Tödliches Seilbahn-Unglück : Warum stürzte die Gondel ab?

Fahnen wehen auf Halbmast an der Fassade der Stadtverwaltung von Stresa zum Gedenken an die 14 Opfer des Seilbahnunglücks am Volkstrauertag in Stresa. Foto: epa/Tino Romano
Fahnen wehen auf Halbmast an der Fassade der Stadtverwaltung von Stresa zum Gedenken an die 14 Opfer des Seilbahnunglücks am Volkstrauertag in Stresa. Foto: epa/Tino Romano

ROM/STRESA: Nach dem Absturz einer Gondel in Norditalien bleibt die Frage nach dem Warum. Ein Video zeigt die letzten Sekunden vor dem Unglück. Doch die Ursache ist weiterhin ein Rätsel.

Fahnen auf halbmast und Politiker, die für eine Schweigeminute kurz inne halten: Es ist Dienstag, Tag zwei nach dem Unglück am norditalienischen Monte Mottarone mit insgesamt 14 Toten. Noch immer ist völlig unklar, wie es am Sonntag zu dem Absturz der Gondel kommen konnte. An der Talstation im Ort Stresa am beliebten See Lago Maggiore legten Menschen Blumen und Kerzen nieder. Papst Franziskus drückte am Dienstag den Opfern und ihren Familien seine Nähe und Anteilnahme aus, wie der Vatikan mitteilte. Die Organisatoren des Rennrad-Wettbewerbs Giro d'Italia änderten auf Bitten von Politikern eine für Freitag über den Monte Mottarone geplante Bergetappe aus Respekt vor den Opfern.

Wie konnte die Gondel abstürzen? In der italienischen Presse wurde von einer halbstündigen Unterbrechung des Bahnbetriebs am Samstag, einen Tag vor dem Unglück, berichtet. Erst seit Samstag dürfen Seilbahnen in ganz Italien im Zuge von Lockerungen der Corona-Beschränkungen wieder Ausflügler transportieren. Die wegen fahrlässiger Tötung ermittelnde Staatsanwältin sagte laut Agenturberichten, man werde die Unterbrechung untersuchen, wisse aber noch nicht, ob sie etwa mit dem Unfall zu tun habe. Ermittelt wird zudem, weshalb das Notbremssystem nicht funktioniert hatte.

Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte außerdem das Video einer Überwachungskamera, das den Unfall zeigt. Darauf sei zu sehen, wie sich die Gondel am Sonntag kurz vor der Bergstation am Monte Mottarone befunden habe, als plötzlich ein Seil riss und die Kabine talwärts abstürzte, sagte die Staatsanwältin im italienischen Fernsehen. Mehrere der 15 Passagiere wurden aus der Gondel geschleudert. Sie blieb am Ende völlig zerstört an einem Baum hängen. Für die Rettungskräfte war der steile Waldhang schwer zugänglich.

13 Menschen - Italiener und eine israelische Familie - starben noch an der Unfallstelle. Zwei schwer verletzte Kinder wurden per Rettungshubschrauber in eine Klinik in Turin geflogen, wobei eines noch am Abend starb. Nur ein kleiner Junge, der bei dem Unglück seine Eltern verlor, überlebte.

Eine traurige Nachricht erreichte die Medien zudem am Dienstag: Ein Mitarbeiter eines italienischen Medienunternehmens, der zwei Tage nach dem Unglück wohl in der Nähe filmen wollte, starb am Monte Mottarone. Der Mann hatte der Bergrettung zufolge nach ersten Erkenntnissen einen Herzstillstand. Auch per Hubschrauber herbeigeeilte Sanitäter konnten ihn trotz Wiederbelebungsversuchen nicht mehr retten.

An der Seilbahn Funivia Stresa-Mottarone führt das Südtiroler Unternehmen Leitner gemäß eines Wartungsvertrages Kontrollen durch. Einer Mitteilung der Firma von Montagnacht zufolge war die hydraulische Bremsanlage der Fahrzeuge zuletzt am 3. Mai dieses Jahres gewartet worden. Bei der letzten magnetinduktiven Seilprüfung im November 2020 seien «keine Unregelmäßigkeiten» festgestellt worden. Die täglichen und wöchentlichen Kontrollen liegen laut Leitner in der Verantwortung der Betreibergesellschaft Ferrovie del Mottarone.

Ist Seilbahnfahren noch sicher? Mit Blick auf das Unglück in Norditalien wies der Verband Deutscher Seilbahnen auf die strengen Sicherheits- und Kontrollvorschriften bei deutschen Anlagen hin. «So werden täglich vor Inbetriebnahme der Seilbahn wesentliche technische Funktionen und Einrichtungen kontrolliert. Zusätzlich erfolgen wöchentliche und monatliche Kontroll- und Wartungsarbeiten», sagte ein Sprecher des Verbandes mit Sitz in München am Dienstag.

Seilbahnen, Brücken, Straßen: Das Unglück am Monte Mottarone erinnerte einige ein Stück weit auch an den Einsturz der Morandi-Autobahnbrücke im ligurischen Genua im August 2018 mit 43 Toten. Mängel am Bauwerk seien dort missachtet worden, lautet der Vorwurf.

Das Brücken-Unglück zeigte, in welch schlechtem Zustand Italiens Infrastruktur ist. Milliarden von Euro sollen unter anderem aus EU-Hilfsgeldern zum Wiederaufbau nach der Corona-Krise in die Infrastruktur des Mittelmeerlandes investiert werden. Dass das nötig sein dürfte, wurde auch am Dienstag in Rom klar: Im Osten der Stadt brach eine Straße über einer Tiefgarage ein und verschluckte zwei Autos. Verletzt wurde aber niemand.

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