Attentäter legt Geständnis ab

Foto: epa/Ronald Wittek
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KARLSRUHE/BERLIN (dpa) - In Halle gedenken die Bürger der Opfer des Attentäters Stephan B.. Der erweist sich in den Vernehmungen als redselig - und bestätigt den Verdacht eines rechtsextremistischen Motivs.

Der Attentäter von Halle hat ein umfangreiches Geständnis abgelegt. Dabei bestätigte er ein rechtsextremistisches, antisemitisches Motiv, wie ein Sprecher der Bundesanwaltschaft am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Karlsruhe sagte. Der 27-jährige Stephan B. sagte demnach am Donnerstag beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs aus.

«Es wäre unsinnig, da etwas abzustreiten, und das hat er auch nicht getan», sagte Verteidiger Hans-Dieter Weber dem Südwestrundfunk (SWR). Sein Mandant Stephan B. sei intelligent, wortgewandt, aber sozial isoliert. Auslöser für die Tat sei gewesen, dass er andere Menschen für eigene Probleme verantwortlich mache.

B. sitzt inzwischen in Untersuchungshaft. Der Haftbefehl legt ihm zweifachen Mord und siebenfachen Mordversuch zur Last. Nach Einschätzung der Ermittler wollte er bei dem Anschlag am Mittwoch ein Massaker anrichten und Nachahmer zu ähnlichen Taten anstiften. Er sollte am Freitag aus Karlsruhe zurück nach Halle ins Gefängnis gebracht werden.

B. hatte zunächst versucht, sich mit Waffengewalt Zutritt zu einer Synagoge in Halle zu verschaffen. Als ihm dies nicht gelang, erschoss er eine Passantin und einen Mann in einem Döner-Imbiss. Dazu sagte der Anwalt laut SWR, aus Sicht seines Mandanten sei die Tat «schiefgegangen». Die Opfer seien nicht vorgesehen gewesen. B. sehe Kräfte am Werk, die im Verborgenen wirkten, sehr einflussreich seien und auf die Politik einwirken könnten.

Für die Ermittler steht nun die Frage im Fokus, ob der Täter Unterstützer hatte, wie das Bundeskriminalamt (BKA) am Freitag mitteilte. «Die weiteren Ermittlungen werden sich insbesondere mit der Frage befassen, ob neben Stephan B. weitere Personen in die Tat oder deren Vorbereitung eingebunden waren», hieß es. Das BKA hatte die Ermittlungen wegen der besonderen Bedeutung des Falls von der örtlichen Polizei in Halle übernommen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will die bereits geplante Reform für eine bessere Bekämpfung des Rechtsextremismus beschleunigen. In der ZDF-Sendung «Was nun?» sagte er, sein Ministerium prüfe Verbote von sechs rechtsextremen Gruppierungen. Namen nannte er nicht. Vereine, die sich gegen die Verfassung richten, können in Deutschland verboten werden. Bei Gruppierungen, die in mehr als einem Bundesland aktiv sind, ist der Bundesinnenminister zuständig.

Die Bedrohungslage durch rechten Terror bezeichnete Seehofer erneut als äußerst hoch. «Bedrohungslage «hoch» heißt, genauso wie beim islamistischen Terror, dass mit einem Anschlag jederzeit gerechnet werden muss», sagte er.

In Halle bekundeten am Freitagabend Hunderte Bürger mit einer Lichteraktion vor der Synagoge ihre Solidarität mit der jüdischen Gemeinde. Etliche Menschen vor dem Gotteshaus hielten brennende Kerzen in den Händen.

Nach dem Terroranschlag werden in Sachsen-Anhalt alle jüdischen Einrichtungen und zwei große Moscheen von der Polizei bewacht. Vor all diesen Gebäuden stehe bis auf Weiteres rund um die Uhr mindestens ein Streifenwagen, sagte Landesinnenminister Holger Stahlknecht (CDU) am Freitag der Deutschen Presse-Agentur.

In der Debatte um Konsequenzen aus der Bluttat forderte die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer schärfere Sicherheitsgesetze für Deutschland. Die Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste bräuchten unter anderem längere DNA-Speicherfristen. «Hier wird unser Land und seine Grundordnung von innen angegriffen», sagte Kramp-Karrenbauer dem Berliner «Tagesspiegel» (Freitag). Familienministerin Franziska Giffey (SPD) kündigte an, dass sie die Mittel für die Arbeit gegen Antisemitismus aufstocken möchte.

Heftig diskutiert wird auch über Vorwürfe aus der CSU gegen AfD-Politiker, diese würden sich als «geistige Brandstifter» für rechtsextremistische Gewalttaten betätigen. Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen wies die Anschuldigungen zurück und hielt Seehofer sowie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (beide CSU) vor, die Tat parteipolitisch zu instrumentalisieren.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, warf der AfD dagegen vor, Stimmung gegen Juden zu machen. «Die AfD hat sehr viele judenfeindliche Positionen», sagte er im ZDF-«Morgenmagazin». Als Beispiel nannte er die Forderung nach einem Verbot des rituellen Schächtens.

Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden hatte B. bei seinem Angriff auf die Synagoge vier Schusswaffen und mehrere Sprengsätze bei sich. Ermittler fanden in Wohnräumen des Tatverdächtigen einen 3D-Drucker, was den Verdacht untermauert, er habe seine Waffen selbst hergestellt.

Wie «Zeit Online» berichtete, bereitete B. seine Taten spätestens seit dem Frühsommer vor. Die vorläufige Auswertung der Geldbewegungen seines Sparkassen-Kontos ergab demnach, dass er Teile des Zubehörs für seine Waffen im Internet kaufte. Unter anderem soll er im Mai Material für einen 3D-Drucker erworben haben.

In einem Zimmer des 27-Jährigen wurden mehrere Zettel mit der Aufschrift «Niete» gefunden. Die Behörden vermuten, B. habe mit den Durchsuchungen gerechnet und damit die Polizei verhöhnen wollen.

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