Ukraine fordert mehr Waffen - Moskau gibt sich siegesgewiss

Der ukrainische Präsident Volodymyr Zelensky hält eine Ansprache per Videolink. Foto: epa/Gian Ehrenzeller
Der ukrainische Präsident Volodymyr Zelensky hält eine Ansprache per Videolink. Foto: epa/Gian Ehrenzeller

BERLIN: Drei Monate Krieg und kein Ende in Sicht: «Die kommenden Wochen werden schwierig», warnt der ukrainische Präsident. Waffenlieferungen sorgen für Ärger zwischen Warschau und Berlin - und Ex-Kanzler Schröder verzichtet auf die Nominierung für einen Gazprom-Job.

Nach drei Monaten Krieg gegen Russland verlangt die Ukraine vom Westen dringend mehr Waffen. Präsident Wolodymyr Selenskyj stellte seine Landsleute angesichts schwerer russischer Angriffe im Osten auf harte Wochen ein. Moskau zeigte sich am Dienstag trotz Rückschlägen siegesgewiss. Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder machte öffentlich, dass er schon vor längerer Zeit auf die Nominierung für den Aufsichtsrat des russischen Energieriesen Gazprom verzichtet habe. Unterdessen warf Polen Deutschland einen Wortbruch bei Waffenlieferungen vor - die Außenminister beider Länder betonten daraufhin den Willen, Probleme und Missverständnisse auszuräumen.

Seinen Verzicht auf die Gazprom-Nominierung habe er dem Unternehmen auch mitgeteilt, teilte Schröder am Dienstagabend auf dem Online-Portal «Linkedin» mit. Der russische Energieriese hatte den Altkanzler Anfang Februar - kurz vor dem russischen Angriff auf die Ukraine - für die Position nominiert. Zuletzt war bekanntgeworden, dass Schröder seinen Aufsichtsratsposten beim russischen Energiekonzern Rosneft niederlegt. Das Unternehmen teilte am vergangenen Freitag mit, dass Schröder seine Amtszeit nicht verlängern werde.

Schröder steht in Deutschland wegen seiner Tätigkeit für die russische Energiewirtschaft - darunter auch Posten bei den Pipeline-Gesellschaften Nord Stream und Nord Stream 2 - massiv in der Kritik. Vier SPD-Verbände haben ein Parteiausschlussverfahren beantragt. Er ist seit seiner Zeit als Kanzler (1998 bis 2005) eng mit Russlands Präsident Wladimir Putin befreundet.

Ukrainischer Außenminister spricht von «erbarmungsloser Schlacht»

In dem am 24. Februar begonnenen Krieg konzentriert sich Russland inzwischen vor allem auf den Osten der Ukraine. Nach dem Fall der Hafenstadt Mariupol vor einigen Tagen fürchtet die Ukraine dort nun verstärkt russische Offensiven. Außenminister Dmytro Kuleba schrieb am Dienstag auf Twitter: «Die russische Offensive im Donbass ist eine erbarmungslose Schlacht, die größte auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg.»

«Die kommenden Wochen des Krieges werden schwierig sein», sagte Präsident Selenskyj in einer neuen Videoansprache. «Dennoch haben wir keine Alternative als zu kämpfen. Kämpfen und gewinnen.» Erneut forderte er vom Westen dringend moderne Raketenabwehrwaffen und Kampfflugzeuge zur Verteidigung. Außenminister Kuleba erklärte: «Es ist zu früh, um zum Schluss zu kommen, dass die Ukraine bereits über alle Waffen verfügt, die sie benötigt.» Sein Land brauche insbesondere Mehrfachraketenwerfer und Langstreckenartillerie.

Moskau: «Militäroperation fortsetzen, bis alle Aufgaben erfüllt sind»

Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu gab sich zuversichtlich. «Trotz der umfangreichen westlichen Hilfe für das Kiewer Regime und des Sanktionsdrucks auf Russland werden wir die spezielle Militäroperation fortsetzen, bis alle Aufgaben erfüllt sind», sagte er der Agentur Interfax zufolge. Russland hatte am 24. Februar mit dem Angriff auf das Nachbarland begonnen. Der Krieg wird dort nur «spezielle Militäroperation» genannt.

BBC: Russischer General bei Flugzeugabschuss getötet

Russlands Truppen streben im Donbass ukrainischen Angaben zufolge weiterhin die vollständige Eroberung des Gebiets Luhansk an. «Der Feind hört nicht auf anzugreifen», teilte der ukrainische Generalstab mit. Insbesondere werde versucht, die strategisch wichtigen Städte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk einzukreisen. Zugleich hätten Russlands Streitkräfte bei Sjewjerodonezk besonders hohe Verluste. Russlands Militär berichtete vom Abschuss eines ukrainischen Kampfflugzeugs bei Kramatorsk. Die Angaben ließen sich zunächst nicht überprüfen.

Nach einem Bericht der BBC wurde im Donbass ein General der russischen Luftwaffe abgeschossen und kam ums Leben. Das Flugzeug des Generalmajors sei bereits am Sonntag über der Kleinstadt Popasna von einer Stinger-Rakete getroffen worden, berichtete der britische Sender in seinem russischsprachigen Dienst.

Zoff um Waffenlieferungen: Polen wirft Berlin Wortbruch vor

Polens Präsident Andrzej Duda hielt der Bundesregierung vor, ein Versprechen zur Lieferung von Panzern an sein Land nicht erfüllt zu haben. Der Staatschef des Nato-Partners sprach im TV-Sender Welt von einer Zusage aus Berlin, Panzer zu liefern, mit denen von Polen an die Ukraine abgegebene Panzer ersetzt werden sollten. «Sie haben dieses Versprechen nicht erfüllt. Und offen gesagt: Wir sind sehr enttäuscht darüber.»

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) betonte Kontakt mit Polen zu dem Thema. Klar sei, «dass wir gerade schweres Material nicht per Knopfdruck oder per Fingerschnipsen liefern können», sagte sie nach einem Treffen mit dem polnischen Außenminister Zbigniew Rau in Berlin. Es sei «wichtig, dass man im ständigen Austausch miteinander steht, damit keine Missverständnisse entstehen». Rau sagte, der Teufel stecke bei dem Thema im Detail. Es gebe den Willen, das Problem zu lösen.

Polen habe der Ukraine «eine große Anzahl an Panzern» zur Verfügung gestellt, sagte Duda. «Indem wir das getan haben, haben wir unser eigenes militärisches Potenzial geschwächt (...).» Darum habe Polen auch auf Unterstützung aus Deutschland gehofft. Ein großer Teil des polnischen Panzerarsenals bestehe aus deutschen Panzern vom Typ Leopard. Polen unterstützt sein Nachbarland Ukraine gegen den russischen Angriff mit Panzern des sowjetischen Typs T-72.

Stoltenberg optimistisch bei Türkei-Blockade gegen Nato-Erweiterung

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zeigte sich optimistisch, dass Bedenken der Türkei gegen die Aufnahme Finnlands und Schwedens in die Militärallianz ausgeräumt werden. Er sei zuversichtlich, dass man einen Weg finden werde, das Problem zu lösen, sagte der Norweger beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Finnland und Schweden haben vergangene Woche den Beitritt zur Nato beantragt. Die Türkei stellt sich als einziges Mitglied dagegen. An diesem Mittwoch werden in Ankara Delegationen aus Schweden und Finnland zu Gesprächen erwartet.

Wirtschaftsministerium will bei Gasknappheit Kohlekraftwerke anwerfen

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will Deutschland weiter für ein mögliches Wegbrechen russischer Gaslieferungen wappnen und dafür die Zahl der Kohlekraftwerke in Reserve ausbauen. Falls Gasmangel eintritt oder droht, soll der Gasverbrauch in der Stromerzeugung deutlich verringert werden, wie am Dienstag aus dem Bundeswirtschaftsministerium zu hören war. Ein entsprechender Gesetzentwurf wird in der Bundesregierung beraten. Wenn er das Kabinett passiert hat, müsste noch der Bundestag zustimmen.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.