Taliban greifen IS-Kämpfer in Kabul an

​Erste Kabinettssitzung

In der Nähe des Tatorts einer Bombenexplosion in Kabul stehen Taliban Wache. Foto: epa/Stringer
In der Nähe des Tatorts einer Bombenexplosion in Kabul stehen Taliban Wache. Foto: epa/Stringer

ISLAMABAD: Trotz der großen ideologischen Nähe sind Taliban und IS verfeindet. Nach einem Anschlag auf eine Trauerfeier in Kabul üben die Taliban nun Vergeltung. Zugleich fällt die von ihnen gebildete Übergangsregierung erste Beschlüsse.

Nach einem Anschlag auf eine Trauerfeier haben Einheiten der militant-islamistischen Taliban am Montag Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) an mehreren Stellen in der afghanischen Hauptstadt Kabul angegriffen. Bei einem Einsatz gegen den IS-Khorasan - wie sich der IS in Afghanistan und Pakistan nennt - wurden nach Angaben eines Taliban-Sprechers alle Mitglieder der sogenannten Schläferzelle getötet. Die Zahl der Opfer wurde nicht genannt. Die staatliche Nachrichtenagentur Bakhtar twitterte, die Taliban hätten in einem Kabuler Viertel zudem elf IS-Mitglieder festgenommen.

Am Sonntag war in Kabul nahe der Trauerfeier für die Mutter eines hochrangigen Taliban-Funktionärs ein Bombenanschlag verübt worden. Dabei gab es mehrere Tote und Verletzte. Es war die erste Bombenexplosion in Kabul, die offenkundig eine Veranstaltung hochrangiger Taliban zum Ziel hatte. In einem Tweet am Montag verurteilte die UN-Mission in Afghanistan (Unama) den Anschlag.

Zunächst erklärte sich niemand für den Anschlag verantwortlich. Der IS hat seit der Machtübernahme der Taliban Mitte August eine Reihe von Anschlägen auf die Taliban für sich reklamiert. Der IS war in Afghanistan Anfang 2015 offen in Erscheinung getreten. Er will dort und auf pakistanischem Gebiet eine «Provinz» namens IS-Khorasan etablieren und hat wiederholt Anschläge vor allem auf schiitische Muslime und deren Einrichtungen verübt. Mit den ebenfalls sunnitischen Taliban ist der IS trotz großer ideologischer Nähe verfeindet.

Derweil nahm die Übergangsregierung der Taliban ihre Arbeit auf: Ihre Mitglieder kamen in Kabul zu ihrer ersten Kabinettssitzung seit der Machtübernahme Mitte August zusammen. Der Ministerrat beschloss nach Angaben von Taliban-Chefsprecher Sabihullah Mudschahid, wieder Pässe und Personalausweise an afghanische Bürger auszugeben. Die staatliche Nachrichtenagentur Bachtar berichtete, die neuen Pässe und Personalausweise würden höchstwahrscheinlich die Aufschrift «Islamisches Emirat Afghanistan» tragen.

Diesen Titel verwenden die Taliban für ihre Regierung. Der offizielle Namen des Landes unter der früheren, vom Westen unterstützten Regierung lautete Islamische Republik Afghanistan. Unklar bleibt, ob die neuen Pässe von ausländischen Regierungen anerkannt werden.

Mitte August hatten die Taliban Kabul erobert und die Macht übernommen. Bereits von 1996 bis zur US-geführten Intervention 2001 hatten die Taliban weite Teile des Landes beherrscht. Ihre Herrschaft gründete auf Unterdrückung und drakonischen Strafen, vor allem Frauen wurden systematisch diskriminiert.

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