Verpestete Luft setzt vor allem den Kleinsten zu

In Peking gehört eine Atemmaske zur Standardausrüstung für Fußgänger. Foto: epa/Wu Hong
In Peking gehört eine Atemmaske zur Standardausrüstung für Fußgänger. Foto: epa/Wu Hong

GENF/KOPENHAGEN (dpa) - Holzöfen, Kerosinlampen, offenes Feuer und Abgase: der Qualm macht Kinder krank und tötet Millionen Menschen vorzeitig. Besonders schlimm ist die Lage in armen Länden aber auch in Europa sterben viele Menschen wegen der schadstoffbelasteten Luft.

Luftverschmutzung tötet einer Studie zufolge weltweit sieben Millionen Menschen pro Jahr. Rund 600 000 von ihnen sind Kinder unter 15 Jahren, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Montag in Genf berichtete. Betroffen seien vor allem Menschen in ärmeren Ländern. Aber auch in Europa werden Grenzwerte überschritten und es sterben Menschen wegen der Luftschadstoffe vorzeitig, wie die Europäische Umweltagentur (EEA) in Kopenhagen berichtete. «Luftverschmutzung ist eine globale Gesundheitskrise», warnt die WHO, die sich auf Zahlen aus dem Jahr 2016 bezieht.

Im Durchschnitt atmen weltweit 93 Prozent der Kinder demnach Luft ein, die ein Risiko für ihre Gesundheit und ihre Entwicklung ist. In den reichen Ländern seien es 52 Prozent der Kinder, in den übrigen Staaten 98 Prozent. Die Bürger sollten politischen Druck ausüben, um das Umweltziel einer besseren Luft zu erreichen, meinte die WHO-Expertin für öffentliche Gesundheit, Maria Neira.

Die WHO unterscheidet zwischen Verschmutzung der Außenluft und der Luft in Innenräumen. Unter freiem Himmel verpesten etwa die Verbrennung von fossilen Rohstoffen oder von Abfall, Industrie- sowie Autoabgase, Waldbrände und Vulkanausbrüche die Luft. In Häusern nehmen Rauch von Kerosin, Kohle, Bioabfällen oder Holz zum Kochen, Heizen oder als Lichtquelle Menschen den Atem. Dies sei vor allem für Kinder fatal, die in jungen Jahren besonders viel Zeit unter dem heimischen Dach verbringen.

Wichtigster Hebel für eine Trendumkehr sei daher «saubere Energie» gerade auch in Haushalten, hieß es. Insgesamt sterben weltweit 3,8 Millionen Menschen vorzeitig durch verpestete Luft in Wohnbereichen. Das sei mehr als durch Malaria, Tuberkulose und HIV/Aids zusammen, so die WHO-Studie.

Rund 13 Prozent der Todesfälle von unter Fünfjährigen seien 2016 weltweit durch Lungenentzündung geschehen, heißt es in der Studie - mehr, als durch Durchfall ums Leben kamen, oder durch Mangelernährung oder ansteckende Krankheiten.

Schon im Mutterleib seien Föten gefährdet, schreibt die WHO. Schadstoffe könnten über den Blutkreislauf der Mutter zu dem ungeborenen Kind gelangen. Das könne die DNA schädigen, das Wachstum und den Aufbau eines robusten Immunsystems stören. Kinder seien dadurch unter Umständen besonders anfällig für Allergien und Asthma. Außerdem könne die Entwicklung des Gehirns leiden.

«Kinder atmen schneller als Erwachsene, so nehmen sie mehr Luft und mehr Schadstoffe auf», heißt es in dem Bericht. Zudem seien kleine Kinder näher am Boden, wie die Schadstoffkonzentration besonders hoch sei. Sie atmeten öfter als Erwachsene durch den Mund statt durch die Nase, womit schädliche Partikel leichter in den Organismus kämen. «Die Folgen können Gesundheitsprobleme ein Leben lang sein», warnen die Autoren. «Kinder sind auf uns angewiesen, dass wir sie vor der Bedrohung durch schlechte Luft schützen.»

Auch wenn die Lage für die Menschen in Europa im Schnitt besser ist als in ärmeren Ländern, so ist die Luftverschmutzung auch hier nach wie vor zu hoch. Das geht aus dem von der Europäischen Umweltagentur (EEA) veröffentlichten Report zur Luftqualität in Europa 2018 hervor. Demnach ist Luftverschmutzung der Hauptgrund für vorzeitige Todesfälle in 41 europäischen Ländern. Trotz langsamer Fortschritte würden die Grenzwerte von Europäischer Union und der Weltgesundheitsorganisation WHO vielerorts überschritten.

Für das Jahr 2015 kommen die Forscher auf rund 442 000 errechnete vorzeitige Todesfälle im Zusammenhang mit Luftverschmutzung, davon rund 391 000 in den 28 EU-Mitgliedsstaaten. Ursachen sind etwa Feinstaub, bodennahes Ozon und Stickstoffdioxid. Sie verursachen oder verschlimmern Atembeschwerden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Krebs und führten zu verkürzter Lebensdauer, so die EEA.

Dabei haben laut EEA schärfere Vorschriften zur Luftreinhaltung und verbesserte Standards für Fahrzeugemissionen, Industrie und Energieerzeugung seit 1990 bereits zu einer Verringerung von vorzeitigen Todesfällen um rund die Hälfte geführt.

Als hauptsächliche Quellen der Verschmutzung nennt der Bericht für Europa Straßenverkehr, Energieerzeugung, Landwirtschaft, Industrie und Privathaushalte.

«Emissionen im Straßenverkehr sind häufig schlimmer als solche aus anderen Quellen», erklärte EEA-Direktor Hans Bruyninckx. Sie würden in Bodennähe ausgestoßen und kämen häufig in Städten und damit nah beim Menschen vor. Aber nicht nur Menschen sind betroffen. Luftverschmutzung kann auch Ökosysteme schädigen, Böden, Wälder, Seen und Flüsse beeinflussen und Ernteerträge schmälern.

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