der Stadt Kupjansk im Nordosten des Landes starben drei Menschen nach dem Einschlag einer russischen Fliegerbombe.

Dem Militärchef der nordöstlichen Region Charkiw, Oleg Synehubow, zufolge werden Details zum Angriff auf Kupjansk zum Stand Dienstagnachmittag noch geklärt. In der benachbarten Region Sumy wurden nach Angaben der Staatsanwaltschaft zwei weitere Personen durch russischen Beschuss ziviler Gebäude verwundet. In Cherson gab der Militärgouverneur Olexander Prokudin an, dass die Region Cherson innerhalb der letzten 24 Stunden 95 Mal beschossen worden sei, wobei alleine in der Stadt selbst elf Geschosse niedergingen.

Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als anderthalb Jahren gegen den russischen Angriffskrieg. Dabei überzieht Russland die Ukraine regelmäßig mit Drohnen-, Raketen- und Artillerieangriffen. Es kommt immer wieder zu Todesfällen unter der Zivilbevölkerung.


London: Russen verstärken Aktivitäten bei Dnipro-Inseln

LONDON: Die russischen Truppen in der Ukraine haben nach Einschätzung britischer Militärexperten ihre Aktivitäten im Kampf um die Dnipro-Inseln am unteren Flusslauf verstärkt. Das ging am Dienstag aus dem täglichen Geheimdienstbericht zum Ukraine-Krieg des Verteidigungsministeriums in London hervor. Die Inseln im Gebiet Cherson waren demnach in der ersten Septemberhälfte schwer umkämpft. Beide Seiten griffen mit Gruppen in kleinen Booten ihre Gegner auf den Inseln oder dem gegenüberliegenden Ufer an, so die Mitteilung.

Die Zahl der involvierten Truppen ist nach Angaben der Briten verhältnismäßig gering. Doch beide Seiten betrachten das Gebiet demnach als strategisch wichtig. Die Auseinandersetzung darum gebe «auch die Möglichkeit, gegnerische Einheiten zu binden und von der Teilnahme an den intensiven Kämpfen in den Gebieten Saporischschja und Donezk abzuhalten».

Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine im Februar 2022 täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Moskau wirft London Desinformation vor.


Russland greift westukrainische Stadt Lwiw mit Kamikaze-Drohne an

LWIW: Die westukrainische Stadt Lwiw (Lemberg) ist am Dienstagmorgen Ziel eines russischen Luftangriffs geworden. Der Einschlag einer Kamikaze-Drohne löste örtlichen Behörden zufolge einen Brand in einem städtischen Lagerhaus aus. Dabei kam ein Lagermitarbeiter ums Leben, dessen Leiche von Helfern unter den Trümmern des Gebäudes geborgen wurde. Eine Person wurde leicht und eine weitere Person schwer verletzt. Lwiw liegt mit dem Auto nur knapp 80 Kilometer östlich der Grenze zum Nato- und EU-Staat Polen.

Auch andere Teile der Ukraine meldeten russische Angriffe - alleine über der südukrainischen Region Mykolajiw wurden nach Angaben der Militärverwaltung im Morgengrauen zehn Drohnen iranischer Bauart vom Typ «Shahed-136/131» abgeschossen. In der südlichen Stadt Kriwyj Rih traf eine Drohne ein mehrstöckiges Wohngebäude und löste den Behörden zufolge einen Brand aus. Eine weitere Drohne sei abgeschossen worden.

Insgesamt setzte die russische Armee in der Nacht 30 Kamikaze-Drohnen und eine Rakete vom Typ «Iskander-M» ein, wie die ukrainische Luftwaffe auf Telegram mitteilte. 27 Drohnen seien dabei abgeschossen worden. Die Angriffe sollen - wie bereits am Vortag - vom Westufer des Asowschen Meeres und von der bereits 2014 von Russland völkerrechtswidrig annektierten Halbinsel Krim aus gestartet worden sein. Die Angaben der Kriegsparteien lassen sich häufig nicht unabhängig bestätigen.

Die Ukraine wehrt seit mehr als anderthalb Jahren mit westlicher Unterstützung eine russische Invasion ab.


China: Russisches Lob für Positionspapier zum Ukraine-Krieg

PEKING/MOSKAU: Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat nach Angaben Pekings das chinesische Positionspapier vom Februar zum Ukraine-Krieg gelobt. Bei einem Treffen mit seinem Kollegen Wang Yi in Moskau habe Lawrow hervorgehoben, das Papier ziehe die Sicherheitsbedenken aller Seiten in Betracht, teilte das chinesische Außenamt in Peking am Dienstag mit. Die Volksrepublik hatte Ende Februar in dem Zwölf-Punkt-Papier einen Waffenstillstand und Verhandlungen gefordert, was im politischen Westen allerdings skeptisch aufgefasst wurde, weil die Diplomaten keine neue Initiative darin erkannten.

Russland sei weiterhin offen für Dialog, erklärte Lawrow laut chinesischen Angaben. China halte weiter an Friedensgesprächen fest und wolle auf seine Weise zu einer konstruktiven Lösung der Krise beitragen, hieß es weiter.

Die Vertreter der beiden Atommächte betonten zudem ihre Rolle in der Weltpolitik. Wang Yi habe Lawrow gesagt, dass China und Russland als Weltmächte und ständige Mitglieder im UN-Sicherheitsrat wichtige Verantwortung für die Wahrung von Stabilität in der Welt trügen, teilte das Außenamt mit. Wang Yi war am Montag zur 18. Runde der strategischen Sicherheitsberatungen zwischen China und Russland nach Moskau gereist - ein jährlich stattfindendes Treffen der beiden Staaten. China ist ein wichtiges Partnerland für Russland.

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