Tödlicher Grenzkonflikt: Neue Spannungen zwischen China und Indien

Foto: Pixabay
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NEU DELHI/PEKING: Der Streit zwischen den zwei großen asiatischen Ländern über den Verlauf ihrer gemeinsame Grenze schwelt schon lange. Diese Woche starben dort aber erstmals seit Jahrzehnten Soldaten. Fruchten die Versuche, die brisante Lage zu entspannen?

Mit Steinen, Stöcken und Fäusten seien die chinesischen und indischen Soldaten im Himalaya aufeinander losgegangen, so schreiben es indische Medien. Schüsse fielen bei dem Zusammenstoß aber keine, wie die indische Armee betont. Dennoch: Kurz darauf waren mindestens 20 indische Soldaten tot. Sie starben an einem umstrittenen Grenzabschnitt der beiden benachbarten Atommächte - laut indischem Militär erlagen sie ihren schweren Verletzungen, nachdem sie auch eisiger Kälte und großer Höhe ausgesetzt waren.

Vorausgegangen waren der Eskalation am Montag wochenlange Spannungen an der Grenze, wo sich Tausende Soldaten der beiden bevölkerungsreichsten Länder der Welt gegenüberstehen. Im Streit über den Grenzverlauf haben die beiden Staaten in den 1960er Jahren auch schon einen kurzen Krieg geführt, den China gewann. Richtig beendet aber wurde der Grenzstreit nie. Und nun gab es dort das erste Mal seit Jahrzehnten Tote.

Die Aufregung war zunächst groß, doch schon am Mittwoch gab es Entspannungssignale. China und Indien wollen den Konflikt friedlich beilegen, wie es aus beiden Außenministerien hieß. Eine Eskalation würde auch ungelegen kommen, da beide Länder genügend andere Probleme haben. China kämpft etwa gerade mit einem neuen Corona-Ausbruch in Peking und zunehmenden Spannungen mit den USA. Und Indien ist das Land mit den weltweit viertmeisten Coronafällen und Millionen arbeitsloser Menschen, die Angst haben zu verhungern.

Trotzdem gab sich Indiens Premierminister Narendra Modi zunächst hart und sagte am Mittwoch: «Indien möchte Frieden, aber ist auch fähig eine angemessene Antwort zu geben, wenn es provoziert wird.» Der hindunationalistische Politiker steht innenpolitisch unter Druck, China entschlossen zu antworten. Denn der Nationalismus hat ihm bisher geholfen - besonders wenn er gegen das militärisch unterlegene verfeindete Nachbarland Pakistan austeilt. Gegen das militärisch stärkere China geht dies allerdings schlechter.

Pekings Reaktion fiel von Beginn an zurückhaltender aus. Das Außenministerium bestätigte so auch nicht Aussagen der indischen Armee zu chinesischen Opfern, womit sich weitere militärische Aktionen rechtfertigen ließen. Dies erklärte die staatliche Zeitung «Global Times» in ihrem Leitartikel am Mittwoch: China habe nicht bekanntgeben, ob und wie viele Opfer es auf chinesischer Seite gab, um Vergleiche zu vermeiden und eine weitere Eskalation zu verhindern.

Weiterhin gaben sich die beiden Nachbarn aber die Schuld an dem tödlichen Zwischenfall. Sie beide sagen, der jeweils andere habe die Grenzlinie verletzt. Beide kritisieren auch die ausgeweiteten Bautätigkeiten im umstrittenen Grenzgebiet des jeweils anderen, um Territorialansprüche auszuweiten. Peking stößt auch die Entscheidung Indiens im vergangenen Jahr auf, seiner Himalaya-Region einen Sonderstatus abzuerkennen, um es stärker in sein Bundesgebiet zu integrieren.

Peking beobachtet zudem mit Misstrauen, wie sein Rivale Indien stärker an die Seite der USA und ihrer Verbündeten rückt und etwa an den Plänen von US-Präsident Donald Trump interessiert ist, bei den erweiterten G7 mitzumachen. Die «Global Times» macht so die Amerikaner für den jüngsten Zusammenstoß mitverantwortlich. Indiens Vorgehen sei größtenteils auf Ermutigung der USA zurückzuführen. Neu Delhi solle nicht den Fehler begehen, sich zu einem «Diener Washingtons» zu machen.

Doch auch wenn die Zeichen inzwischen wieder mehr auf Entspannung stehen, ist der Grenzverlauf zwischen China und Indien nach wie vor nicht geklärt. Seit dem Krieg 1962 an der Grenze gab es immer wieder Zwischenfälle. Meist konnten sie aber durch Gespräche gelöst werden - ohne Tote wie dieses Mal. Und in den letzten beiden Jahren hatten sich Chinas Xi Jinping und Indiens Narendra Modi getroffen und betont, dass sie mehr auf gemeinsamen Handel setzen wollten statt auf Spannungen.

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