Republikaner wollen Abstimmung über Ginsburg-Nachfolge in diesem Jahr

​«Es wird eine Frau»

Die Richterin am Obersten Gerichtshof der USA, Ruth Bader Ginsburg (C). Archivfoto: epa/JACK GRUBER
Die Richterin am Obersten Gerichtshof der USA, Ruth Bader Ginsburg (C). Archivfoto: epa/JACK GRUBER

WASHINGTON: Die US-Demokraten laufen Sturm gegen eine rasche Neubesetzung der freigewordenen Stelle im Supreme Court. Die Republikaner von Präsident Trump wollen die Nachfolge dagegen schnellstmöglich regeln - solange sie noch die notwendige Mehrheit im US-Senat dafür haben.

Trotz Protesten der US-Demokraten halten die Republikaner im Senat an einer schnellen Abstimmung über die Nachfolge der verstorbenen Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg fest. Der Mehrheitsführer der Republikaner in der Kammer, Mitch McConnell, sagte am Montag, der Senat werde noch in diesem Jahr über eine von US-Präsident Donald Trump nominierte Kandidatin für das Oberste US-Gericht abstimmen. Anders als von den Demokraten behauptet, gebe es dafür ausreichend Zeit und gute Gründe.

In den Reihen der Republikaner ist bislang kein entscheidender Widerstand gegen eine schnelle Abstimmung erkennbar. Zudem wird erwartet, dass die nötige einfache Mehrheit für die Bestätigung von Trumps Kandidatin zustande kommt. «Wir haben die Stimmen, um Richterin Ginsburgs Ersatz vor der Wahl zu bestätigen», sagte der Vorsitzende des Justizausschusses im Senat, Lindsey Graham, am Montagabend (Ortszeit) bei Fox News. Senator Mitt Romney machte am Dienstag klar, dass er nichts gegen eine rasche Abstimmung einzuwenden habe. Er war als möglicher Abweichler gehandelt worden.

Die Verfassungsrichter werden vom Präsidenten nominiert und müssen im Senat bestätigt werden. Die Republikaner halten 53 von 100 Sitzen in der Parlamentskammer. Um die Nominierung zu stoppen, müssten vier Republikaner mit den Demokraten stimmen.

Die Besetzung der freigewordenen Stelle im Obersten US-Gericht könnte einschneidende Folgen für die gesellschaftspolitische Ausrichtung des Landes haben. Von den neun Sitzen im Supreme Court werden nach Ginsburgs Tod nur noch drei von Liberalen gehalten, die fünf verbliebenen Richter gelten als konservativ. Mit Entscheidungen etwa zum Recht auf Abtreibung, zu Einwanderungsfragen oder zu Bürgerrechten könnte ein deutlich konservativeres Amerika entstehen. Da die Richter auf Lebenszeit ernannt werden, könnte Trump die konservative Mehrheit mit der Ernennung einer vergleichsweise jungen Richterin auf Jahre oder gar Jahrzehnte hinaus zementieren.

Die Demokraten fordern, dass Ginsburgs Posten im einflussreichen Supreme Court vom Sieger der Präsidentenwahl am 3. November besetzt wird. Sie hoffen, dass ihrem Kandidaten Joe Biden als Wahlsieger das Vorschlagsrecht zufällt. Da bei der Wahl auch über die Neubesetzung von rund einem Drittel der 100 Senatssitze entschieden wird, könnten sich die Mehrheitsverhältnisse zugunsten der Demokraten drehen. Damit könnten sie Trumps Kandidaten blockieren. Der neue Senat tritt am 3. Januar zusammen. Der Gewinner der Präsidentenwahl wird am 20. Januar vereidigt.

Am Samstag will Trump im Weißen Haus verkünden, wen er für den Richterposten nominieren will. Er bevorzugt eine Abstimmung vor der Wahl und will eine Frau für Ginsburgs Nachfolge vorschlagen. Fünf Kandidatinnen seien in der engeren Auswahl, hatte er am Montag gesagt. Trump bestätigte, dass darunter die Richterinnen Amy Coney Barrett (48) aus Chicago und Barbara Lagoa (52) aus Florida sind, die von US-Medien als Favoritinnen gehandelt werden. Barrett und Lagoa werden als konservative Katholikinnen beschrieben, die beispielsweise Abtreibung ablehnen.

Ginsburg hingegen war eine liberale Frauenrechtlerin und Ikone der Bürgerrechtsbewegung. Sie war am Freitag mit 87 Jahren nach einer Krebserkrankung gestorben. In Washington sind diese Woche mehrere Gedenkzeremonien für die langjährige Verfassungsrichterin geplant. Das Begräbnis ist nach Supreme-Court-Angaben erst kommende Woche im privaten Rahmen auf dem Nationalfriedhof in Arlington vorgesehen.

Trump zog am Montag Berichte in Zweifel, wonach Ginsburg als letzten Wunsch geäußert habe, dass ihre Nachfolge von einem neuen Präsidenten bestimmt werden solle. Trump sagte Fox News, er wisse nicht, ob Ginsburg das tatsächlich gesagt habe oder dies von den seinen demokratischen Gegenspielern im Kongress formuliert worden sei. Ginsburgs Enkelin Clara Spera bestätigte dem britischen Sender BBC, dass ihre Großmutter ihr diktiert habe: «Mein inbrünstigster Wunsch ist, dass ich nicht ersetzt werde, bis ein neuer Präsident im Amt ist.»

Der Minderheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, forderte seinen republikanischen Gegenspieler McConnell dazu auf, Ginsburgs Wunsch zu respektieren. Schumer verwies darauf, dass McConnell im Wahljahr 2016 im Senat einen Kandidaten von Präsident Barack Obama für die Nachfolge des verstorbenen konservativen Verfassungsrichters Antonin Scalia blockiert hatte. McConnell hatte mehr als acht Monate vor der Wahl 2016 gesagt: «Das amerikanische Volk soll eine Stimme bei der Auswahl seines nächsten Supreme-Court-Richters haben, deshalb soll dieser Posten nicht besetzt werden, bis wir einen neuen Präsidenten haben.»

Der Streit um die Nachfolge dürfte die heiße Phase des US-Wahlkampfs prägen. Trump warnte am Montag bei einem Auftritt: «Falls Joe Biden und die Demokraten an die Macht kommen, werden sie den Supreme Court voll mit Linksradikalen packen, die die amerikanische Gesellschaft einseitig bis zur Unkenntlichkeit verändern werden.» Trumps Anhänger skandierten «Fill the Seat» - auf Deutsch in etwa: Besetze den Sitz.


Weitere US-Senatorin gegen schnelle Supreme-Court-Nachbesetzung

WASHINGTON: Eine weitere republikanische US-Senatorin hat sich gegen eine schnelle Nachfolgeregelung für die gestorbene Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg ausgesprochen. Sie bleibe bei ihrer Position, dass man sich kurz vor einer Präsidentenwahl nicht mit einer Vakanz beim Obersten Gericht beschäftigen sollte, teilte Lisa Murkowski aus dem Bundesstaat Alaska am Sonntag mit. Zuvor hatte bereits ihre republikanische Kollegin Susan Collins erklärt, dass aus ihrer Sicht der Sieger der US-Präsidentenwahl am 3. November den Sitz auf Lebenszeit besetzen sollte.

Die Verfassungsrichter in den USA werden vom Präsidenten vorgeschlagen und vom Senat bestätigt. Bei den aktuellen Mehrheitsverhältnissen würde die Nachbesetzung scheitern, wenn vier republikanische Senatoren nicht dafür stimmen - sofern sich keine Demokraten auf ihre Seite schlagen.

US-Präsident Donald Trump will den Sitz Ginsburgs noch vor Ablauf seiner aktuellen Amtszeit am 20. Januar 2021 besetzen. Er will in den kommenden Tagen eine Frau als Nachfolgerin nominieren. Der Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, kündigte bereits an, dass es zu einer Abstimmung kommen solle.

Die Republikaner halten im Senat aktuell 53 der insgesamt 100 Sitze. Ab dem 30. November könnten es nur noch 52 sein: In Arizona hat der Demokrat Mark Kelly laut Umfragen gute Aussichten, die Republikanerin Martha McSally abzulösen. Da es eine Sonderabstimmung ist, könnte der Sieger bereits Ende November als Senator vereidigt werden. Die Republikaner brauchen mindestens 50 Stimmen - bei einem Patt kann der US-Vizepräsident die entscheidende Stimme beitragen.

«Ich habe es 2016 nicht unterstützt, eine Nominierung acht Monate vor der Wahl anzugehen», schrieb Murkowski. Damals hatten die Republikaner im Senat einen Kandidaten von Präsident Barack Obama für die Nachfolge des gestorbenen konservativen Verfassungsrichters Antonin Scalia blockiert. «Jetzt ist die Wahl 2020 noch näher - keine zwei Monate entfernt - und ich bin überzeugt, dass wir den selben Maßstab anlegen sollten.»

Die Formulierungen lassen die Möglichkeit einer Abstimmung nach der Präsidentenwahl offen. Zusammen mit der Präsidentenwahl wird in diesem Jahr auch über 35 Senatssitze abgestimmt. Der neue Senat tritt erst im kommenden Jahr zusammen. Möglich wäre dadurch zum Beispiel auch eine Konstellation, bei der Donald Trump die Wiederwahl schafft, aber die Republikaner die Mehrheit im Senat verlieren. Dann hätten sie noch bis Ende des Jahres die Chance, Ginsburgs Sitz zu besetzen.

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Ingo Kerp 21.09.20 13:07
Der letzte Satz des obigen Artikel wäre eine faustdicke Überraschung, wenn er einträfe. Mit dem Heißsporn Trump, der nicht gewohnt ist eine Widerrede zu bekommen, würde ein ewiger und zermürbender Kampf ohne eigentliche Regierungsarbeit beginnen. Andererseits, den Nichtamerikanern, die nicht mit so einem Präsidenten leben müßten, würde es Unterhaltung bieten..