„Der Grog - dein Freund und Helfer

Es fing alles ganz harmlos an. Erst ein Jucken im Hals, dem ich gar keine Bedeutung schenkte, irgendwo juckt es einem immer, dann kam ein trockener Husten hinzu, den ich aber ignorierte, bis er zu bellen begann, womit er wohl sagen wollte: „Wach auf, Mann, du hast ein Problem.“

Auf dieses Problem hatte ich schon lange gewartet. Denn was macht der Mensch bei ersten Anzeichen einer Erkältung? Ist er gescheit, braut er sich einen Grog. Ein alkoholisches Heißgetränk würde wohl der Duden sagen, aber wie auch immer: Mit einem Grog begibt man sich ins Bett, deckt sich gut zu und lügt die Ehefrau an: „Es ist nichts Honey, morgen ist wieder alles ok, der Grog wirds richten.“

Hätte ich bloß nicht Grog gesagt. Meine neunmalkluge Thaifrau wollte natürlich wissen, was ein Grog ist, woher er kommt und was er in unserem Bett zu suchen hat. Ich erwähnte die Zutaten, sagte aber nicht in welchem Verhältnis Wasser und Rum gemischt werden, kein Mann würde einen Grog verraten.

Aber ein Grog einen Mann. Oder besser gesagt: viele Grogs, denn sie halfen nicht. Hätte ich noch einen mehr getrunken wäre ich bewusstlos geworden und hätte mich gesund geschlafen. Es lag also an der Dosis. Stattdessen hustete ich am Morgen im Haus herum, dass sogar die Hunde des Nachbars ihr Gebell einstellten und nur noch jaulten. Ein ganzer Chor jaulte vielstimmig, sie hatten offenbar Mitleid mit mir.

Arsenal von Chemokeulen

Das rief meine Frau auf den Plan. Sie wollte auch Mitleid haben und sich das nicht von irgendwelchen Kötern nehmen lassen. Sie fuhr stracks zur Pharmacy und kam mit einem vielfarbigen Sortiment von aberwitzigen Tabletten und Pillen zurück, die mich bedrohlich aus ihren Zellophan-Gittern anstarrten. Ein ganzes Arsenal von Chemokeulen gegen ein paar armselige, wenn auch widerspens­tige Bakterien? Wie komme ich bloß aus dieser Nummer raus, ohne sie zu brüskieren? Ich musste Zeit gewinnen.

„Ähm..., lass das mal hier..., ich studiere die Packungsbeilagen, bis du wieder aus dem Büro zurück bist...“, sondierte ich vorsichtig das Terrain. Sie: „Die Packungsbeilagen…? Sie sind nicht in Englisch... auf Thai…!“ Ich: „Ok..., kannst du mir bis am Abend Zeit lassen, Thai zu lernen...?“ Ich hatte schon genialere Einfälle.

Wir einigten uns auf einen Kompromiss: Wenn es bis am Abend nicht besser wird, schlucke ich das Zeug. Es wurde natürlich nicht besser. Um meine Leber vor der toxischen Flut zu schützen, neutralisierte ich sie hin und wieder mit einem Mini-Grog, das ist ein Grog ohne Wasser, Zucker und Zitrone, also nur mit Rum. Meine Erfindung.

Nach drei Tagen war es keine Spur besser, aber farbiger. Mein Rachen hatte von Zartrosa in Dunkelrot gewechselt und bot einem ordinären Schleimbeutel Zuflucht, der ein grüngelbes Sekret absonderte, das zur Freude der entfesselten Bakterien via Husten ins Freie strebte, damit jedermann etwas von ihnen hatte. Folglich machte ich einen ziemlich gebeutelten Eindruck und hisste die weiße Flagge. Meine Frau schleppte mich zu „Big Pharma“, der Apotheke ihres Vertrauens.

Dort durften wir uns einreihen in eine Schar barfüßiger Gestalten, die schniefend und in gebückter Haltung auf einen Tresen zu schlurften, hinter welchem eine „Göttin in Weiß“ thronte, Kunden beriet, sich in Schubladen und Gestellen nach medizinischen Packungen streckte und einkassierte.

Sie trug einen Mundschutz, aber auch so ließ sich erahnen, dass ihr der Job Spaß machte.

Rezept für die letzte Ölung

Als wir an der Reihe waren, unterhielten sich die beiden Frauen sofort angeregt. Das dauerte. Ich fürchtete, dass sie schon längst vergessen hatten, weshalb wir da waren und sich über den neuesten Modehype unterhielten. Dann wanderte der Blick der Apothekerin zu mir hinüber. Sie sah da einen käsebleichen, grauhaarigen Farang stehen, der offensichtlich aus der Asservatenkammer einer Geisterbahn ausgebüxt war. Vielleicht überlegte sie sich, ihm gleich das Rezept für die letzte Ölung auszustellen, um der zukünftigen Witwe keine unnötigen Folgekos­ten aufzubürden.

Sie winkte mich zu sich heran, hielt ein Holzstäbchen zwischen den Fingern, bat mich den Mund zu öffnen und „Aaaah“ zu sagen. Dann legte sie das Stäbchen auf meine Zunge und leuchtete mit einem Laser in meinen Rachen. Nun war die Zeit für meinen Auftritt gekommen:

Ich holte tief Luft und wollte „Aaaah“ sagen, aber es kam nur ein müdes, rabenschwarzes Krächzen aus meinem Schlund, worauf unserer Tochter, deren Kopf gerade bis über den Tresen reichte und die alles mit spitzgörischem (!) Interesse beobachtet hatte, ein schallender Gluckser entfuhr. Meine ganze Autorität ging mit diesem verpatzten Auftritt verschütt, aber die Komik der Situation übermannte mich auch und ich begann mitzulachen, was aber fatal war und den Hustenreiz erst recht entfachte. Mit anderen Worten: endlose Kaskaden schüttelten mich und ich führte dabei einen Veitstanz auf, der nicht ohne Wirkung blieb.

Als es endlich vorbei war und ich die Tränen aus den Augen gewischt hatte, sah ich mich von einem Dutzend staunender Gesichter umringt, die halb verwundert, halb ehrfurchtsvoll zu mir hochblickten. Vor allem der Veitstanz muss bei den Thais einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben. Sicher kursiert irgendwo auf YouTube ein Video davon unter dem Titel: „So tanzen Farangs in unseren Apotheken“.

Meine Frau war nicht nur beeindruckt, sondern zu Tode erschrocken. Die Apothekerin nutzte dies und reagierte hochprofessionell. Sie drückte ihr eine Tüte Breitbandchemo in die Hand, die ich nun unter Aufsicht ins Müesli mischen und schlucken muss.

Wenn sie weg ist, mache ich mir einen Grog.

Über den Autor

Khun Resjek lebt mit seiner thailändischen Frau und Tochter in Hua Hin. Seine Kolumne „Thailand Mon Amour“ illustriert auf humorvolle Weise den Alltag im „Land des Lächelns“ aus der Sicht eines Farang und weist mit Augenzwinkern auf das Spannungsfeld der kulturellen Unterschiede und Ansichten hin, die sich im Familienalltag ergeben. Ein Clash der Kulturen der heiteren Art, witzig und prägnant auf den Punkt gebracht.

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Thomas Jenny 15.02.19 18:38
Tolle Geschichten von Khun Resjek
Ich bin begeistert von den sehr schönen und interessanten Geschichten des besagten Autors. Dieser Mann versteht es ausgezeichnet seine Thai-Geschichten auf eine lustige und treffende Art zu erzählen.
Diese Kolumnen passen ausgezeichnet in den Farang und sind nicht mehr wegzudenken. Vielen Dank für diese Bereicherung. Bitte weiter so!