Selenskyj: Lassen uns durch russische Dammsprengung nicht aufhalten
KIEW: Die Ukraine wird sich laut Präsident Wolodymyr Selenskyj auch durch die Explosion des Staudamms am Dnipro im Süden des Landes nicht an der Rückeroberung besetzter Gebiete hindern lassen. «Die von russischen Terroristen verursachte Katastrophe im Wasserkraftwerk Kachowska wird die Ukraine und die Ukrainer nicht aufhalten», sagte Selenskyj am Dienstag in seiner abendlichen Videobotschaft. Zugleich versprach er den Betroffenen in der Überschwemmungsregion Hilfe. Moskau und Kiew werfen sich gegenseitig die Zerstörung des Damms vor.
Nach Darstellung Selenskyjs diente die Sprengung des Staudamms dazu, die ukrainische Gegenoffensive auszubremsen. «Wir werden trotzdem unser gesamtes Land befreien», kündigte er an. Solche Attacken könnten Russlands Niederlage nicht verhindern, sondern führten nur dazu, dass Moskau am Ende einen höheren Schadenersatz zahlen müsse. Der ukrainische Generalstaatsanwalt habe sich bereits an den Internationalen Strafgerichtshof mit der Bitte um eine Untersuchung der Explosion gewandt.
Den Menschen in der Region sagte Selenskyj derweil Hilfe zu. Die Regierung tue alles, um Hochwasseropfer zu retten und die Bevölkerung mit Trinkwasser zu versorgen.
Selenskyj präsentierte auch eine Begründung dafür, warum Russland die von ihr kontrollierte Halbinsel Krim mit solch einer Sprengung von der Wasserversorgung abschneide. Moskau hat sich seinen Angaben nach bereits darauf eingestellt, die seit 2014 annektierte Krim zu verlieren.
Russischer UN-Botschafter: Humanitäre Hilfe muss über Russland kommen
NEW YORK: Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine will Russland UN-Hilfskräfte nur dann auf das von Moskau kontrollierte Gebiet lassen, wenn sie über Russland dorthin reisen. «Sie weigern sich einfach, von der Russischen Föderation aus zu gehen», sagte der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja vor einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates in New York. Zugang sei den Hilfskräften «erlaubt, sofern sie aus dem richtigen Gebiet einreisen.» Nebensja ließ zudem durchblicken, dass er eine unabhängige Untersuchung zu den Hintergründen der Zerstörung befürworten würde.
Die Ukraine beschuldigt Russland, den Damm gesprengt zu haben, dessen Zerstörung große Überflutungen verursacht hat. Moskau behauptet, dass ukrainische Truppen die Anlage beschossen hätten. Nach UN Angaben sind mindestens 16.000 Menschen in der Region durch Überschwemmungen obdachlos geworden.
Frankreich bietet Ukraine nach Damm-Zerstörung Hilfe an
PARIS: Frankreich hat der Ukraine nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Süden des Landes Unterstützung angeboten. «Frankreich hält sich bereit, den ukrainischen Behörden Hilfe zu leisten, um auf die Folgen der teilweisen Zerstörung des Damms zu reagieren», hieß es in einem Schreiben des französischen Außenministeriums vom Dienstagabend. Man sei wegen der humanitären und ökologischen Auswirkungen sowie der Folgen für die Sicherheit des Atomkraftwerks Saporischschja sehr besorgt. Die Zerstörung bezeichnete Frankreich als «besonders schwere Tat». «Sie illustriert erneut die tragischen Konsequenzen eines Überfalls, für den Russland die alleinige Verantwortung trägt.»
Die Ukraine beschuldigt Russland, den Damm gesprengt zu haben, dessen Zerstörung große Überflutungen verursacht hat. Russland hat die Hoheit über das Wasserkraftwerk. Moskau behauptet hingegen, dass ukrainische Truppen die Anlage beschossen hätten.
Moskau wirft Kiew nach Dammbruch Terroranschlag gegen Zivilisten vor
MOSKAU: Kurz vor der Sitzung des UN-Sicherheitsrats hat das russische Außenministerium die Ukraine beschuldigt, den Kachowka-Staudamm zerstört zu haben. «Der Vorfall ist ein Terroranschlag, der sich gegen zutiefst zivile Infrastruktur richtet», heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Mitteilung der Behörde. Russland habe die Sitzung des UN-Sicherheitsrats initiiert, um die von Kiew ausgelöste große «humanitäre und ökologische Katastrophe» zu verurteilen. Die Ukraine ihrerseits wirft Russland die Sprengung des Staudamms vor.
Die Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine sollte noch am Dienstag den UN-Sicherheitsrat in New York beschäftigen. Eine Dringlichkeitssitzung sei für 16 Uhr (22 Uhr MESZ) anberaumt worden, teilten Diplomatenkreise der Deutschen Presse-Agentur mit.
Laut dem Außenministerium in Moskau handelt es sich um eine geplante und gezielte Aktion des ukrainischen Militärs im Rahmen der eigenen Gegenoffensive. Kiew habe den Staudamm nicht nur beschossen, sondern den Wasserstand durch die vorherige Öffnung einer Schleuse am Oberlauf des Dnipro auf ein kritisches Niveau angehoben. Durch den Dammbruch würden die Landwirtschaft und das Ökosystem der Region Cherson geschädigt und die Wasserversorgung der Krim beeinträchtigt, so der Vorwurf aus Moskau.
Die 2014 von Russland annektierte Krim erhält Wasser aus dem Dnipro über einen Kanal. Wurde dieser nach 2014 zwischenzeitlich trockengelegt, so hat Russland nach der Besetzung des Kachowka-Staudamms auch den Kanal Richtung Krim für die Bewässerung der Halbinsel wieder geöffnet.
Moskau präsentiert Traktoren als zerstörte Leopard-Kampfpanzer
MOSKAU: Russlands Verteidigungsministerium hat die Vereitelung der ukrainischen Großoffensive und die Zerstörung von Kampfpanzern Leopard gemeldet - dabei aber offenbar falsche «Beweisbilder» präsentiert. Auf dem Video sei die Zerstörung eines Traktors zu sehen, urteilte der prorussische Militärblog «Wojenny Oswedomitel» am Dienstag nach Ansicht der Bilder. «Er ging dann in die Berichte des Verteidigungsministeriums als Leopard 2 ein.» Verteidigungsminister Sergej Schoigu hatte zuvor unter anderem die Vernichtung von acht Leopard-Kampfpanzern verkündet.
Auch andere russische Militärblogger kritisierten die Erfolgsmeldung als offensichtliche Ente. Nach Angaben des nationalistischen Bloggers Fighterbomber handelt es sich um Bilder aus dem Vorjahr. Zu der Zeit verfügte Kiew noch nicht über westliche Kampfpanzer des Typs Leopard. Die meisten Leopard-Panzer hat Deutschland an die Ukraine geliefert. Sie sollen dem Land während der geplanten Offensive bei der Rückeroberung ihrer von Russland besetzten Territorien helfen.
Das russische Verteidigungsministerium ist in der Vergangenheit schon mehrfach mit Übertreibungen in ihren Erfolgsmeldungen aufgefallen. So hat die russische Armee nach Angaben ihres Sprechers Igor Konaschenkow inzwischen etwa deutlich mehr ukrainische Flugzeuge abgeschossen als das Land je hatte.
USA nach Damm-Zerstörung: Wollen herausfinden, was genau passiert ist
WASHINGTON: Die US-Regierung erwartet nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine «erheblichen Schaden» für die Menschen in der Ukraine und die Region. «Wir wissen, dass es Opfer gibt, darunter wahrscheinlich auch viele Tote, auch wenn es sich um erste Berichte handelt und wir das im Moment noch nicht beziffern können», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Dienstag im Weißen Haus. «Wir können zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend sagen, was passiert ist», fügte er hinzu. US-Präsident Joe Biden sei am Morgen (Ortszeit) über die Ereignisse informiert worden.
Die Ukraine beschuldigt Russland, den Damm gesprengt zu haben, dessen Zerstörung große Überflutungen verursacht hat. Russland hat die Hoheit über das Wasserkraftwerk. Moskau behauptet hingegen, dass ukrainische Truppen die Anlage beschossen hätten. Auch die US-Regierung betonte am Dienstag, dass Russland während der Explosion die Kontrolle über das Wasserkraftwerk gehabt habe. «Wir versuchen immer noch zu beurteilen, was hier passiert ist», machte Kirby gleichzeitig deutlich. Neben dem Verlust von Menschenleben könnte die Zerstörung des Kraftwerks auch verheerende Auswirkungen auf die Energiesicherheit der Ukraine haben, warnte er.
«Berliner Morgenpost» zu Staudamm/Ukraine
Nach der massiven Beschädigung des Damms des Kachowkaer Stausees im Süden der Ukraine kursierten erschreckende Bilder und Videos im Netz.
Sie zeugen von einer neuen Eskalation des Krieges und von einer bisher nicht da gewesenen Skrupellosigkeit. Beide Kriegsparteien bezichtigen sich gegenseitig, für die Explosion verantwortlich zu sein. Die Russen aber halten das Wasserkraftwerk besetzt, in dem sich die Explosion ereignet haben soll. Und sie bleiben bislang eine Erklärung schuldig, wie es ukrainischen Militärs oder Saboteuren möglich gewesen sein soll, die Anlage zu attackieren. Dass sich das russische Militär nun einige Hundert Meter vom linken Ufer des Dnipro zurückziehen musste, kann kein Grund für einen solchen Angriff sein. Wie alle anderen Kriegsverbrechen in der Ukraine muss auch dieses konsequent aufgeklärt werden.
UN-Sicherheitsrat soll noch am Dienstag wegen Damm tagen
NEW YORK: Die Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine soll noch am Dienstag den UN-Sicherheitsrat in New York beschäftigen. Eine Dringlichkeitssitzung sei für 16 Uhr (22 Uhr MESZ) anberaumt worden, teilten Diplomatenkreise der Deutschen Presse-Agentur mit. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte demnach zunächst beantragt, virtuell bei der Veranstaltung sprechen zu dürfen - es gab in der Folge aber uneindeutige Informationen dazu, ob dies von Seiten der Ukraine noch immer geplant war. Für die Vereinten Nationen spricht Nothilfe-Koordinator Martin Griffith. Zunächst war Kreisen zufolge ein Briefing von Generalsekretär António Guterres angefragt gewesen.
Die Ukraine beschuldigt Russland, den Damm gesprengt zu haben, dessen Zerstörung große Überflutungen verursacht hat. Moskau behauptet, dass ukrainische Truppen die Anlage beschossen hätten.
Östliche Nato-Länder rufen zu Geschlossenheit gegen Russland auf
BRATISLAVA: Die Staatsoberhäupter von neun östlichen Nato-Ländern haben ihre Unterstützung für die Ukraine bekräftigt. Bei einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Bratislava zur Vorbereitung des Nato-Gipfels in Vilnius im Juli unterstrichen sie die Unabhängigkeit der Ukraine und die Unverletzbarkeit ihrer international anerkannten Grenzen. Die slowakische Gastgeberin Zuzana Caputova rief in einer Pressekonferenz beim Treffen des sogenannten Bukarest-Neun-Formats auch die westlichen Verbündeten zur Geschlossenheit gegenüber dem Aggressor Russland auf.
«Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass der beste Weg der Wiederherstellung des Friedens in Europa unsere intensive Hilfe für die Ukraine ist», sagte Caputova mit Blick auf das letzte Treffen der Staatengruppe in Rumänien vor einem Jahr. Dank dieser Hilfe kontrolliere Russland inzwischen weniger ukrainisches Territorium als noch vor einem Jahr. Die östlichen Nato-Länder hingegen seien zugleich widerstandsfähiger gegen mögliche russische Aggressionen geworden. Wichtig sei nun aber auch eine weitere Verstärkung der eigenen militärischen Kapazitäten.
Rumäniens Präsident Klaus Iohannis erklärte, die östlichen Nato-Länder stünden in der vordersten Linie und spürten daher die negativen Auswirkungen des von Russland entfesselten Krieges besonders stark. Umso wichtiger sei für sie daher ein gemeinsames Ziel zum Schutz und zur Abschreckung gegenüber dem Feind an der Nato-Ostgrenze. Der polnische Präsident Andrzej Duda wies darauf hin, dass nicht nur Russland, sondern auch Belarus die Sicherheit Osteuropas gefährde. Zum 2015 gegründeten Bukarest-Neun-Format gehören neben Polen, Rumänien und der Slowakei auch Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Tschechien und Ungarn.
Tausende müssen nach Dammbruch in Sicherheit gebracht werden
KIEW: Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der Süd-Ukraine müssen Angaben aus Kiew zufolge Zehntausende Menschen vor dem Hochwasser in Sicherheit gebracht werden. Allein auf der von den Ukrainern kontrollierten rechten Seite des Flusses Dnipro müssten 17.000 Anwohner gerettet werden, sagte die stellvertretende Generalstaatsanwältin der Ukraine, Viktoria Lytwynowa, am Dienstag im Fernsehen. Rund 1300 Menschen hatten ihre Häuser laut ukrainischen Angaben bis zum Nachmittag verlassen.
Weitere rund 25.000 Menschen seien auf der von Russland besetzten südlichen Flussseite in Gefahr, hieß es zudem aus Kiew. Über ihr Schicksal war zunächst wenig bekannt.
Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal sprach von Überschwemmungsgefahr für bis zu 80 Ortschaften. Militärgouverneur Olexander Prokudin berichtete von zunächst acht Ortschaften, die ganz oder teilweise unter Wasser stünden - darunter auch Teile der Stadt Cherson. Angaben über Tote oder Verletzte gab es zunächst nicht.
Das Hilfswerk Caritas teilte mit, in den Städten Odessa und Mykolajiw seien Zentren für Hochwasser-Flüchtlinge eingerichtet worden. Bislang wisse man von 600 überfluteten Häusern, hieß es. Sollte der Wasserstand im Kachowka-Stausee auf eine Höhe von unter 14 Metern absinken, drohe rund 200.000 Menschen auch außerhalb des Gebiets Cherson Wasserknappheit, warnte die Organisation.
Finnland weist neun russische Botschaftsmitarbeiter aus
HELSINKI: Finnland weist neun Mitarbeiter der russischen Botschaft in Helsinki aus. Das teilten der finnische Präsident Sauli Niinistö und die Regierung der geschäftsführenden Ministerpräsidentin Sanna Marin nach einem Treffen am Dienstag mit, auf dem sie die aktuelle Lage im Ukraine-Krieg und Vorbereitungen für den Nato-Gipfel in Vilnius im Juli besprachen. Die Botschaftsmitarbeiter seien geheimdienstlich tätig gewesen und hätten gegen das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen verstoßen.
Zugleich verurteilten der Präsident und die Regierung die Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine. Es handle sich um eine humanitäre und ökologische Katastrophe, erklärten sie.
Finnland hatte unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ebenso wie Schweden die Mitgliedschaft in der Nato beantragt. Die Finnen sind Anfang April 31. Mitglied der Verteidigungsallianz geworden, den Schweden fehlt für die Aufnahme noch die Zustimmung der Türkei und Ungarns. Finnland ist das EU-Land mit der mit Abstand längsten Grenze zu Russland, sie erstreckt sich auf einer Länge von 1340 Kilometern.
USA: Nicht sicher über Hintergründe der Staudamm-Zerstörung
NEW YORK: Die USA haben keine gesicherten Erkenntnisse über die Hintergründe der Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine - ein amerikanischer UN-Vertreter hält eine Sabotage durch Kiew aber für unwahrscheinlich. «Warum sollte die Ukraine so etwas ihrem eigenen Territorium und ihren eigenen Menschen antun, ihr Land überschwemmen und Zehntausende dazu zwingen, ihre Häuser zu verlassen? Das macht einfach keinen Sinn», sagte der stellvertretende Botschafter Robert Wood am Dienstag vor einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates in New York. Wood sagte, er hoffe, in einigen Tagen mehr Informationen zu dem offensichtlichen Angriff auf den Damm zu haben.
Die Ukraine beschuldigt Russland, den Damm gesprengt zu haben, dessen Zerstörung große Überflutungen verursacht hat. Moskau behauptet, dass ukrainische Truppen die Anlage beschossen hätten. Nach UN Angaben sind mindestens 16.000 Menschen in der Region durch Überschwemmungen obdachlos geworden.
Scholz: Russland wollte mit Staudamm-Sprengung Offensive stoppen
BERLIN: Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz sieht in der Sprengung eines Staudamms im russisch besetzten Teil der Ukraine eine gezielte Aktion Russlands, um eine militärische Offensive der Ukraine zu stoppen.
«Das ist natürlich, bei allem was man annehmen kann, eine Aggression der russischen Seite, um die ukrainische Offensive zur Verteidigung des eigenen Landes aufzuhalten», sagte der SPD-Politiker in der Sendung «RTL Direkt Spezial - Am Tisch mit Olaf Scholz», die am Dienstagabend ausgestrahlt werden soll (22.10 Uhr).
Der Angriff auf den Kachowka-Staudamm sei «einer, den wir lange befürchtet haben», sagte Scholz. Die Attacke habe schlimme Konsequenzen für alle, die im Umfeld des Staudamms lebten. «Das zeigt schon, dass das eine neue Dimension ist.»
In dem von Russland besetzten Teil des südukrainischen Gebiets Cherson sind ein Staudamm und ein angrenzendes Wasserwerk zerstört worden. Kiew und Moskau beschuldigen sich gegenseitig, für die Sprengung verantwortlich zu sein. Nach ukrainischen Angaben sind in der «kritischen Zone» rund um die Anlage nahe der Stadt Nowa Kachowka etwa 16.000 Menschen zu Hause.
Selenskyj sieht größtes menschengemachtes Umweltdesaster
KIEW: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Moskau für die Sprengung des Kachowka-Staudamms verantwortlich gemacht und mit dem Einsatz einer Massenvernichtungswaffe verglichen. «Das ist die größte menschengemachte Umweltkatastrophe in Europa seit Jahrzehnten», sagte er bei einer Sicherheitskonferenz in der slowakischen Hauptstadt Bratislava. Dort war er am Dienstag per Video zugeschaltet. «Russland hat eine ökologische Massenvernichtungswaffe gezündet.»
Selenskyj wies die vom Kreml verbreitete Behauptung zurück, die Ukraine habe den Damm selbst zerstört und damit eine verheerende Flutwelle verursacht. «Russland kontrolliert den Kachowka-Damm mit dem Wasserkraftwerk seit über einem Jahr», sagte er nach Angaben seines Präsidialamtes. «Und es ist physisch unmöglich ihn von außen, durch Beschuss zu zerstören.» Der Staudamm sei von russischen Soldaten vermint worden. «Und sie haben ihn gesprengt.»
Als Konsequenz forderte der ukrainische Präsident eine energische gemeinsame Verteidigung Europas gegen Russland. Durch den geborstenen Damm fließt das Wasser des Kachowka-Stausees seit Dienstagnacht ungehindert ab und hat schon zahlreiche Ortschaften überschwemmt.
Rotes Kreuz verurteilt Zerstörung des Kachowka-Staudamms
GENF: Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat die Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der Ukraine verurteilt. «Zehntausende Menschen sind in einer desolaten Situation», teilte die für die Region zuständige IKRK-Regionaldirektorin Ariane Bauer mit. «Die Zerstörung von wichtiger Infrastruktur kann ganze Bevölkerungsgruppen in Verzweiflung stürzen und sie zugrunde richten. Das internationale Völkerrecht kann davor schützen, aber nur, wenn Staaten ihre Verpflichtungen einhalten.»
Das humanitäre Völkerrecht umfasst Regeln, die Menschen vor den Auswirkungen bewaffneter Konflikte schützen sollen. Kernstück sind die von IKRK angestoßenen vier Genfer Abkommen. Alle UN-Mitglieder haben die Verträge dazu ratifiziert und sind daran gebunden, also auch Russland und die Ukraine. Alle an einem bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien, ob staatliche oder nicht-staatliche Akteure - müssen sich daran halten.
Die Konventionen selbst sehen keine Sanktionen vor. Strafmaßnahmen könnten Regierungen unter Verweis auf den Verstoß gegen die Genfer Konventionen verhängen.
Baerbock macht Moskau verantwortlich für Umweltkatastrophe
SÃO PAULO: Außenministerin Annalena Baerbock hat Russland für die Überflutungen nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine verantwortlich gemacht. «Für diese menschengemachte Umweltkatastrophe gibt es nur einen Verantwortlichen: der verbrecherische Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine», sagte die Grünen-Politikerin am Dienstag bei ihrer Lateinamerika-Reise im brasilianischen São Paulo. «Mit dem Kachowka-Damm wird ein ziviler Staudamm in Nähe eines Kernkraftwerks als Kriegswaffe missbraucht und das Leben der Menschen in der Umgebung in höchste Gefahr gebracht.»
Baerbock versicherte, dass in der Bundesregierung «mit Hochdruck» an einem genauen Lagebild gearbeitet werde. Dies geschehe in enger Abstimmung mit der Ukraine, den anderen Staaten der Siebener-Gruppe der großen westlichen Industrienationen (G7) und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). Die Ukraine beschuldigt Russland, den Damm gesprengt zu haben. Moskau behauptet, dass ukrainische Truppen die Anlage beschossen hätten. Die Angaben der beiden Kriegsparteien konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden.
Am Rande ihres Besuches ergänzte Baerbock, die jetzige Situation unterstreiche erneut die Verachtung der russischen Führung für die Bemühungen der internationalen Organisationen vor Ort. Die IAEA sei seit Monaten in Gesprächen, um für den Schutz der Menschen in der Region zu sorgen. Sie appelliere eindringlich an die russische Führung, «dass das humanitäre Völkerrecht eingehalten wird».
Kiew: Mindestens 150 Tonnen Maschinenöl im Dnipro
KIEW: Durch die Sprengung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine sind nach Angaben der ukrainischen Führung mindestens 150 Tonnen Maschinenöl in den Fluss Dnipro gelangt. 300 weitere Tonnen Öl drohten noch auszulaufen, hieß es am Dienstag am Rande einer von Präsident Wolodymyr Selenskyj einberufenen Sitzung des nationalen Sicherheitsrats. Der Gouverneur des Verwaltungsgebiete Cherson, Olexander Prokudin, berichtete von acht ganz oder teilweise überfluteten Ortschaften. 16.000 Menschen seien in der Gefahrenzone.
Insgesamt sollen in dem Gebiet, in dem gekämpft wird, etwa 80 Ortschaften gefährdet sein. Luftaufnahmen aus der von der Ukraine kontrollierten Gebietshauptstadt Cherson zeigten, dass im flussnahen Stadtteil Korabel viele Häuser unter Wasser stehen. Die Ukraine macht Russland für die Zerstörung des Staudamms verantwortlich. Das Wasser traf aber auch die von russischen Kräften gehaltene Stadt Nowa Kachowka auf dem Südufer des Dnipro. Russland wiederum gibt ukrainischen Saboteuren die Schuld.
Von der Leyen lobt Reformen der Ukraine für EU-Beitritt
BERLIN: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat erneut der Ukraine Beifall wegen ihrer Reformanstrengungen für einen Beitritt zur Europäischen Union gezollt.
«Die sind im Krieg und machen dabei Reformen, die undenkbar gewesen wären für die Jahre, die wir bisher erlebt haben mit der Ukraine», sagte von der Leyen am Dienstag in einem aufgezeichneten und eingespielten Interview des WDR-«Europaforums». «Es ist wirklich bewegend und berührend, das zu sehen, diese Sehnsucht nach der Europäischen Union.»
Die EU-Kommissionspräsidentin betonte, man könne sich nicht vorstellen, dass die Ukraine, die Westbalkan-Staaten oder die Republik Moldau in 20 oder 30 Jahren unter russischem, chinesischen oder türkischen Einfluss stünden. «Nein, sie müssen bei uns in der Europäischen Union sein.» Die Kriterien für den EU-Betritt müssten dabei allerdings eingehalten werden.
Von der Leyen legte sich zeitlich nicht fest, wann die Aufnahme dieser Staaten in die EU erfolgen könnte. Dies würde suggerieren, dass es hierfür einen starren Prozess mit bestimmten Zeitlinien gebe. «Das ist nicht der Fall.» Dies sei vielmehr ein Prozess, in dem die Beitrittskandidaten die Reife für die Aufnahme zeigen müssten. Dabei helfe ihnen die EU stark.
EU-Kommissar: Ukrainer in vielen Jobs in der EU überqualifiziert
BRÜSSEL: Ukrainerinnen und Ukrainer in der EU arbeiten nach Angaben der Europäischen Kommission oft in Jobs, für die sie überqualifiziert sind. «Aufgrund von Sprachbarrieren und manchmal mangelnder Anerkennung von Qualifikationen arbeiten viele Menschen aus der Ukraine in Jobs, die unter ihrem Qualifikationsniveau liegen», sagte der für Arbeit und soziale Gerechtigkeit zuständige EU-Kommissar Nicolas Schmit am Dienstag in Brüssel.
In einem Bericht der EU-Kommission zur Integration von Ukrainerinnen und Ukrainern heißt es zudem, dass dies vor allem für Frauen gelte. Schmit sagte, es seien bereits mehr als 1,3 Millionen Arbeitsverträge mit Menschen aus der Ukraine in der EU unterzeichnet worden.
Lodewijk Asscher, Berater der EU-Kommission für die Integration ukrainischer Geflüchteter, lobte bei der Vorstellung des Berichts am Dienstag zudem Deutschland. «Auch Deutschland hat eine große Zahl von Ukrainern aufgenommen, und ich denke, dass man von der Art und Weise, wie sie damit umgegangen sind, eine Menge lernen kann», sagte er.
Die für Migration und Inneres zuständige EU-Kommissarin Ylva Johansson sagte, dass Deutschland ein Land sei, das auch viele Flüchtlinge und Asylbewerber aus anderen Ländern aufnehme. Das führe in einigen Teilen des Landes zu einem großen Druck auf die Aufnahmeeinrichtungen.
Baltische Präsidenten verurteilen Zerstörung ukrainischen Staudamms
RIGA: Die Präsidenten der drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen haben Russland für die Zerstörung eines wichtigen Staudamms im Süden der Ukraine verantwortlich gemacht. «Der russische Terrorismus hat gerade ein neues Ausmaß erreicht», twitterte der lettische Staatschef Egils Levits. Erstlands Präsident Alar Karis schrieb ebenfalls von einem «Terrorakt». Litauens Staatschef Gitanas Nauseda von einem «Kriegsverbrechen». Alle drei forderten, Russland zur Rechenschaft zu ziehen.
Der Kachowka-Staudamm nahe der Front im russisch besetzten Teil der Ukraine wurde nach Angaben beider Kriegsparteien durch eine Explosion schwer beschädigt. Das angrenzende Wasserkraftwerk ist zerstört. Kiew und Moskau machen sich gegenseitig verantwortlich. In der umkämpften Region gibt es nun schwere Überschwemmungen.
Guterres: Staudamm-Zerstörung «verheerende Folge» der Invasion
NEW YORK: Die Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine ist nach Worten des UN-Generalsekretärs António Guterres eine neuerliche desaströse Auswirkung des russischen Überfalls auf das Nachbarland. «Dies ist eine weitere verheerende Folge der russischen Invasion in die Ukraine», sagte Guterres am Dienstag in New York. Die Vereinten Nationen hätten allerdings keine unabhängigen Erkenntnisse darüber, wie es zur Zerstörung des Damms gekommen ist.
Für mindestens 16.000 Menschen, die durch Überschwemmungen obdachlos geworden seien, werde humanitäre Hilfe geleistet - darunter sauberes Trinkwasser sowie Tabletten zur Wasseraufbereitung, so Guterres. «Die heutige Tragödie ist ein weiteres Beispiel dafür, wie schrecklich der Krieg für die Menschen ist.» Angriffe auf die zivile Infrastruktur müssten aufhören.
Die Ukraine beschuldigt Russland, den Damm gesprengt zu haben, dessen Zerstörung große Überflutungen verursacht hat. Moskau behauptet, dass ukrainische Truppen die Anlage beschossen haben.
Ukrainisches Militär will sich durch Überflutung nicht bremsen lassen
KIEW: Durch die Zerstörung des Kachowka-Staudamms wollen sich die ukrainischen Streitkräfte nach eigenen Angaben nicht von der Rückeroberung russisch besetzter Gebiete abhalten lassen. Die Ukraine verfüge über «alle notwendigen Boote und Pontonbrücken, um Wasserhindernisse zu überwinden», hieß es in einer Mitteilung der Abteilung für strategische Kommunikation vom Dienstag.
Die russischen Besatzer hätten den Staudamm im Süden der Ukraine «aus Angst vor der ukrainischen Armee» gesprengt, schrieb das Militär auf Telegram. Die russischen Truppen könnten den professionell ausgebildeten und mit neuesten Waffen ausgestatteten Ukrainern nicht standhalten, hieß es weiter.
In der Ukraine wird eine großangelegte eigene Offensive erwartet, deren Zeitplan und genaue Stoßrichtung nicht bekannt ist. Im Süden könnte die Flutwelle aus dem Stausee den Unterlauf des Flusses Dnipro nahezu unpassierbar machen, deshalb sind die militärischen Folgen der Sprengung nicht abzusehen. «Die Ukraine ist bereit, die von der russischen Aggression befreiten Gebiete wiederherzustellen und wiederaufzubauen», hieß es in der Militär-Mitteilung weiter.
Zerstörter Staudamm: Kreml spricht von ukrainischer Sabotage
MOSKAU: Der Kreml hat die Ukraine der Zerstörung des wichtigen Staudamms im russisch besetzten Nowa Kachowka beschuldigt. Schuldzuweisungen aus Kiew und dem Westen wies Moskau zurück. «Wir erklären offiziell, dass es sich hier eindeutig um eine vorsätzliche Sabotage der ukrainischen Seite handelt, die auf Befehl (...) des Kiewer Regimes geplant und ausgeführt wurde», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag. Beweise für die Anschuldigungen legte er nicht vor. Präsident Wladimir Putin werde über alle Entwicklungen informiert, sagte Peskow.
Die Ukraine und auch viele westliche Beobachter sind hingegen überzeugt, dass die russischen Besatzer die Staudamm-Anlage am frühen Morgen selbst gesprengt haben - möglicherweise, um so die geplante ukrainische Gegenoffensive zu behindern. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte: «Das ist ja auch etwas, das sich einreiht in viele, viele der Verbrechen, die wir in der Ukraine gesehen haben, die von russischen Soldaten ausgegangen sind.»
Ukraine berichtet von mehr als 20 Raketen auf Kiew
KIEW: Die Ukraine hat nach Angaben der städtischen Militärverwaltung von Kiew einen neuen russischen Luftangriff auf die Hauptstadt abgewehrt. In der Nacht zum Dienstag seien mehr als 20 Raketen auf die Stadt abgefeuert worden, teilte der Leiter der Behörde, Serhij Popko, im Messaging-Dienst Telegram mit. Alle seien jedoch von der Luftabwehr abgefangen worden. Nach ersten Erkenntnissen gab es auch durch herabfallende Trümmerteile keine Opfer.
Popko schrieb, wahrscheinlich seien Marschflugkörper vom Typ Ch-101/55 zum Einsatz gekommen. Diese Lenkraketen sollen eine Reichweite von bis zu 5500 Kilometern haben und von russischen Bombern aus der Region am Kaspischen Meer abgefeuert worden sein. Seit Beginn der Invasion im Februar vergangenen Jahres bombardiert Russland die ukrainische Hauptstadt immer wieder aus der Luft - meistens nachts oder in den frühen Morgenstunden.
Nato-Generalsekretär: Zerstörung an Staudamm ungeheuerlich
BRÜSSEL: Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat die Zerstörung eines wichtigen Staudamms im Süden der Ukraine verurteilt. Der Vorfall gefährde Tausende Zivilisten und verursache schwere Umweltschäden, schrieb Stoltenberg am Dienstag auf Twitter. «Dies ist eine ungeheuerliche Tat, die einmal mehr die Brutalität von Russlands Krieg in der Ukraine demonstriert.»
Der wichtige Nowa-Kachowka-Staudamm nahe der Front im von Russland besetzten Teil der Südukraine ist nach Angaben beider Kriegsparteien schwer beschädigt worden. Das angrenzende Wasserkraftwerk ist zerstört. Kiew und Moskau machten sich am Dienstagmorgen gegenseitig für den Vorfall in der Region Cherson mit potenziell gravierenden Folgen verantwortlich. Befürchtet wird, dass der Bruch des Staudamms in der umkämpften Region zu massiven Überschwemmungen führt.
US-Institut: Mehr Kämpfe an verschiedenen Frontabschnitten
WASHINGTON/KIEW: Das US-Institut für Kriegsstudien (ISW) hat eigenen Angaben zufolge einen Anstieg der Kampfhandlungen zwischen Russland und der Ukraine an verschiedenen Frontabschnitten beobachtet. Die Ukraine erziele trotz gegenteiliger Behauptungen Russlands wahrscheinlich begrenzte Landgewinne, hieß es in dem jüngsten Lagebericht vom Montag (Ortszeit). Zugleich betonte das ISW mit Sitz in Washington, es wolle zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht darüber spekulieren, ob diese Landgewinne Teil einer weithin erwarteten großen Gegenoffensive Kiews sein könnten oder nicht.
Eine erfolgreiche Gegenoffensive könne Tage, Wochen oder gar Monate dauern, bevor ihre Wirkung voll erkennbar sei, schrieb das ISW weiter. Die Ukraine verteidigt sich seit dem 24. Februar 2022 gegen den Angriff Russlands.
Die ukrainische Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar hatte am Montag in ihrem Telegram-Kanal mitgeteilt, dass die monatelang umkämpfte und nun russisch besetzte Stadt Bachmut in der Ostukraine der zentrale Schauplatz der aktuellen Kämpfe sei. In der dortigen Region führe die ukrainische Armee mehrere Offensivhandlungen. Nach Darstellung Maljars gibt es auch im Süden des Landes lokale Kämpfe. Dort seien die feindlichen Streitkräfte ebenfalls zur Verteidigung übergegangen. Die Angaben der Kriegsparteien lassen sich meist nicht unmittelbar unabhängig überprüfen.
EU-Ratspräsident «schockiert» über Explosion an ukrainischem Staudamm
BRÜSSEL: EU-Ratspräsident Charles Michel hat sich angesichts der schweren Explosion an einem wichtigen Staudamm im Süden der Ukraine bestürzt gezeigt. «Schockiert über den beispiellosen Angriff auf den Nowa-Kachowka-Staudamm», schrieb er am Dienstag auf Twitter. «Die Zerstörung ziviler Infrastruktur gilt eindeutig als Kriegsverbrechen - und wir werden Russland und seine Stellvertreter zur Rechenschaft ziehen.» Er werde das Thema beim EU-Gipfel Ende Juni ansprechen und mehr Hilfe für die überfluteten Gebiete vorschlagen, schrieb er weiter. «Meine Gedanken sind bei allen von der Katastrophe betroffenen Familien in der Ukraine.»
Der wichtige Staudamm nahe der Front im von Russland besetzten Teil der Südukraine ist nach Angaben beider Kriegsparteien schwer beschädigt worden. Das angrenzende Wasserkraftwerk ist zerstört. Kiew und Moskau machten sich am Dienstagmorgen gegenseitig für den Vorfall in der Region Cherson mit potenziell gravierenden Folgen verantwortlich. Befürchtet wird, dass der Bruch des Staudamms in der umkämpften Region zu massiven Überschwemmungen führt.
Ukraine fordert Russlands Ausschluss aus UN-Sicherheitsrat
KIEW: Die Ukraine hat die Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Süden des Landes als «größte menschengemachte Katastrophe seit Jahrzehnten» eingestuft. Hunderttausende bekämen in den kommenden Jahren die negativen Folgen zu spüren, warnte der Chef des Präsidentenbüros in Kiew, Andrij Jermak, am Dienstag in Kiew. Er bezeichnete Russland als «Terrorstaat», der seinen Angriffskrieg auf eine neue Stufe stelle. «Heute ist Russland eine globale Bedrohung.» Das Land müsse seinen Sitz im UN-Sicherheitsrat verlieren. Russland gehört dort zu den fünf Vetomächten.
Außenminister Dymtro Kuleba verurteilte den Anschlag auf den Staudamm und das Wasserkraftwerk im russisch besetzten Teil des Gebiets Cherson als «abscheuliches Kriegsverbrechen». «Russland hat den Kachowka-Staudamm zerstört und damit die wahrscheinlich größte technische Katastrophe in Europa seit Jahrzehnten verursacht», schrieb er im Kurznachrichtendienst Twitter. Tausende Zivilisten seien in Gefahr. «Die Ukraine steht vor einer großen humanitären und ökologischen Krise.» Vorwürfe aus Moskau, Kiew sei verantwortlich für die Zerstörung, wies der Minister als Propaganda zurück.
Jermak äußerte die Vermutung, dass Russland mit der Zerstörung des Staudamms die geplante ukrainische Großoffensive ausbremsen wolle. Auf Twitter schrieb er, durch die Vernichtung des Staudamms nehme auch das Bewässerungssystem für die Landwirtschaft im Süden der Ukraine Schaden. Die Ukraine gehört weltweit zu den großen Getreideexporteuren. Das Präsidentenbüro veröffentlichte Videoaufnahmen der überfluteten Stadt Nowa Kachowka, die von russischen Truppen besetzt ist.
In dem Überschwemmungsgebiet liegen etwa 80 Orte. Zuvor hatten die ukrainischen Behörden die Zahl der Betroffenen mit 16.000 angegeben. Sie begannen mit der Evakuierung von Ortschaften.
Kiew sieht Motiv für Sprengung von Kachowka-Damm bei Russland
KIEW: Die Ukraine hat nach der Sprengung des Kachowka-Staudamms im Süden Russland ein klares Motiv zugeschrieben. Russland habe offensichtlich das Ziel, unüberwindbare Hindernisse für die geplante ukrainische Großoffensive zu schaffen, schrieb Präsidentenberater Mychajlo Podoljak am Dienstag im Kurznachrichtendienst Twitter. Dies sei der Versuch, das Ende des Krieges hinauszuzögern und ein vorsätzliches Verbrechen. Russland müsse international als Terrorstaat eingestuft werden. Moskau wiederum gab Kiew die Schuld.
«Auf einem riesigen Territorium wird alles Leben zerstört», schrieb Podoljak. «Viele Ortschaften werden zerstört; der Umwelt wird enormer Schaden zugefügt.» Im Fernsehen fügte er hinzu, dass Russland mit dem Anschlag im umkämpften Gebiet Cherson die Initiative im Krieg wieder an sich reißen und die europäischen Staaten einschüchtern wolle. Das Gebiet ist zum größten Teil von russischen Truppen besetzt, sie kontrollieren auch das Kraftwerk und damit den Füllstand im Stausee. Die Gebietshauptstadt Cherson ist unter ukrainischer Kontrolle.
Umgesetzt habe die Sprengung des Wasserkraftwerks nach ersten Erkenntnissen die 205. Motorisierte Schützeneinheit der russischen Armee, sagte Podoljak. Der Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte deshalb mehr Tempo bei den westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine. Jeder müsse verstehen, dass es für Moskau keine roten Linien gebe.
Atombehörde: Keine «unmittelbare Gefahr» für AKW Saporischschja
KIEW: Nach der Zerstörung des südukrainischen Kachowka-Staudamms besteht laut Internationaler Atomenergiebehörde (IAEA) keine unmittelbare Gefahr für das nordöstlich gelegene Atomkraftwerk Saporischschja. «IAEA-Experten am Atomkraftwerk Saporischschja beobachten die Situation genau», teilte die Behörde am Dienstagmorgen auf Twitter mit. «Keine unmittelbare Gefahr am Kraftwerk.» Auch ein Sprecher des russischen Atomkonzerns Rosenergoatom sagte der Agentur Interfax, das AKW - das ebenso wie der Kachowka-Staudamm am Fluss Dnipro liegt - sei nicht betroffen. Die Atom-Anlage ist infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine von russischen Truppen besetzt.
Beide Kriegsparteien hatten am frühen Dienstagmorgen schwere Schäden am Staudamm sowie am Wasserkraftwerk von Nowa Kachowka im von Russland besetzten Teil des Gebiets Cherson gemeldet. Die Ukraine beschuldigte Russland, den Damm gesprengt und so eine mögliche Überschwemmungskatastrophe in Kauf genommen zu haben. Moskau wies das zurück und warf im Gegenzug ukrainischen Truppen vor, die Anlage beschossen zu haben. Die Angaben konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden.
Die IAEA hilft mit technischer Expertise, Material und Personal beim Schutz der fünf ukrainischen Atomkraftwerke. Seit September ist eine Handvoll IAEA-Experten permanent in Saporischschja stationiert. Sie werden alle paar Wochen ausgetauscht. An den Einsätzen waren bislang 23 Mitarbeiter beteiligt, wie Grossi vergangene Woche im Weltsicherheitsrat in New York berichtet hatte.
Ukraine und Russland: Wasserkraftwerk von Nowa Kachowka zerstört
KIEW/MOSKAU: Nach einer schweren Explosion am wichtigen Staudamm im südukrainischen Nowa Kachowka ist das angrenzende Wasserkraftwerk nach Angaben beider Kriegsparteien zerstört.
Es sei «offensichtlich», dass eine Reparatur nicht möglich sei, sagte der russische Besatzungsbürgermeister Wladimir Leontjew am Dienstag im russischen Staatsfernsehen. Auch der ukrainische Kraftwerksbetreiber sprach von einer kompletten Zerstörung der Anlage.
«El Mundo»: Frieden in weiter Ferne
MADRID: Zum den Vermittlungsbemühungen von Papst Franziskus im Ukraine-Krieg schreibt die spanische Zeitung «El Mundo» am Dienstag:
«Unabhängig vom Ausmaß des am Montag gestarteten ukrainischen Vorstoßes scheint sicher, dass Kiew willens und bereit ist, die militärische Initiative zu übernehmen. Dies wurde vergangene Woche auch von der US-Regierung bestätigt. Man habe der Ukraine das notwendige Kriegsmaterial geliefert, hieß es. Auf der diplomatischen Arena ist die Lage allerdings festgefahren. Trotz der verschiedenen Vermittlungsbemühungen - wie zum Beispiel der des Papstes. Dessen Sondergesandter Kardinal (Matteo) Zuppi traf am Montag in der ukrainischen Hauptstadt ein, um sich für ein Friedensabkommen einzusetzen, das noch in weiter Ferne liegt.»
London: Starke Zunahme von Kämpfen an Frontabschnitten in der Ukraine
LONDON: In der Ukraine haben sich die Gefechte zwischen ukrainischen und russischen Truppen nach britischer Einschätzung zuletzt intensiviert. «In den vergangenen 48 Stunden kam es an zahlreichen Frontabschnitten zu einer deutlichen Zunahme der Kämpfe, darunter auch an solchen, an denen es seit mehreren Monaten relativ ruhig war», teilte das britische Verteidigungsministerium am Dienstag unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit. Weitere Angaben dazu machte London nicht - auch nicht dazu, ob die Kämpfe mit der erwarteten ukrainischen Gegenoffensive zusammenhängen.
Vielmehr betonte das Ministerium, der Streit zwischen der russischen Söldnertruppe Wagner und der russischen Armee habe ein «beispielloses Niveau» erreicht. Erstmals habe Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin behauptet, dass die regulären Streitkräfte in der Ukraine absichtlich seine Einheiten angegriffen hätten. Im Gegenzug habe Wagner vermutlich einen russischen Offizier gefangen genommen.
Aus der monatelang umkämpften ostukrainischen Stadt Bachmut seien nun die meisten Wagner-Kräfte abgezogen worden, hieß es in London weiter. Wagner hatte Bachmut eingenommen und kürzlich mitgeteilt, die Stadt komplett der Kontrolle der regulären Moskauer Streitkräfte zu überlassen. «Da es Russland an Reserveeinheiten mangelt, wird die Frage, inwieweit Wagner weiterhin auf das Verteidigungsministerium reagiert, ein Schlüsselfaktor für den Konflikt in den kommenden Wochen sein», schrieb das britische Ministerium.
Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine Desinformationskampagne vor.
«Financial Times»: Ukraine braucht Nato-Sicherheitsgarantien
LONDON: Zum Nato-Gipfel im nächsten Monat in Litauens Hauptstadt Vilnius meint die britische Zeitung «Financial Times» am Dienstag:
«Anders als 2008, als sich die USA dafür einsetzten, die Ukraine in die Nato zu lenken, ist die Regierung Biden zurückhaltend. Einige europäische Diplomaten sind optimistisch, dass ihre Einwände - und etwaige Vorbehalte in Berlin - schwinden könnten, ähnlich wie hinsichtlich der Lieferung tödlicherer Waffen an Kiew. Es bedarf intensiver Diplomatie, um noch vor Vilnius eine Einigung zu erzielen. Dies würde den Kreml zweifelsohne weiter verärgern. Doch (Russlands Präsident Wladimir) Putin hat ohnehin seit langem erklärt, die Mitgliedschaft der Ukraine sei ein Fait Accompli. Die Nato sollte unmissverständlich klarstellen, dass Russlands Aggression dieses Ergebnis unvermeidlich gemacht hat.
Es ist zwar unwahrscheinlich, dass die Nato-Mitglieder in Vilnius mehr tun werden, als mit der Diskussion über mögliche Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu beginnen. Die Arbeit daran sollte jedoch Teil der Vorbereitungen für eine Aufnahme Kiews sein - und die Zeit überbrücken zwischen dem Ende des Konflikts und dem Moment, in dem die Ukraine bereit ist, dem Bündnis beizutreten.»
Staudamm: Kiew und Moskau schieben sich vor Sicherheitsrat Schuld zu
NEW YORK: Nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine haben sich Kiew und Moskau vor dem UN-Sicherheitsrat gegenseitig die Schuld zugewiesen. Der ukrainische UN-Botschafter Serhij Kislizia sprach am Dienstag bei einer kurzfristig einberufenen Dringlichkeitssitzung in New York von einem «Akt des ökologischen und technologischen Terrorismus». Die Sprengung sei «ein weiteres Beispiel für den Völkermord Russlands an den Ukrainern.»
Der russische UN-Botschafter Wassili Nebensja sagte dagegen, dass der Vorfall auf «vorsätzliche Sabotage Kiews» zurückzuführen und wie ein Kriegsverbrechen einzuordnen sei. Der Staudamm sei für ein «unvorstellbares Verbrechen» benutzt worden.
Staudamm in der Ukraine schwer beschädigt: Sprengung oder Beschuss?
CHERSON: Im von Russland besetzten Teil der südukrainischen Region Cherson ist nach Angaben der Kriegsparteien ein wichtiger Staudamm nahe der Front schwer beschädigt worden. Kiew und Moskau machten sich am Dienstagmorgen gegenseitig für den Vorfall mit potenziell gravierenden Folgen verantwortlich. Das ukrainische Einsatzkommando Süd teilte mit, die russischen Besatzer hätten den Damm in der Stadt Nowa Kachowka selbst gesprengt. Der Militärgouverneur des Gebiets, Olexander Prokudin, warnte, innerhalb von fünf Stunden könne der Wasserstand eine kritische Höhe erreichen.
Auf der in Flussrichtung rechten Seite des Dnipro, wo auch die von den Ukrainern befreite Gebietshauptstadt Cherson liegt, sei mit Evakuierungen begonnen worden. «Das Ausmaß der Zerstörung, die Geschwindigkeit und Menge des Wassers sowie die wahrscheinlichen Überschwemmungsgebiete werden gerade bestimmt», erklärte Prokudin.
Die russischen Besatzer hingegen machten ukrainischen Beschuss für die Schäden am Kachowka-Staudamm verantwortlich. «Das Wasser ist gestiegen», sagte der von Moskau eingesetzte Bürgermeister in Nowa Kachowka, Wladimir Leontjew, staatlichen russischen Nachrichtenagenturen zufolge. Bislang gebe es aber keine Notwendigkeit, Zivilisten in Sicherheit zu bringen. Die Angaben beider Seiten konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden.