Trump im G20-Fokus

Buenos Aires rüstet sich gegen Gewalt

Foto: epa/Juan Ignacio Roncoroni/Shawn Thew
Foto: epa/Juan Ignacio Roncoroni/Shawn Thew

BUENOS AIRES (dpa) - Werden wieder die Barrikaden brennen? G20-Gastgeber Argentinien steckt in einer schweren Krise - und jetzt das teure Schaulaufen von Trump, Putin und Co.. Aber reden ist gerade heute wichtiger denn je - in Buenos Aires geht es um mehrere Großkonflikte gleichzeitig.

Buenos Aires rüstet sich mit 25 000 Polizisten und Soldaten für den ersten G20-Gipfel in Südamerika: Donald Trump und die anderen Staats- und Regierungschefs reisen in angespannter Lage nach Argentinien. Von Ukraine-Krise bis zu einer drohenden Verschärfung des Handelskonflikts gibt es reichlich Sorgenthemen.

Selten war ein G20-Gipfel so überlagert von Konflikten: Die Krise des Multilateralismus, nationale Alleingänge und Abschottung, dazu die neue Eskalation zwischen der Ukraine und Russland nahe der Krim. Seit Wochen mehren sich weltweit Absturzsignale.

So gibt es gegenwärtig keine größere Gefahr für die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte als den Handelskrieg, den Trump mit China angezettelt hat. Vor seinem Treffen mit Staats- und Parteichef Xi Jinping in Buenos Aires hat Trump den Druck nochmal erhöht und mit weiteren Sonderzöllen gedroht.

«Es ist unmöglich zu sagen, ob es beim G20-Gipfel einen Waffenstillstand oder einen Durchbruch gibt», sagte ein hoher Beamter des chinesischen Außenministeriums. «Es kann in zwei Stunden gelöst werden - oder in zehn Tagen Verhandlungen nicht.» Ob Trump und Xi Jinping eine Lösung finden, hänge vor allem von den USA ab. Trump unterstellt China unfaire Handelspraktiken und hat auf die Hälfte aller Importe aus China schon Strafzölle verhängt.

In Peking gibt es den Verdacht, dass die USA eher politische Ziele verfolgten und den Aufstieg Chinas zu einer neuen Macht in der Welt verhindern wollten. «In der US-Regierung gibt es einige, die einen Handelskrieg und einen «neuen Kalten Krieg» kämpfen wollen, um Chinas Wirtschaft zu zerstören», sagte Professor Jia Qingguo von der Peking Universität.

Ein weiteres Konfliktthema ist der Ukraine-Russland-Konflikt. Am Sonntag hatte die russische Küstenwache Patrouillenboote der ukrainischen Marine die Durchfahrt in der Meerenge von Kertsch verweigert. Die Gewässer sind seit der Annektierung der Krim durch Russland zwischen beiden Staaten umstritten. Die ukrainischen Schiffe wurden in russische Gewalt genommen. Es fielen Schüsse. 24 Matrosen wurden festgesetzt. Als Reaktion auf die neuen Spannungen ist in der Ukraine ein auf 30 Tage begrenztes Kriegsrecht verhängt worden.

Trump will eine Unterredung mit Kremlchef Wladimir Putin beim G20-Gipfel von einem Bericht seines Nationalen Sicherheitsteams abhängig machen. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko setzt in Buenos Aires auf die Hilfe von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie sei eine große Freundin der Ukraine, sagte der Präsident der «Bild»-Zeitung (Donnerstag). «Im Jahr 2015 hat sie durch ihre Verhandlungen in Minsk schon einmal unser Land gerettet.»

Der US-Präsident wird am Donnerstagabend in Buenos Aires zum zehnjährigen Jubiläum der G20-Gipfel erwartet. Am Freitag beginnt das Treffen der 20 großen Wirtschaftsmächte offiziell. Die US-Armee hat im benachbarten Uruguay 400 Soldaten und Flugzeuge stationiert. Das argentinische Sicherheitsministerium beschaffte Berichten zufolge 15 Millionen Gummigeschosse und zwei Millionen Schuss scharfe Munition.

Die Sorge vor dramatischen Bildern wie beim G20-Gipfel in Hamburg ist groß. Ganze Straßenzüge im Zentrum wurden abgeriegelt. Ab Donnerstag werden Proteste erwartet. Die Regierung des liberalen Präsidenten Mauricio Macri steht ohnehin schon unter Druck, weil das Land in eine tiefe Krise mit hoher Inflation gerutscht ist.

Beim Internationalen Währungsfonds (IWF), der mit seinen Sparauflagen mitverantwortlich für die Staatspleite 2001 gemacht wird, mussten Kredite in Höhe von 57 Milliarden US-Dollar beantragt werden. Und dann der enorme Aufwand für G20. Der erste Gipfeltag wurde vorsorglich zum Feiertag erklärt. Über der Stadt wurde eine 400 Quadratkilometer große Flugverbotszone errichtet und der nahe des Gipfelzentrums am Río de la Plata gelegene nationale Flughafen wurde geschlossen.

Am Donnerstag starten bereits wichtige Vortreffen. So trifft Macri unter anderem EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk im Präsidentenpalast, der Casa Rosada. Danach ist ein längeres Treffen mit Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron geplant und auch ein Gespräch mit Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte, dessen Regierung wegen der geplanten höheren Neuverschuldung eine schwere Zerreißprobe mit der EU riskiert.

Während Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erst am Freitagmorgen kurz vor Gipfelbeginn eintreffen wird, landet Trump ein paar Stunden früher. In seiner Präsidentschaft ist der Westen in eine tiefe Krise geraten - zwar konnten der Streit um Strafzölle zumindest mit der EU zwischenzeitlich entschärft werden, aber kurz nachdem der führende US-Automobilkonzern GM die Streichung von rund 15 000 Stellen angekündigt hatte, könnte auch bald eine Entscheidung Trumps für Strafzölle gegen Autobauer aus Europa fallen. Die Frage könnte auch beim Treffen mit Merkel zur Sprache kommen.

Spannend wird zudem der Umgang mit dem saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman gezeigt. UN-Generalsekretär António Guterres zeigte sich bereit für ein Treffen in Buenos Aires. Er würde mit dem Kronprinzen über die Krise im Jemen als auch über die Tötung des regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi sprechen, sagte Guterres vor dem Abflug. Die Ermordung Khashoggis im saudischen Konsulat in Istanbul hatte eine Welle der Empörung ausgelöst. Die deutsche Bundesregierung will vorerst keine Rüstungsgüter mehr an das Königreich liefern lasse.

Nach einer Anzeige der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in Argentinien stellten Regierungsvertreter allerdings klar, dass dem Kronprinzen in Buenos Aires kein Haftbefehl drohe, weil er diplomatische Immunität genieße. Er war als erster aus der G20-Gruppe schwer bewacht am Mittwoch am La Plata eingetroffen.

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