Der Trickser bleibt frei - Trump erlässt Vertrautem Stone Haftstrafe

US-Präsident Donald J. Trump im State Dining Room, im Weißen Haus, Washington, DC. Foto: epa/Doug Mills
US-Präsident Donald J. Trump im State Dining Room, im Weißen Haus, Washington, DC. Foto: epa/Doug Mills

WASHINGTON: Roger Stone ist eine der schillerndsten - und umstrittensten - Figuren in der US-Politik. Wenige Tage vor seinem Haftantritt wegen Verwicklung in die Russland-Affäre fügt Präsident Trump ein neues Kapitel hinzu: Er entlässt seinem Vertrauten die Strafe.

US-Präsident Donald Trump hat seinem in der Russland-Affäre verurteilten Vertrauten Roger Stone wenige Tage vor dessen Haftantrittstermin die Gefängnisstrafe erlassen. «Roger Stone ist jetzt ein freier Mann!», teilte das Weiße Haus am Freitagabend mit. Der zu mehr als drei Jahren Haft Verurteilte wäre im Gefängnis einem ernsthaften medizinischem Risiko ausgesetzt gewesen, hieß es weiter. Die Verfolgung Stones und das «ungerechte Urteil» gegen den 67-Jährigen hätten Trump auch zu seiner Entscheidung bewogen. «Roger Stone hat bereits sehr gelitten. Er wurde sehr ungerecht behandelt, wie viele andere in diesem Fall.»

Die US-Demokraten kritisierten die Entscheidung scharf und warfen dem Präsidenten Amtsmissbrauch vor. Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, kündigte Maßnahmen im Kongress an, «um diese Art dreisten Fehlverhaltens zu verhindern». Pelosi teilte mit: «Es sind Gesetze erforderlich, um sicherzustellen, dass kein Präsident eine Person begnadigen oder deren Strafe umwandeln kann, die sich an einer Vertuschungskampagne beteiligt, um den Präsidenten vor Strafverfolgung zu schützen.»

In der Russland-Affäre hatte FBI-Sonderermittler Robert Mueller die Vorwürfe zu illegalen Beziehungen zwischen dem Trump-Wahlkampfteam - mit dem auch Stone zusammenarbeitete - und Vertretern Russlands untersucht. In der im Frühjahr vergangenen Jahres abgeschlossenen Untersuchung fand Mueller keine Belege dafür, dass es vor der Wahl 2016 Geheimabsprachen zwischen dem Trump-Wahlkampfteam und Vertretern Russlands gegeben habe. Eine Behinderung der Ermittlungen der Justiz durch Trump schloss Mueller in seinem Bericht nicht aus.

Stone allerdings war im Februar wegen Vergehen im Zusammenhang mit der Affäre zu einer Haftstrafe von mehr als drei Jahren verurteilt worden - am kommenden Dienstag hätte er seine Haft antreten müssen. Eine Jury sah es als erwiesen an, dass er sich im Zusammenhang mit Kontakten zur Enthüllungsplattform Wikileaks unter anderem der Falschaussagen, der Behinderung von Ermittlungen und der Beeinflussung von Zeugen schuldig gemacht hat. Stone hat die Vorwürfe zurückgewiesen.

Wegen der Schwere von Stones Vergehen hatten die Ankläger dem Bundesgericht in Washington eine Haftstrafe von sieben bis neun Jahren Gefängnis empfohlen. Im Anschluss hatte Trump seiner Wut auf Twitter Luft gemacht, das vorgeschlagene Strafmaß scharf kritisiert und von einer «Verfehlung der Justiz» gesprochen. Aus Trumps Sicht ist Stone - wie auch er selber - ein Opfer der «illegalen» Russland-Ermittlungen. Der Präsident schrieb am Samstag auf Twitter: «Roger Stone war das Ziel einer illegalen Hexenjagd, die niemals hätte stattfinden dürfen.»

Stone trat am Freitagabend vor seinem Haus in Fort Lauderdale (Florida) mit einer Maske mit der Aufschrift «Free Roger Stone» (Befreit Roger Stone) vor Unterstützern auf. Trumps Entscheidung sei «gerade noch rechtzeitig» gekommen, sagte er. Stone sagte, Trump habe ihm in einem Telefonat erklärt, dass er seine Gefängnisstrafe umgewandelt habe, statt ihn zu begnadigen, weil eine Begnadigung ein Schuldeingeständnis gewesen wäre.

Der Exzentriker Stone mit seinen schlohweißen Haaren gilt als eine der schillerndsten Figuren in der amerikanischen Politik. Seit Jahrzehnten zog er aufseiten der Republikaner hinter den Kulissen viele Fäden und schreckte auch nicht vor «dreckigen Tricks» zurück, wie er selbst zugibt. Als Verehrer von Richard Nixon hat der 67-Jährige sogar ein Tattoo des ehemaligen Präsidenten auf seinem Rücken, das er bei einer beliebten Netflix-Dokumentation über sein Leben selbst zeigte.

Seine zahlreichen Feinde bezeichnete Stone als «Verlierer». Er hatte stets eine klare Botschaft an sie: «Ich schwelge in Eurem Hass, denn wenn ich nicht effektiv wäre, würdet Ihr mich nicht hassen.» Zu den Gerichtsterminen in jüngster Vergangenheit erschien Stone gerne mit einem süffisanten Lächeln auf dem Gesicht. Trump beriet er schon seit Jahrzehnten.

Die Stellungnahme des Weißen Hauses vom Freitag las sich bemerkenswert feindselig. Sie griff die Russland-Ermittlungen noch einmal scharf an. «Diese Anschuldigungen waren das Produkt von Rücksichtslosigkeit, die von Frustration und Bosheit getragen wurde», hieß es. «Aus diesem Grund hatten die außer Kontrolle geratenen Staatsanwälte von Mueller, die verzweifelt nach spritzigen Schlagzeilen suchen, um eine fehlgeschlagene Untersuchung zu kompensieren, Herrn Stone ins Visier genommen.»

Scharfe Kritik an der Entscheidung Trumps kam vom Vorsitzenden des Geheimdienstausschusses im Repräsentantenhaus, Adam Schiff. «Stone hat gelogen und Zeugen eingeschüchtert», schrieb er auf Twitter. «Mit Trump gibt es jetzt zwei Justizsysteme in Amerika: Eine für Trumps kriminelle Freunde und eine für alle anderen.»

Zuletzt hatte ein Ermittler aus Robert Muellers Team vor dem Justizausschuss des US-Repräsentantenhauses ausgesagt, dass Stone wegen seiner Nähe zu Trump von der US-Justiz begünstigt werde. «Ich habe - wiederholt - gehört, dass Roger Stone wegen seiner Beziehung zum Präsidenten anders als alle anderen Angeklagten behandelt wurde», sagte Staatsanwalt Aaron Zelinsky.

Stone ist nur das jüngste Beispiel für politische Entscheidungen der Regierung, die Trumps Freunden zugute kommen. Im Mai hatte das Justizministerium beantragt, die Vorwürfe gegen den ehemaligen Sicherheitsberater Michael Flynn einzustellen. Auch Flynn war in die Russland-Affäre verstrickt. Zuletzt hatte der prominente New Yorker Staatsanwalt Geoffrey Berman sein Amt im Machtkampf mit der Regierung niedergelegt. Berman hatte auch gegen Mitarbeiter Trumps ermittelt.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.