Das nächste Impeachment steht bevor

​Trump und der «Putschversuch»

Der demokratische Abgeordnete aus Rhode Island David Cicilline spricht zu den Medien, nachdem er einen Amtsenthebungsartikel gegen US-Präsident Donald J. Trump im US-Kapitol in Washington verfasst hat. Foto: epa/Jim Lo Scalzo
Der demokratische Abgeordnete aus Rhode Island David Cicilline spricht zu den Medien, nachdem er einen Amtsenthebungsartikel gegen US-Präsident Donald J. Trump im US-Kapitol in Washington verfasst hat. Foto: epa/Jim Lo Scalzo

WASHINGTON: Nächste Woche endet die chaotische Amtszeit von US-Präsident Trump. Die Demokraten wollen trotzdem noch ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn starten, und zwar in Blitzgeschwindigkeit. Das mag auf den ersten Blick wie reine Symbolik wirken - geht aber weit darüber hinaus.

Dafür wollte Donald Trump nicht in die Geschichte eingehen: Schon jetzt ist der Republikaner einer von bislang nur drei US-Präsidenten, die sich einem Amtsenthebungsverfahren unterziehen mussten. Nun droht ihm darüber hinaus noch ein unrühmliches Alleinstellungsmerkmal: Machen die Demokraten im Kongress ihre Drohung wahr, wird Trump der erste Staatschef der USA, gegen den gleich zwei solche Verfahren eröffnet wurden. Die konkreten Vorbereitungen dafür haben die Demokraten nun bereits getroffen. Noch ein Novum: Sollte der Prozess zur Amtsenthebung tatsächlich anlaufen, dürfte er erst abgeschlossen werden, wenn der abgewählte Präsident schon nicht mehr im Weißen Haus sitzt. Aus Sicht der Demokraten ist ein Impeachment dennoch unausweichlich.

TRUMPS AUFRUFE ZUM KAMPF

Den meisten Amerikanern sitzt der Schock über die Erstürmung des Kapitols auch Tage später noch in den Knochen. Aufgestachelt hatte den Mob bei einer Kundgebung am Mittwoch Trump, der sich verzweifelt dagegen stemmte, dass der Kongress den Wahlsieg des Demokraten Joe Bidens besiegeln wollte. «Ihr werdet Euer Land niemals mit Schwäche zurückerobern», rief Trump. «Wenn Ihr nicht wie der Teufel kämpft, werdet Ihr kein Land mehr haben.» Der Präsident appellierte auch: «Fordert den Kongress auf, das Richtige zu tun.» Die Bilanz der anschließenden Gewalt: fünf Tote, darunter ein Polizist - und verheerende Szenen am Sitz des US-Parlaments, die den Ruf der mächtigsten Demokratie der Welt beschädigen.

TRUMP EINE «GEFAHR FÜR DIE NATIONALE SICHERHEIT»?

Die Demokraten halten allerhöchste Eile für geboten. Der demokratische Abgeordnete Ted Lieu verkündete am Montag, seine Fraktion habe formal eine Impeachment-Resolution ins Repräsentantenhaus eingebracht, in der Trump «Anstiftung zum Aufruhr» vorgeworfen wird. Laut einer Sprecherin Lieus könnte schon am Mittwoch in der Kammer über den Anklagepunkt abgestimmt werden - und damit über die offizielle Eröffnung des Amtsenthebungsverfahrens. Lieu ist Ko-Autor der Impeachment-Resolution. Der US-Präsident wird darin als «Gefahr für die nationale Sicherheit» bezeichnet.

EINE LETZTE FRIST FÜR PENCE

Die Demokraten wollen eine mögliche Amtsenthebung Trumps nun mit Blitzgeschwindigkeit vorantreiben. Zunächst wollen sie Vizepräsident Mike Pence noch eine letzte Frist einräumen, um sofortige Schritte zur Absetzung Trumps einzuleiten, wie die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, am Sonntag ankündigte. Grundlage ist ein Zusatzartikel der Verfassung, wonach der Vizepräsident gemeinsam mit einer Mehrheit wichtiger Kabinettsmitglieder den Präsidenten für unfähig erklären kann, «die Rechte und Pflichten des Amtes auszuüben». Erwartet wird, dass das Repräsentantenhaus am Dienstag über eine Resolution abstimmt, mit der Pence dafür eine Frist von 24 Stunden gesetzt wird. Die Chancen einer Absetzung Trumps auf diesem Weg scheinen aber gering: Pence ignoriert entsprechende Forderungen von Top-Demokraten seit Tagen.

WANN DAS IMPEACHMENT-VERFAHREN STARTEN KÖNNTE

Rührt sich Pence auch weiterhin nicht, wollen die Demokraten umgehend ein reguläres parlamentarisches Amtsenthebungsverfahren eröffnen - mit der Resolution von Lieu und seinen Kollegen. Die notwendige einfache Mehrheit dafür ist absehbar. Das Verfahren selbst - das einem Gerichtsprozess ähnelt - würde dann vom Senat geführt, der anderen Kammer im Kongress. Der Senat kommt erst am 19. Januar wieder zusammen. Nach den Impeachment-Regeln könnte das Verfahren frühestens am 20. Januar um 13.00 Uhr beginnen. Eine Stunde vorher wird Trumps Amtszeit mit Bidens Vereidigung enden.

WAS HINTER DEM VORHABEN DER DEMOKRATEN STECKT

Wenn der Senat ein Urteil fällen würde, wäre die Ära Trump also schon Geschichte. Das Vorgehen der Demokraten erscheint daher auf den ersten Blick symbolisch, doch es steckt mehr dahinter: Die Resolution sieht nicht nur vor, Trump des Amtes zu entheben - sondern in einem zweiten Schritt auch, ihn lebenslang für alle Regierungsämter zu sperren. Es wäre das Ende des Politikers Trump, der ansonsten 2024 ein weiteres Mal für die Präsidentschaft kandidieren könnte.

WIE SIND DIE CHANCEN?

Die Erfolgaussichten für die Demokraten sind gering. In der US-Geschichte ist noch nie ein Präsident des Amtes enthoben worden. Auch Trump wurde im vergangenen Februar bei seinem ersten Verfahren wegen der sogenannten Ukraine-Affäre vom Senat freigesprochen, weil seine Republikaner damals noch eine Mehrheit in der Parlamentskammer hatten. Seit dem Jahr 1798 - als mit dem Impeachment eines Senators das erste Verfahren überhaupt stattfand - enthob der Senat erst in drei Fällen die Beschuldigten nicht nur des Amtes, sondern erließ zusätzlich eine Ämtersperre. Betroffen waren jeweils Bundesrichter.

TRUMP UND DER «WAHNSINN»

Die Ämtersperre kann nicht alleine beschlossen werden - erst müsste der Senat mit einer Zweidrittelmehrheit für eine Amtsenthebung stimmen. Das ist nicht absehbar, zumindest noch nicht: Denn auch unter republikanischen Senatoren nimmt die Kritik an Trump zu. Seit dem Wochenende fordern zwei von ihnen offen den Rücktritt des Präsidenten, ein dritter will die Anklage des Repräsentantenhauses zumindest in Erwägung ziehen. Senator Pat Toomey begründete seine Rücktrittsforderung am Sonntag im Sender CNN damit, dass Trump seit der Wahlniederlage auf «eine Ebene des Wahnsinns» abgestiegen sei, die unverzeihlich und früher undenkbar gewesen sei.

Die Demokraten sehen in der Eröffnung des Amtsenthebungsverfahrens auch eine Art Vorratsbeschluss: Sollte Trump sich weitere schwere Vergehen leisten, könnte der Senat schon vor dem 19. Januar zusammenkommen, um sofort ein Blitz-Verfahren zu beginnen - wenn alle 100 Senatoren dem zustimmen. Die Demokraten warnen, jeder Tag, den Trump im Amt bleibe, sei eine Gefahr fürs Land. Pelosi beriet sich nach ihren Angaben vom Freitag bereits mit der Führung des Militärs, um einen «instabilen Präsidenten» daran zu hindern, «Militärschläge zu beginnen» oder einen «atomaren Angriff» zu befehlen.

DEMOKRATEN WOLLEN EIN ZEICHEN SETZEN

Nicht zuletzt wollen die Demokraten ein Impeachment-Verfahren auch deswegen einleiten, um ein Exempel zu statuieren. Der linke Senator Bernie Sanders sagte: «Es muss klargestellt werden, dass kein Präsident, jetzt oder in Zukunft, einen Aufruhr gegen den amerikanischen Staat anführen kann.» Viele Landsleute wollen Trump sofort loswerden. In einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage des Senders ABC sagten 56 Prozent, Trump solle noch kurz vor Schluss des Amtes enthoben werden. Weitere 19 Prozent sind nur aus dem Grund dagegen, dass der Präsident ohnehin bald ausscheidet. Lediglich 23 Prozent sprachen sich gegen ein Impeachment aus, weil Trump in der Woche der schweren Kapitol-Krawalle nichts falsch gemacht habe.

VERTIEFT EIN IMPEACHMENT DIE SPALTUNG DER USA?

Kritiker eines Amtsenthebungsverfahrens warnen allerdings vor den Konsequenzen. Das erste Impeachment-Verfahren gegen Trump hat die politischen Gräben in den USA vertieft. Demokraten und Republikaner standen einander schon damals unversöhnlich gegenüber, ebenso Trump-Anhänger und Trump-Gegner im Land. «Ich bin überzeugt, dass ein Impeachment unter diesen Umständen das Land weiter spalten wird», mahnt der Senator und langjährige Trump-Vertraute Lindsey Graham.

Republikaner werfen auch die Frage auf, wie ein Impeachment zu den Worten des künftigen Präsidenten Joe Biden passt - der gesagt hat, das Land brauche endlich Heilung, Ruhe, Einigkeit. Der republikanische Kongressabgeordnete Kevin Brady beschuldigt die Demokraten, «den Wunsch nach Rache über die besten Interessen des Landes» zu stellen. Der Demokrat Lieu will das nicht gelten lassen. «Wir heilen unsere Nation, indem wir die Verantwortlichen für den Putschversuch zur Rechenschaft ziehen», schrieb er auf Twitter. «Angefangen bei dem Mann, der ihn angestiftet hat: Donald Trump.»

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Ingo Kerp 12.01.21 15:37
Das ist schon eine Einmaligkeit beim Präsidenten Trump, auf die er aber sicher nicht stolz ist. Er ist der erste Päsident, gegen den ein zweites Amtsenthebungsverfahren eingeleitet wird. Es wir sicherlich, wie beim ersten Mal scheitern, da nicht genügend Stimmen der Republikaner zusammen kommen werden. Denoch, das Zeichen und die Einleitung alleine, dürften mehr als frustrierend für den Lügenbold Trump sein.
Klaus Olbrich 12.01.21 14:37
Hoffentlich kommt diese Amtsenthebungs durch, obwohl ich das kaum glaube, die Zeit ist zu kurz!
Dieser President ist absolut das letzte und man kann nur hoffen, daß er nie wieder in die Naehe eines Presidenten- posten kommt.
Wirksam waere, wenn man ihm ans Geld geht und die vielen Verwandten der Toten, die er verschuldet entschädigt.
Hoffentlich werden ihm bald Prozesse gemacht, die das veranlassen koennen.