Thailand Mon Amour

Schlangenalarm

Es war Besuch da. Ein Wiedersehen, dem ich mit gemischten Gefühlen entgegensah. Das letzte Mal waren wir uns nach einem stürmischen Gewitter auf der Veranda begegnet, wo er sich auf einer Treppenstufe zusammengeringelt hatte, über welche ich ahnungslos hinwegging und ihn erst bei der Rückkehr entdeckte. Das Schicksal meinte es gut mit uns – wir hatten uns um Zentimeter verfehlt.

Diesmal versteckte er sich im größten Blumentopf direkt vor der Haustür. Die „beste Thaifrau aller Zeiten“ leistete ihm Gesellschaft und behielt ihn im Auge, als ich nichtsahnend zurück von der Stadt im heimischen Garten aufkreuzte.

Bevor ich etwas sagen konnte schrie es aus dem Innern des Hauses:„Big snake... in the garden!“

Die Lage war alternativlos

Das war die Kleine, die sich vor lauter Schiss im Wohnzimmer verschanzt hatte. Die „Big snake“ züngelte unter dem Grünzeug hervor, der kleine weiß-blaue Schlangenkopf flog aufgeregt über dem Topfrand hin und her. Das arme Tier war in Panik und wollte das Weite suchen. Das Weite war aber ziemlich nah, denn meine Frau stand mit dem Besen in der Hand da. Wenn sie so dasteht ist die Lage alternativlos, das hätte sogar ein Drache eingesehen.

„Don‘t worry... they come, they are on the road…“, sagte sie und meinte damit die Männer vom Bauamt, welche darauf spezialisiert sind, was da kreucht und fleucht im Land des Lächelns zu entsorgen, damit da unbeschwert weiter gelacht werden kann.

Drachentöter in Aktion

Kaum gesagt, kurvte ein Rover mit dem Stadtwappen auf dem Blech heran und zwei Uniformierte stiegen aus. Sie waren bewaffnet. Jeder von ihnen hielt eine Art Fischerrute in der Hand, an deren Ende eine Schlinge baumelte. Einer hatte einen Spaten dabei, der andere einen Sack. Mir war klar: Es wird eng für unseren Drachen. Die beiden Siegfriede schienen nicht zu Späßen aufgelegt. Die Männer grüßten nur knapp, meine Frau zeigte auf den Topf und alles war klar. Diese Millisekunde der Ablenkung versuchte das Ungeheuer zu nutzen, es glitt blitzschnell über den Topfrand auf die Veranda und wäre entschlüpft, wenn da nicht Sigi der Erste gewesen wäre. Er zückte blitzschnell sein Schwert, – ...ähm... seinen Spaten – und fixierte das Tier mit einem kurzen Hieb, worauf es sich erfolglos wandte und aufbäumte. Hier war ein wahrer Nachfahre des legendären Drachentöters am Werk, da half kein Ringeln und kein Schwänzeln. Hätte der Drache noch Feuer gespuckt, hätte er sich cool eine Zigarette daran angezündet.

Nun trat Siegfried der Zweite in Aktion: Er senkte gnädig die Schlinge über den Drachenkopf, hob das zappelnde Tier auf und – schwupps – war es im Sack. Mission accomplished!

Um meine Gute-Nacht-Geschichte ein bisschen aufzupeppen, könnte ich der Kleinen aus gegebenem Anlass eine Variante der Nibelungen erzählen. Der Held hieße aber nicht Siegfried, sondern selbstredend Resjek, ein edler Ritter ohne Furcht und Tadel. Er holt darin den Drachen eigenhändig – sein Schwert war gerade in der Pfandleihe – aus der Topfsteinhöhle, verpasst ihm eine Watsche, die sich gewaschen hat, worauf das Ungeheuer an Amnesie leidet und vergisst, dass es eines ist. „Ich ein Ungeheuer? Wie kommt ihr denn darauf? Immer diese Fake news...!“

Dann befreit der heldenhafte Resjek die Prinzessin, die gerade dabei ist, die Höhle mit einem Besen zu kehren. Anschließend fliegen die beiden auf dem handzahmen Drachen ins Schloss, wo er als Haustier den Herd einheizen muss, bis er von den Nachfahren durch ein Atomkraftwerk ersetzt wird.

Wenn die Kleine dann noch Fragen hat, lösche ich einfach das Licht und sage, dass es jetzt Zeit zum Schlafen sei, sonst droht die Gefahr, dass es noch zu diesem Dialog kommt:

Sie: „Wieso hat die Prinzessin einen Besen?“

Ich: „Sie musste die Höhle des Drachen damit putzen, er war zu faul dazu.“

Sie: „...ja...aber Mutter putzt doch unsere Höhle auch mit dem Besen und du...?“

Ich: „Psst... schlaf jetzt, Ritter haben ein Schwert und keinen Besen, oder soll ich damit die Wohnung putzen...?“


Über den Autor

Khun Resjek lebt mit seiner thailändischen Frau und Tochter in Hua Hin. Seine Kolumne „Thailand Mon Amour“ illustriert auf humorvolle Weise den Alltag im „Land des Lächelns“ aus der Sicht eines Farang und weist mit Augenzwinkern auf das Spannungsfeld der kulturellen Unterschiede und Ansichten hin, die sich im Familienalltag ergeben. Ein Clash der Kulturen der heiteren Art, witzig und prägnant auf den Punkt gebracht.

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