Thailändische Familienverhältnisse

​Callolo und seine Herzallerliebste - Eine humorvolle Geschichte 

Thailändische Familienverhältnisse

Als meine Herzallerliebste vor einiger Zeit von einem Besuch bei ihrer Fami- lie im Isaan zurückkehrte, erklärte sie mir, wir müssten unser Verhältnis noch einmal genau durchsprechen.

„Was soll das denn?“ fragte ich sie, „nach über acht Jahren.“

„Callolo“, entgegnete sie, „was ist, wenn du morgen stirbst? Ich weiß ja nicht einmal, ob du irgendwelche Erben in Deutschland hast. Am Ende stehe ich völlig unversorgt da.“

Ich verstand sofort: Sie war zu Hause einer knallharten Gehirnwäsche unter- zogen worden.

„Mein Schatz“, sagte ich, „ich habe ein Testament zu deinen Gunsten aufgesetzt und dieses - wie du weißt - bei der deutschen Botschaft hinterlegt. Was willst du denn noch mehr? Das Haus ist auf deinen Namen eingetragen, und ich habe weder Kinder noch andere Erbberechtigte. Aber eines habe ich, und das weiß ich ganz genau.“

„Was meinst du damit, Callolo?“

„Ich habe durch dich eine Familie am Hals, die nichts anderes will, als an mein Geld zu kommen.“

„Callolo, sie lieben dich alle.“

„Mich? Du meinst mein Geld.“

„Callolo, du bist der Buddha in unserer Familie.“

„Was hältst du davon, wenn du statt Buddha einfach ATM-Maschine sagen würdest?“

Meine Herzallerliebste kuschelte sich an mich heran und flüsterte:

„Diesmal geht es doch nur um 5.000 Baht, Callolo, der letzte Monsunregen hat das Dach meines Elternhauses völlig zerstört. Sie leben jetzt ohne Dach überm Kopf, dem Regen und der Kälte völlig schutzlos ausgesetzt.“

Natürlich zahlte ich. Was bleibt einem Farang, der mit einer Thai verheiratet ist, denn sonst übrig? Man hätte mir Kulturlosigkeit vorgeworfen, Respektlosigkeit vor den Schwiegereltern und europäische Arroganz.

Aber irgendwie erscheint mir die ganze Familie von Nai inzwischen wie Geier, die oben auf dem Dach hocken und nur darauf warten, dass sie sich endlich auf das Opfer stürzen können.

Und das Opfer ist natürlich immer und überall der Farang. Nur, ein ausge- saugter, abgemolkener, blutleerer Farang nützt ihnen nichts mehr. Der wird abgeschoben und entsorgt. Aus diesem Grund wird sorgfältig darauf geach- tet, dass nicht zuviel abgezogen wird. Man will ja noch lange davon leben.

Meine Herzallerliebste ist im Grunde meiner Meinung. Auch sie leidet unter den ständigen Forderungen ihrer Familie, aber sie kann sich davor nicht schützen. Die Kinder haben nun einmal die Pflicht, ihre Eltern und die Familie zu unterstützen und ihnen zurückzugeben, was sie angeblich einst von ihnen empfangen haben.

Aber dann konnte ich meine Herzallerliebste von einer Idee überzeugen, die ich am liebsten patentieren lassen würde: Ich veranlasste sie, ihrer Familie mitzuteilen, dass ich durch die Finanzkrise und deren Folgen mein gesamtes Vermögen verloren hätte und ließ gleichzeitig anfragen, ob die Familie uns finanziell unterstützen könnte.

Seitdem haben wir von der Familie nichts mehr gehört, und darüber bin ich ausgesprochen froh. Wie lange meine Herzallerliebste allerdings diese Situa- tion durchhält, ist mehr als fraglich.

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